Vor Selenski-RedeUS-Abgeordnete wollen Biden zu härterem Kurs gegen Putin bewegen
Bevor heute Wolodimir Selenksi zu den Amerikanern spricht, setzen Republikaner und Demokraten Joe Biden unter Druck, der Ukraine wirksamere Waffen zu liefern.
Während die russischen Geschosse gerade Kiew in Schutt und Asche legen, versucht Wolodimir Selenski den Druck auf die Regierungen im Westen zu erhöhen. Waffen sollen sie liefern, nicht mehr nur Helikopter, Drohnen und Panzerabwehrraketen, sondern vor allem potente Kampfjets, alles, was helfen könnte, die Truppen von Wladimir Putin zu bremsen (die aktuellen Meldungen zu dem Krieg finden Sie im Live-Ticker).
Am Dienstag wandte sich der ukrainische Präsident an das Parlament von Kanada, am Mittwoch wird er live in den US-Kongress zugeschaltet. Dort rennt Selenski Türen ein, die sich jüngst ohnehin weit geöffnet haben.
Die Abgeordneten versuchen gerade, das Weisse Haus zu einem offensiveren Kurs im Ukraine-Konflikt zu verpflichten. Eine überparteiliche Gruppe schickte US-Präsident Joe Biden am Freitag einen Brief, in dem sie mehr Waffen für die Ukraine und härtere Sanktionen gegen Russland verlangte. Unter anderem sollen die USA einen Plan vorantreiben, mit dem osteuropäische Länder Boden-Luft-Raketen des Typs S-300 aus sowjetischer und russischer Produktion in die Ukraine überstellen könnten. In einer CNN-Liveschaltung von der polnischen Grenze forderte am Sonntag der Senator Rob Portmann, Republikaner aus Ohio, Biden müsse eine Lieferung polnischer MiG-Kampfjets in die Ukraine ermöglichen, was dieser bisher kategorisch ausgeschlossen hat.
Der US-Präsident argumentiert, Russland würde ein Jetgeschäft als direkte Konfrontation auffassen. Vor der Demokratischen Partei bat Biden am Freitag um Geduld und warnte, eine direkte Auseinandersetzung mit Russland würde einen Dritten Weltkrieg bedeuten, den er vermeiden wolle.
Das Weisse Haus ist bisher eine vorsichtige Linie gefahren. Vor Kriegsbeginn stellte Biden sicher, dass auch die letzten US-Militärs ihre Ausbildungsaktivitäten in der Ukraine einstellten und das Land verliessen. Anfang März verschob er seit langem geplante Tests ballistischer Interkontinentalraketen, um keine falschen Signale nach Moskau zu senden. Bei den wirtschaftlichen Sanktionen ging Biden ebenfalls langsamer vor, als viele im Kongress forderten: Obwohl vor allem Republikaner seit Wochen schon Strafmassnahmen gegen Russland verlangen, setzte Biden diese erst nach Kriegsbeginn in Kraft. Auch zögerte er einen Importstopp für russische Brennstoffe hinaus.
Biden kommt nach Brüssel
Stets verweist Biden darauf, wie wichtig es ihm sei, im Gleichschritt und in Absprache mit den Verbündeten vor allem in Europa vorzugehen. Die Geschlossenheit sei entscheidend, um Russland wirksam gegenüberzutreten. Biden wird am Donnerstag der kommenden Woche in Brüssel erwartet, wo er am EU-Gipfel teilnehmen soll. Es ist ein Besuch mit Symbolcharakter: Es wird erst Bidens dritte Auslandreise seit seinem Amtsantritt, mit der er sein Bekenntnis zur Nato persönlich bekräftigen wird.
Nato-Botschafterin Julianne Smith wies am Dienstag Vorwürfe zurück, zu wenig zu unternehmen. Seit Jahresbeginn hätten die USA der Ukraine bereits Hilfe im Wert von 1,2 Milliarden Dollar zukommen lassen, die Hälfte davon allein in den vergangenen zwei Wochen. Weitere 13,6 Milliarden Dollar an Hilfsgeldern hat der Kongress bereits bewilligt.
Das Weisse Haus prüft nun laut Smith zusammen mit den Nato-Alliierten, wie es der Ukraine zusätzliche Mittel zur Luftabwehr zur Verfügung stellen könnte. Sie wollte dabei nicht in die Details gehen, ob sie damit die im Kongress kursierende Forderung ansprach.
Ablenkung von den eigenen Putin-Fans
Zu offensiveren Schritten wie einer Kampfjet-Lieferung wird der Kongress Biden kaum bewegen können, weil er dazu keine Handhabe hat. Politisch kann Biden den Druck wohl abfedern, weil auch die Nato eine Eskalation vermeiden will.
Die Republikaner dürften jedoch ihre Forderungen weiterhin lautstark verbreiten. Damit versuchen sie auch zu übertönen, dass zu viele aus den eigenen Reihen Wladimir Putin huldigen. Nachdem Ex-Präsident Donald Trump den russischen Autokraten selbst nach Kriegsausbruch noch mit schwärmerischen Komplimenten bedacht hatte, inszenierten sich viele Prominente aus dem rechten Parteispektrum tagelang mit prorussischen Positionen. Angesichts der Bilder des Leids aus der Ukraine haben die Republikaner es geschafft, diese Stimmen wieder etwas zum Verstummen zu bringen – vorerst.
Alles klar, Amerika? – der USA-Podcast von Tamedia
Den Podcast können Sie auf Spotify, Apple Podcasts oder Google Podcasts abonnieren. Falls Sie eine andere Podcast-App nutzen, suchen Sie einfach nach «Alles klar, Amerika?».
Fehler gefunden?Jetzt melden.