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Oberstes US-Gericht
Trumps Richter unterbinden rechte Wahl-Revolution

Auf dem Spiel stand die gerichtliche Aufsicht über die Organisation von Kongresswahlen in den Bundesstaaten: Demonstration gegen die Änderung der Wahlkreis-Gesetzgebung. 
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Es schien, als sei der Sog der wilden Parteipolitik zu stark, als werde das Oberste Gericht der USA immer tiefer in den Kulturkampf hineingezogen. Als der Supreme Court im vergangenen Jahr eine fünfzig Jahre alte Gerichtspraxis über den Haufen warf und das Recht auf Abtreibung verneinte, befürchteten Liberale einen Dammbruch: Der konservativen Mehrheit an dem Gericht, ein Werk von Donald Trump, trauten sie nunmehr alles zu. Die Befürchtungen nahmen zu, als sich jüngst gleich zwei der konservativsten Richter sich dem Verdacht aussetzten, käuflich zu sein: Clarence Thomas und Samuel Alito hatten Einladungen von Unternehmern zu Luxusreisen nicht offengelegt.

So schlug das Sorgenbarometer weit aus, als den neun Richtern ein Fall aus North Carolina vorgelegt wurde, bei dem es um nichts weniger als die Grundlage demokratischer Wahlen zu gehen schien. Und um die Mehrheit im US-Kongress bei den Wahlen 2024.

Auch zwei Konservative sagten Nein

Nun hat der Supreme Court mit bemerkenswerter klarer Mehrheit gezeigt, dass er nicht gedenkt, den Republikanern freie Hand zu gewähren beim Ziehen von Wahlkreisen. Das am Dienstag publizierte Urteil zu «Moore v Harper» fällte er mit 6 zu 3 Stimmen. Es waren also nicht nur die liberalen Richter und Chief Justice John Roberts, die gemeinsam die Entscheidung prägten. Auch zwei der von Trump eingesetzten Richter, Amy Coney Barrett und Brett Kavanaugh, schlugen sich auf die Seite der Mehrheit.

Vor dem Obersten Gericht der USA schiebt ein Polizist Wache. Wegen mehrerer hoch umstrittener Fälle wurden die Sicherheitsmassnahmen vor dem Gericht verschärft.

Auf dem Spiel stand die gerichtliche Aufsicht über die Organisation von Kongresswahlen in den Bundesstaaten. Die republikanische Mehrheit im Parlament von North Carolina hatte die Wahlkreise derart zu ihren Gunsten ausgestaltet, dass sie wohl 10 der 14 Mandate gewonnen hätte. Obwohl Demokraten und Republikaner ähnlich wählerstark sind. Die Gerichte von North Carolina griffen vor den Zwischenwahlen ein und erliessen temporäre Wahlkreise, mit dem Resultat, dass die beiden Parteien je gleich viele Abgeordnete nach Washington schicken konnten.

Nun ging es vor dem Obersten Gericht um die Frage, ob die Gerichte sich überhaupt einmischen dürfen – oder ob das Parlament eines Bundesstaats allein für die Wahlkreise zuständig ist. Solche Kompetenzstreitigkeiten zwischen Staatsgewalten und -ebenen gehören vielerorts zum Alltag. In den USA sind sie zum Schauplatz parteipolitischer Auseinandersetzungen geworden, weil die Republikaner die Befugnisse staatlicher Gremien ausreizen, die sie kontrollieren. Das Oberste Gericht von North Carolina etwa hatte das Parlament in einem ersten Urteil gebremst. Nachdem die Republikaner aber die Mehrheit dort erobert hatten, stiess es in der neuen Zusammensetzung sein eigenes Urteil um.

Demnächst wird das Gericht über Studentenkredite und «Affirmative Action» urteilen – hoch politisierte Fälle.

Der Fall ist ein Paradebeispiel dafür, wie sich Teile der Republikanischen Partei radikalisiert haben. Die Republikaner in North Carolina stützten sich auf eine Rechtsauslegung namens «Independent State Legislature Theory». Diese entstand als Nebenprodukt des Rechtsstreits zwischen George W. Bush und Al Gore bei der Präsidentschaftswahl 2000. Lange als abwegig belächelt, fand die Theorie jüngst zunehmenden Zuspruch, weniger in der Rechtslehre als vielmehr bei Politikern. Als einer der eifrigsten Verfechter der Theorie gilt Jeff Clark, jener Jurist, den Trump in den letzten Amtstagen zum Justizminister machen wollte.

Bei der mündlichen Verhandlung über den Fall aus North Carolina äusserten mehrere Richter Sympathien für die Theorie, die die gerichtliche Wahlaufsicht beschnitten hätte. Nun, beim Urteil, sind Clarence Thomas, Samuel Alito und Neil Gorsuch in der Minderheit geblieben.

Es ist ein weiteres Zeichen dafür, dass die einzelnen Richter und das Gremium nicht blind parteipolitischen Linien folgen, wie ihnen bisweilen vorgeworfen wird. Das hat das Gericht jüngst mehrfach gezeigt: Es bremste die Republikaner in Alabama, die mit Wahlkreisen Schwarze benachteiligten, und es sah davon ab, das Streikrecht zu schwächen. Stoff für Zoff aber bleibt genug: Demnächst wird das Gericht über Studentenkredite und «Affirmative Action» urteilen, alles hoch politisierte Fälle.