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US-Wahl-Guru unter Schock
«Die Demokratie ist verloren», sagt Allan Lichtman – und verlässt verfrüht den Livestream

Hier verabschiedete sich der gestresste Wissenschaftler, bevor die Auszählung vorbei war: Allan Lichtman.
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In Kürze:
  • Allan Lichtmans Prognosesystem hatte seit 1984 in neun von zehn Wahlen funktioniert.
  • Diesmal setzte er auf Kamala Harris – und wurde dafür scharf kritisiert.
  • Während der Wahlnacht erkannte Lichtman die tatsächliche Niederlage für Harris.
  • Er erklärte, dass die Demokratie ernsthaft bedroht sei und niemals aufgegeben werden dürfe.

Er war sich hundertprozentig sicher. Sein System hatte seit 1984 in neun von zehn Wahlen funktioniert – und selbst bezüglich der einen Ausnahme im Jahr 2000 argumentiert er, nicht zu Unrecht, dass er eigentlich richtig lag. 2016 hatte er als einer der wenigen die Wahl von Donald Trump vorhergesagt. Darum nennt man den Washingtoner Geschichtsprofessor Allan Lichtman auch den «Nostradamus der Wahlen» oder «predictor extraordinaire». Diesmal setzte er – nachdem er zuerst gegen den Austausch von Joe Biden an der Spitze des demokratischen Tickets agitiert hatte, weil er dessen Chancen für intakt hielt – auf Kamala Harris. In zahlreichen Medien, auch in dieser Zeitung, kam er vor der Wahl zu Wort und bekräftigte seine Position.

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Denn sein Vorhersage-System betrachtete der sportliche 77-Jährige als wissenschaftlich unwiderlegt. Entwickelt wurde es von ihm und dem russischen Geophysiker Vladimir Keilis-Borok, auf dessen Methoden für die Erdbebenvorhersage es fusst. 13 «Keys», Schlüsselfaktoren, sind für den gebürtigen New Yorker entscheidend für die Wahl ins Weisse Haus. Sie bilden eine Checkliste, erstellt hat er sie durch die Erforschung der Wahlausgänge von 1860 bis 1980.

Dazu zählen beispielsweise: ob man bereits der Amtsinhaber ist, ob es eine starke dritte Partei gibt, ob das Land sich in einer Rezession befindet, ob eine Administration Skandale gehabt hat, ob es militärische oder aussenpolitische Niederlagen gegeben hat oder soziale Unruhen herrschen. Hingegen hält Lichtman die Wahl des Vizekandidaten für irrelevant, auch die sogenannten Oktober-Überraschungen hätten keinen Effekt. Sprechen sechs oder mehr Schlüsselfaktoren gegen den Amtsinhaber, dann siege der Herausforderer, ist seine These.

Dass Lichtman Kamala Harris mit nur 4 «Gegen-Faktoren» als sichere Gewinnerin sah, setzte ihn vor der Wahl heftigen Angriffen aus. «Sollte ich falschliegen, ist die Demokratie in grosser Gefahr. Seit Jahrzehnten wird sie ausgehöhlt», sagte er auf CNN.

«Die Demokratie ist verloren»

Während der Wahlnacht kommentierte er, zusammen mit Sohn Sam Lichtman, im Livestream «Lichtman live» die eintreffenden Resultate. Gestartet waren die beiden sehr munter. Allmählich zeigte Lichtman Nervosität in humorigen Bemerkungen wie «echt zum Fingernagelkauen». Aber selbst in den frühen Morgenstunden Eastern Time spekulierte er gelassen, wie Kamala Harris wohl Michigan bekommen könnte.

Doch nach 5 Stunden und 46 Minuten, Pennsylvania war noch nicht entschieden, stellte der Sohn trocken fest: «Ich hasse es, das zu sagen, aber ich denke, sie hat verloren.» Kleine Schockpause. Dann sekundierte der Vater: «Ich auch.» Atemholen, Augenreiben, Stirnreiben. «Ich denke, es ist zu 90 Prozent vorbei.» Wangereiben. Pause. Hinterkopfreiben. «Das wars.» Es sei nicht unmöglich, dass sich noch was ändere, aber fast.

Die Zuschauer schickten E-Mails, dass die zwei weitermachen sollten. Sie entschieden, am nächsten Tag auf Tauchstation zu gehen, dann fragte Allan Lichtman: «An welcher Stelle sollen wir aufhören?» Der Sohn: «Wann immer du willst.» Beide zeigten sich erschüttert von der Wahl. «Die Demokratie ist verloren», resümierte Lichtman Senior. «Und wenn sie mal weg ist, ist es fast unmöglich, sie wiederzubekommen.»

Der Moment, in dem Geschichtsprofessor Lichtman (links) sich eingesteht, dass er den Glauben an Kamala Harris’ Sieg verloren hat (am rechten Bildrand sein Sohn Sam Lichtman).

Nach ein paar Minuten – Trump hatte weiteren Boden in Pennsylvania gutgemacht – meldete Allan Lichtman sich ab. Immerhin, nicht ohne seine Zuschauer zu ermutigen: «Verliert nie die Hoffnung! Hört nie auf, zu kämpfen! Die Demokratie ist es wert, gerettet zu werden. Besonders ihr jungen Leute: Die Zukunft ist in euren Händen! Gute Nacht.» Seine wissenschaftliche Annahme hatte sich als falsch entpuppt.

Auf Twitter räumte Lichtman am Mittwoch seine Fehleinschätzung ein und kündigte an, er werde am Donnerstagabend eine Analyse der Wahlergebnisse liefern. Eine Vorhersage ohne hohes Risiko.

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