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Interview zum Börsenbeben
«Die Gefahr einer Rezession ist sicher real»

Frau in rotem Mantel geht vor der New York Stock Exchange in New York am 11. März 2025 vorbei. Amerikanische Flagge weht darüber. Fotograf: Michael Nagle.
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Die wirtschaftspolitische Unsicherheit ist in den USA stark angestiegen. In der Folge davon haben die Börsen in den letzten Tagen massiv an Wert verloren.

Katja Gisler ist Vizechefin beim Zürcher Beratungsunternehmen Wellershoff & Partners und verantwortlich für die Erarbeitung von Anlagestrategien. Sie erklärt, was hinter dem Einbruch steckt und wie sich die Entwicklungen in den USA auf Europa und die Schweiz auswirken könnten.

Die US-Börsen haben kräftig korrigiert. Ist das ein kleiner Rücksetzer oder ein grundsätzlicher Stimmungsumschwung?

Es besteht schon die Gefahr, dass das ein Stimmungsumschwung sein könnte.

Warum?

Die Rezessionsrisiken sind gestiegen. Die jüngsten Konjunkturdaten deuten auf einen bröckelnden Privatkonsum hin, und das Wirtschaftswachstum in den USA hängt sehr stark vom Privatkonsum ab.

Hat das vor allem mit einem schwindenden Vertrauen in die Wirtschaftspolitik der Regierung Trump zu tun?

Die Wirtschaft in den USA läuft nicht schlecht, die Situation ist immer noch vergleichsweise komfortabel. Wir sehen aber, dass die Konsumentenstimmung in den letzten zwei Monaten gesunken ist. Auch die Konsumausgaben sind im Januar zurückgegangen. Und das hat sicherlich mit der Wirtschaftspolitik der Regierung Trump zu tun.

Die Börse hat in der ersten Amtszeit und auch nach der Wahl im November euphorisch auf Trump reagiert. Ist dieser Trump-Effekt jetzt verpufft?

Bis jetzt hat sich Trump hauptsächlich auf die Aspekte seines Wirtschaftsprogramms fokussiert, die der Wirtschaft schaden, sprich Zölle. Darauf reagieren die Aktienmärkte natürlich eher negativ.

Wie wahrscheinlich schätzen Sie eine Rezession in den USA?

Die Gefahr ist sicher real.

Trump argumentiert, es brauche jetzt harte Massnahmen, die wehtäten, damit es wieder besser werden könne. Überzeugt Sie das?

Aus Erfahrung wissen wir, dass hohe Inflationsraten, wie die USA sie nach wie vor haben, typischerweise erst in einer Rezession wieder nachhaltig sinken. Aber sein Argument bezieht sich auf die Zölle und die dadurch erhoffte Produktionsverlagerung, und da scheint mir klar: Die Zölle werden der eigenen Wirtschaft langfristig schaden und das Wirtschaftswachstum dämpfen.

Und die Kosten erhöhen und damit die Inflation?

Absolut, ja. Die Zölle werden bewirken, dass die Preise steigen. Es gibt keinen Grund, warum diese Preissteigerungen nicht an die amerikanischen Konsumenten weitergegeben werden sollten.

Eine Frau mit blonden Haaren in einem schwarzen Blazer und einer weissen Bluse steht vor einer Holzwand.

Es gibt Stimmen, die behaupten, Trump wolle mit seinem Vorgehen die US-Zentralbank Fed dazu zwingen, die Zinsen früher oder stärker als geplant zu senken. Was halten Sie davon?

Wenig. Ich glaube, die Zentralbank achtet in erster Linie auf den Inflationsdruck, auf die Wirtschaftslage und den Arbeitsmarkt. Erst wenn sie dort einen nachlassenden Druck sieht, wird sie die Zinsen senken. Aber derzeit ist die Kerninflation immer noch deutlich zu hoch, und die Wirtschaft läuft immer noch verhältnismässig gut.

In Deutschland plant die neue Koalition aus CDU und SPD einen starken Ausbau der Infrastruktur und der Verteidigung, was mehr als 2 Prozent des Bruttoinlandprodukts ausmachen könnte. Die EU will ebenfalls viel mehr in die Verteidigung investieren. Laufen deshalb die europäischen Börsen deutlich besser?

Das verbesserte vorerst sicher die Stimmung an den Märkten. Aber solche Ausgabenprogramme benötigen viel Zeit, bevor sie eine konjunkturelle, wenn überhaupt, Wirkung haben können.

Was steckt dann hinter dem Aufschwung an den europäischen Börsen?

Die Anleger werden gegenüber dem teuren amerikanischen Aktienmarkt skeptisch und suchen nach Alternativen. Und da bieten sich unter anderem die europäischen Börsen an.

Auch wegen der wirtschaftspolitischen Unsicherheit in den USA?

Insbesondere deswegen. Deshalb dürfte auch Gold in diesem Jahr so stark im Plus liegen. Es gibt ein Absicherungs- und Diversifikationsbedürfnis.

Profitiert davon auch die Schweizer Börse?

Vermutlich nur bedingt, da sie sich nicht völlig der Entwicklung in den USA entziehen kann. Der Schweizer Aktienmarkt wird dominiert von Grossunternehmen, die einen grossen Anteil des Umsatzes in den USA erwirtschaften. Sowohl ein Handelskrieg als auch eine Rezession in den USA würde diese treffen. Da dürfte eher der Schweizer Franken profitieren.

Warum?

Wenn sich Europa und sogar Deutschland als Anker für die Stabilität in der Eurozone stark verschulden und damit die fiskalische Stabilität über Bord werfen, dürfte sich der Schweizer Franken weiter aufwerten.

Würde das die Nationalbank zulassen?

Die USA haben angedroht, Währungsmanipulatoren zu bestrafen, da dürfte auch die Schweizerische Nationalbank (SNB) in ihr Visier geraten. Der Handlungsspielraum der Nationalbank wird dadurch sicherlich kleiner. Ich kann mir daher gut vorstellen, dass die SNB vorsichtiger mit Deviseninterventionen umgehen wird.