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US-Präsidentschaftswahlen 2024
Was macht die EU, falls Trump ins Weisse Haus zurückkehrt?

Former President Donald Trump dances during a campaign rally after speaking at Waco Regional Airport, Saturday, March 25, 2023, in Waco, Texas. (AP Photo/Evan Vucci)
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Manchmal ist die Zukunft derart gruselig, dass man lieber nicht so genau hinschauen will. Manchmal hofft man vielleicht, dass einem das Schlimmste erspart bleibt – wozu also für das Schlimmste planen? Und manchmal kann man nur machtlos dastehen und eine Bedrohung auf sich zukommen sehen.

Womit man bei Europa und Amerika wäre: In dreizehn Monaten, am 5. November 2024, findet in den USA die Präsidentschaftswahl statt. So wie es jetzt aussieht, wird der demokratische Amtsinhaber Joe Biden von seinem republikanischen Vorgänger Donald Trump herausgefordert werden. Und wenn die derzeitigen Umfragen halbwegs stimmen, hat Trump eine nennenswerte Siegchance.

Donald Trump, Version 2.0

Das Risiko existiert also, dass die Europäer es nach der US-Wahl im Weissen Haus nicht mehr mit dem fast sentimental europafreundlichen Biden zu tun haben, sondern wieder mit einem Mann, den die transatlantische Allianz und der Grossteil der regelbasierten westlichen Ordnung nicht nur nicht scheren, sondern der beides verachtet. Sofern das möglich ist, sagen Beobachter in Washington, werde Trump in einer zweiten Amtszeit sogar noch trumpiger sein, noch erratischer, noch feindseliger.

Daran wiederum knüpft sich eine Frage: Was tut eigentlich die EU, um sich auf einen möglichen Regierungswechsel in Washington vorzubereiten? Die Antwort ist ernüchternd: wenig bis nichts. «Es gibt zwischen den europäischen Regierungen keinen strukturierten Dialog über dieses Szenario», sagt ein Diplomat.

«Wenn Trump wieder drankommt, wissen wir, dass es schwierig wird», sagt ein anderer Diplomat. «Aber darüber wird höchstens mal am Rand gesprochen.» Eine detaillierte, ausführliche Diskussion darüber, welche politischen und wirtschaftlichen Folgen ein Sieg Trumps für die EU hätte? Findet nicht statt. Eine Planung, wie eine abgestimmte europäische Reaktion im Ernstfall aussehen soll, sollte dieser am 5. November eintreten? Gibt es nicht.

Ein Abgeordneter bemüht die Bibel

«Wir haben sowieso keinen Einfluss auf das Wahlergebnis», seufzt ein EU-Mitarbeiter. «Was sollen wir also machen?» Der deutsche Europaabgeordnete Reinhard Bütikofer (Grüne), einer der führenden Aussenpolitiker im EU-Parlament, bemüht die Bibel, um die Sichtweise in Brüssel zu beschreiben: «Im Moment herrscht die Haltung aus dem Matthäus-Evangelium vor: Herr, lass diesen Kelch an uns vorübergehen.»

Das hat zum Teil praktische Gründe. «Ein organisierter Planungsprozess wäre unklug», sagt Bütikofer. Wenn das rauskäme, so befürchtet er, hiesse es bei den Trump-Unterstützern sofort, dass Europa überlege, wer in Amerika Präsident werden solle.

Drastische Folgen für die Ukraine

Einen Vorgeschmack darauf, was eine zweite Trump-Regierung bedeuten könnte – und eine Ahnung, wie schnell eine theoretische, zukünftige Bedrohung zu einer akuten, realen Gefahr werden kann –, bekam die EU diese Woche: Im US-Kongress strichen republikanische Hardliner kurzerhand mehrere Milliarden Dollar aus einem Übergangshaushalt, die für die Ukraine gedacht waren.

Zu den Politikern im US-Kongress, die stolz verkünden, Amerika solle keinen Cent mehr an Kiew zahlen, gehören wichtige Trump-Verbündete. Die Ukraine-Politik des ehemaligen Präsidenten wiederum besteht darin, anzukündigen, dass er den Krieg binnen 24 Stunden beenden werde. Wie, das ist sein Geheimnis. Aber es klingt nicht nach fortgesetzter und umfassender Militärhilfe für Kiew. Man müsse dann wohl mit dem Ende der amerikanischen Unterstützung für die Ukraine rechnen, sagt die USA-Expertin Clüver Ashbrook.

TOPSHOT - Ukrainian President Volodymyr Zelenskiy walks down the White House colonnade to the Oval Office with US President Joe Biden during a visit to the White House in Washington, DC, on September 21, 2023. (Photo by KEVIN LAMARQUE / POOL / AFP)

Für die EU bedeutet das: Sollte Trump siegen, muss sie sich darauf einstellen, weit mehr für die Ukraine zu tun als bisher. Diese Erkenntnis greift in Brüssel zwar langsam um sich. Aber die europäische Rüstungsindustrie ist längst nicht in der Lage, die Lücke an Waffen und Munition zu füllen, die entstünde, wenn die USA ausfallen sollten.

Unrealistische Autarkie

In manchen europäischen Kreisen wird angesichts der drohenden Rückkehr Trumps verstärkt über die französische Idee einer «strategischen Autonomie» der EU gesprochen. Was das in der Praxis heissen soll, ist aber unklar. Einerseits ist es seit dem russischen Überfall auf die Ukraine in Brüssel zu einem Mantra geworden, dass die Europäer künftig mehr für ihre eigene Verteidigung tun müssten – sprich: ihre Armeen vernünftig ausrüsten. Andererseits ist alles, was nach einer sicherheitspolitischen Abkoppelung Europas von Amerika aussieht, in der Union nicht nur höchst umstritten, sondern auch kaum praktikabel. Eine solche Autarkie sei nicht Europas Geschäftsmodell, sagt Clüver Ashbrook.

Und dann ist da ja auch noch die Hoffnung. Dass Trump gar nicht gewinnt. Oder dass er zwar siegt, aber sich doch nicht als ganz so schrecklich herausstellt. Europa sei für Trump immer ein gutes Feindbild gewesen, sagt der ehemalige finnische Aussenminister Pekka Haavisto, der zwei Jahre lang mit der Trump-Regierung zu tun hatte. «Aber die wichtigsten Komponenten der Sicherheitszusammenarbeit hat er nicht angetastet. Aus der Nato ist er eben trotz aller Drohungen nicht ausgetreten. Will er wirklich die Verbündeten in Europa gegen Russland verlieren sehen?»

«Wer Putin gewinnen lässt, stärkt China.»

Reinhard Bütikofer, Europaabgeordneter

Ähnlich beurteilt Bütikofer die Lage. Es sei im nationalen Interesse der USA, der Ukraine zu helfen und Europa nicht dem russischen Gewaltherrscher Wladimir Putin zu überlassen, sagt er, weil dieser mit China verbündet sei – dem Hauptfeind aller Republikaner. «Wer Putin gewinnen lässt, stärkt China», sagt Bütikofer. Diese Logik könne kein US-Politiker ignorieren, «der nicht völlig verrückt ist».

Das mag so sein. Aber fällt Trump in Bütikofers «Nicht völlig verrückt»-Kategorie? Sieht er, wie Haavisto voraussetzt, die Europäer als Verbündete? Wer weiss. Vielleicht sollten die Europäer doch jetzt schon in Ruhe darüber reden, was passiert, wenn die Antworten Nein lautet.