Diskriminierung in den USASchule bestraft Schüler wegen zu langer Dreadlocks
In Texas wird ein schwarzer Schüler vom Unterricht ausgeschlossen, weil er sich weigert, seinen Haarschnitt zu verändern. Das Gericht lehnt seine Klage ab.
Wie lange dürfen die Haare eines Elftklässlers sein? Um diese auf den ersten Blick sehr triviale Frage geht es bei diesem Rechtsstreit, der für ordentlich Aufregung sorgt in den USA – weil es freilich um sehr viel mehr geht als um die Länge der Haare. Es geht um mögliche Diskriminierung, also um Rassismus und Sexismus.
Darryl George ist 18 Jahre alt, er trägt seine Haare zu Dreadlocks geflochten – ein Verstoss gegen die Schulordnung der Barbers Hill High School im US-Bundesstaat Texas, etwa 40 Autominuten östlich von Houston. «Das Haar männlicher Studenten darf nicht über den oberen Rand eines T-Shirt-Kragens fallen», heisst es, und weiter: «Sie dürfen nicht zusammengebunden oder in einer Frisur getragen werden, die dazu führen würde, dass sie über den oberen Rand eines T-Shirt-Kragens, unter die Augenbrauen oder, wenn sie heruntergelassen werden, unter die Ohrläppchen reichen.»
«Ich wollte Nähe zu meinen Vorfahren ausdrücken»
George wollte seine Haare zu Beginn des Schuljahres im vergangenen Herbst so lassen, wie sie sind – auch mit der Begründung, dass er Dreadlocks nicht aus Stilgründen trage, sondern wegen ihrer kulturellen Bedeutung. «Ich wollte Nähe zu meinen Vorfahren ausdrücken», sagt er.
Am 31. August wurde er vom Unterricht suspendiert. Brisanterweise genau einen Tag, bevor in Texas der sogenannte «Crown Act» in Kraft trat. «Crown» steht in diesem Fall für: «Creating a Respectful and Open Workplace for Natural Hair.» Das Gesetz, das im Juli 2019 zunächst in Kalifornien verabschiedet wurde, verbietet jede Form der Diskriminierung aufgrund von Frisuren oder der Beschaffenheit der Haare.
Mittlerweile haben es 24 weitere Bundesstaaten übernommen, Texas am 1. September 2023. Auf Bundesebene kam es wegen eines Filibusters im Kongress Ende 2022 nie zu einer Abstimmung. Es wird erwartet, dass das Gesetz nach der Präsidentschaftswahl im November nochmals vorgelegt wird.
Gegen «Cancel-Culture-Krebsgeschwür»
George klagte gegen die Suspendierung, und zwar nicht nur gegen die Schule und seine Rektoren sowie den Schulbezirk und dessen Leiter Greg Poole, sondern auch gegen Gouverneur Greg Abbott wegen Missachtung des Crown Acts. Nach mehreren Urteilen auf lokaler Ebene – allesamt gegen George, der den Grossteil des vergangenen Schuljahres nicht am Unterricht teilnehmen durfte, sondern die Schultage getrennt von seinen Mitschülern in einem anderen Raum verbringen musste – entschied Bundesrichter Jeffrey Brown: Die Klagen wegen Diskriminierung aufgrund der Hautfarbe oder Einschränkung des Rechts auf Meinungsfreiheit seien nicht zulässig, sehr wohl aber jene wegen Diskriminierung aufgrund seines Geschlechts.
Es gebe keinen Präzedenzfall, bei dem «die Länge der Haare als Ausdruck der Meinungsfreiheit durch den ersten Zusatzartikel der US-Verfassung geschützt sei», heisst es in der Begründung.
Richter Brown schreibt dazu nun: «Diese Fälle genügen nicht, ein Muster anhaltender und weitverbreiteter Praxis herzustellen.» Deswegen seien auch die Klagen gegen Einzelpersonen wie Gouverneur Abbott, die Rektoren und Schulbezirksleiter Poole nicht zulässig. «Unser Schulbezirk wird sich dem Cancel-Culture-Krebsgeschwür nicht ergeben», schreibt Poole in einer Stellungnahme: «Das ist nur darauf aus, Menschen einzuschüchtern und die Rassenproblematik auf unredliche Weise für politische Zwecke zu missbrauchen.»
Die Klage wegen Diskriminierung aufgrund des Geschlechts dagegen sei zulässig, urteilte Richter Brown. Es gebe keinen Grund, beim Dresscode zwischen Geschlechtern zu unterscheiden. Zudem habe ein Richter in Texas schon 1970 in einem ähnlichen Fall geurteilt: «Die Existenz und die Durchsetzung der Haarschnitt-Regel führen zu mehr Störungen im Unterricht als die Haare selbst.» Das sei in diesem Fall ähnlich, die Klage deshalb zulässig.
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