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US-Wahlkampf
Jetzt hofft Donald Trump auf die Richter – die er selber eingesetzt hat

epa11015918 Former President of the United States, Donald J. Trump speaks to the press during a break of the ongoing civil fraud trial at the New York State Supreme Court in New York, New York, USA, 07 December 2023. Trump, his adult sons and the Trump family business are facing a lawsuit by the State of New York accusing them of inflating the value of assets to get favorable loans from banks.  EPA/SARAH YENESEL
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In den letzten Umfragen fällt US-Präsident Joe Biden immer weiter hinter seinen wahrscheinlichen Herausforderer Donald Trump zurück. Viele Demokraten klammern sich an die Hoffnung, nächstes Jahr werde eine strafrechtliche Verurteilung des republikanischen Ex-Präsidenten dessen Aussicht auf einen Sieg beenden. Amerikas oberstes Gericht könnte ihnen jedoch einen Strich durch die Rechnung machen.

Vergangene Woche landeten zwei hoch bedeutsame Gerichtsfälle vor der Tür des Supreme Court. Je nachdem, wie die neun obersten Bundesrichter urteilen, wird Trump noch im ersten Halbjahr 2024 der Prozess gemacht, und er muss Anfang November womöglich als verurteilter Verbrecher zur Wahl antreten. Die Alternative: Trump wird geschont und erhält vor dem Wahltag politischen Rückenwind.

Der erste Gerichtsfall dreht sich um die Anklage, die der von Bidens Justizminister eingesetzte Sonderermittler Jack Smith am 2. August gegen Trump erhob. In vier Punkten wird diesem vorgeworfen, er habe nach seiner Niederlage gegen Biden im November 2020 mit strafbaren Handlungen das Wahlergebnis umzustossen und die Beglaubigung des Resultats durch den Kongress zu stoppen versucht.

Die Anklageschrift behauptet, Trump habe sich mit sechs Anwälten und Beratern verschworen, um in mehreren Gliedstaaten alternative Wahlmänner aufzustellen. Zudem habe er Vizepräsident Mike Pence bedrängt, am 6. Januar 2021 die Beglaubigung der Elektorenstimmen im Kongress anzuhalten. Die Anstiftung zum Sturm auf das Capitol ist kein Anklagepunkt.

Zur Debatte steht jetzt, ob Trump solcher Verbrechen überhaupt angeklagt werden kann. Trumps Verteidiger machen geltend, er sei gegen all die Anklagen immun, da er während dieser Zeit noch amtierender Präsident war.

Verfassungsrechtliches Neuland

Auf den ersten Blick scheint die Immunitätsbehauptung widersinnig, denn die US-Verfassung sieht ausdrücklich vor, dass ein Ex-Präsident für Dinge belangt werden kann, die während seiner Amtszeit stattfanden. Präsident Richard Nixon musste sich nach dem Rücktritt 1974 von seinem Nachfolger Gerald Ford begnadigen lassen, damit er nicht mehr angeklagt werden konnte.

Die den Trump-Prozess leitende Bundesrichterin Tanya Chutkan verwarf die These der Verteidiger denn auch umgehend. Trumps vier Jahre im Weissen Haus, urteilte sie Anfang Dezember, «verleihen ihm nicht das göttliche Recht von Königen, die strafrechtliche Verantwortung zu umgehen, die für seine Mitbürger gilt».

Verfassungsrechtlich betreten die obersten Richter Neuland, denn die Frage der Immunität eines Präsidenten wurde nie abschliessend geklärt. Sachlich steht unter anderem zur Frage, in welcher Eigenschaft Trump handelte: als oberster Repräsentant der Exekutive, der das Zählen der Stimmen überwachte, oder als politischer Kandidat, der seine Niederlage abwenden wollte.

Die meisten Rechtsexperten glauben nicht, dass der Supreme Court Trump eine pauschale Immunität gewähren wird – nicht einmal in seiner jetzigen Zusammensetzung mit sechs konservativen und drei liberalen «Justices». Trump sorgte zwar für die konservative Mehrheit, indem er drei neue Bundesrichter ernannte. Aber das Gericht urteilte bisher in mehreren Fällen nicht in seinem Sinn. 2020 gab es die Herausgabe von Trumps Finanzakten frei. Nach den Wahlen verwarf es das Begehren von Texas, die Ergebnisse in vier Gliedstaaten zu annullieren. Und letztes Jahr weigerte es sich, Akten des Weissen Hauses zum Sturm auf das Capitol unter Verschluss zu halten.

Trump soll noch vor Sommer abgeurteilt werden

Ebenso wichtig wie das Endurteil könnte werden, wie schnell der Supreme Court vorgeht. Sonderanwalt Smith fordert in einer Eingabe, die Bundesrichter sollten die Immunitätsfrage im Eilverfahren klären, ohne das Urteil eines Berufungsgerichts abzuwarten. Offenbar möchte Smith den auf 5. März angesetzten Prozessbeginn nicht gefährden.

Smith erwähnt es nicht, aber sein Hintergedanke könnte ein politischer sein: Trump soll noch vor Sommer abgeurteilt werden, bevor der Wahlkampf in die Endphase tritt. Halten die obersten Richter gegen Smiths Wunsch am regulären Zeitplan fest, wäre ihr Urteil frühestens für Juni zu erwarten. Dann gäbe ein Prozess im Spätsommer Trumps wiederholter Kritik Auftrieb, dem Ankläger und Bidens Justizdepartement gehe es gar nicht um Gerechtigkeit, sondern nur darum, die Wahlen zu beeinflussen.

Vom zweiten Gerichtsfall kann sich Trump noch grösseren Nutzen erhoffen. Wie das Oberste Gericht am Mittwoch mitteilte, will es die Anklage gegen den Ex-Polizisten Josef Fischer überprüfen, der am Capitol-Sturm beteiligt war. Wie Hunderten anderer Angeklagter wird Fischer vorgeworfen, sein Protest habe sich gegen die Elektorenzählung gerichtet. Daher habe er gegen das Gesetz verstossen, das für die «korrupte Störung eines offiziellen Verfahrens» bis zwanzig Jahre Gefängnis vorsieht.

Fischers Verteidiger sagen, das nach dem Enron-Korruptionsskandal 2002 in Kraft getretene Gesetz drehe sich um die Behinderung von amtlichen Ermittlungen, etwa durch Aktenvernichtung. Politische Proteste fielen nicht darunter.

Die konservative Mehrheit im Supreme Court könnte sich sehr wohl an der sehr weiten Auslegung des Gesetzes stören. Falls die darauf fussenden Anklagen aufgehoben werden, würde das auch Trump helfen, denn zwei der gegen ihn erhobenen Anklagepunkte basieren auf diesem Gesetz. Sonderanwalt Smith müsste seine Anklageschrift umschreiben, wenn er sie überhaupt aufrechterhalten kann.

Für Trump wäre dies eine günstige Wendung – umso mehr, als auch dieses Urteil des Supreme Court frühestens im Juni vorliegen wird.