Anonyme BriefkastenfirmenUSA bringen die Schweiz im Kampf gegen Geldwäsche unter Zugzwang
Nach einem neuen Gesetz müssen Briefkastenfirmen ihre Nutzniesser angeben. Betroffen sind der US-Staat Delaware und die Schweiz.
Nach über einem Jahrzehnt zäher Verhandlungen ist in den USA ein Gesetz gegen anonyme Briefkastenfirmen in Kraft getreten. Der Corporate Transparency Act (CTA) schreibt in- und ausländischen Firmen vor, den Fahndern des US-Finanzministeriums die Identität ihres nutzniessenden Eigentümers bekannt zu machen. Die Verabschiedung des Gesetzes könnte die Schweiz unter Druck setzen.
Der wenig mehr als hundert Seiten lange Gesetzestext wurde ins gigantische Verteidigungsbudget eingefügt, das für dieses Jahr Ausgaben von 741 Milliarden Dollar bewilligt. Am Tag vor Heiligabend legte Präsident Donald Trump sein Veto gegen das Haushaltsgesetz ein, unter anderem weil darin nichts von seiner Forderung stand, der Klageschutz für Sozialmedien sei abzuschaffen. Dank überparteilichem Zuspruch überwanden dann aber beide Kongresskammern seinen Widerstand mit mehr als einer Zweidrittelmehrheit.
«Die bedeutendste Reform seit einer Generation»
Mit dem CTA-Gesetz erzielten Gegner der Geldwäscherei und anderer Finanzstraftaten einen Grosserfolg. «Es handelt sich um die bedeutendste Reform seit einer Generation», freut sich Clark Gascoigne von der Fact Coalition, einer Lobbyorganisation in Washington. «Bisher waren die USA der Ort, wo anonyme Briefkastenfirmen am leichtesten gegründet werden konnten», sagt er. «Das wird jetzt aufhören.»
Die betroffenen Sitzgesellschaften müssen innert zwei Jahren der Ermittlungsbehörde Financial Crimes Enforcement Network (FinCEN) ihren nutzniessenden Eigentümer bekannt geben. Gefordert sind im Jahresrhythmus Name, Adresse, Geburtsdatum und die Nummer eines Personalausweises. FinCEN erstellt daraus eine Liste, die ihren Ermittlern zugänglich ist. Auch Finanzinstitute können auf diese Informationen zugreifen, allerdings nur sofern der Kunde damit einverstanden ist. Wer sich der Informationspflicht verweigert, muss mit einer Busse von bis zu 10’000 Dollar sowie mit einer bis zu zweijährigen Freiheitsstrafe rechnen.
Kriminelle können weniger leicht Geld verstecken
Gascoigne geht davon aus, dass 80 bis 90 Prozent der anonymen Sitzgesellschaften vom CTA-Gesetz betroffen sind. Das erschwert das Geldverstecken in den USA für Steuerbetrüger, Terrororganisationen und andere, die illegalen Aktivitäten nachgehen. Laut Gascoigne wurden in den USA zum Beispiel vor zwei Jahren 9000 Massagesalons gezählt, die insgeheim Bordelle waren, also Menschenhandel trieben. «6000 von ihnen waren als Firmen registriert, und von diesen verschwiegen 70 Prozent ihre Eigentümerschaft.»
Vom neuen Gesetz ist Joe Bidens Wohnsitzstaat Delaware besonders stark betroffen. In dem kleinen Ostküstenstaat mit bloss 740’000 Stimmbürgern sind 1,7 Millionen Unternehmen registriert. Ihr Steueraufkommen bescherte der Staatskasse 2019 Einnahmen von 1,36 Milliarden Dollar, was 30 Prozent des Budgets abdeckte. In den letzten Jahren hat sich aber auch Delaware mit der Reform angefreundet. Örtliche Politiker kamen zur Einsicht, das Image eines Schlupflochstaats schade dem Dienstleistungsgeschäft mit legitimen Unternehmen. Der kommende Präsident äusserte sich wiederholt positiv über die Reform und hat weitergehende Schritte gegen Finanzkriminalität zu einem Schwerpunkt seines Regierungsprogramms erhoben.
Druck auf die Schweiz steigt
Das CTA-Gesetz könnte die Schweiz in Zugzwang bringen. «Die USA machen einen Sprung über die Schweiz hinweg», urteilt Martin Hilti von Transparency International Schweiz in Bern. Hilti lobt die im Gesetz verankerte Liste. «Sie erlaubt schnelleres Durchgreifen, senkt dafür die Schwelle und wirkt erst noch präventiv.»
In der Schweiz sind im Vergleich nutzniessende Eigentümer nur den jeweiligen Firmen zwingend bekannt. Auskunft suchende Behörden müssen erst dort anklopfen. Die Verschärfung des Geldwäschereigesetzes kommt in den eidgenössischen Räten wegen des Widerstands der Anwaltslobby nur schleppend voran. Auch bei internationalen Bemühungen um mehr Transparenz, sagt Hilti, «ist die Schweiz eines von zwei Ländern, die bremsen.»
Der grosse Schritt der USA erhöht das Reputationsrisiko für die Schweiz. Auf dem vom Tax Justice Network erstellten Geheimhaltungsindex belegt die Schweiz hinter den Kaimaninseln und den USA den dritten Platz. «Ich gehe davon aus, dass die USA auf der Liste absinken werden», sagt Gascoigne. Das Risiko steigt, dass sich die Schweiz dem unrühmlichen Spitzenplatz nähert.
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