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Bataclan-Prozess
Hauptangeklagter muss lebenslang in Haft

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Im Prozess um die Terrornacht von Paris ist der Hauptangeklagte Salah Abdeslam zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Ein Schwurgericht sprach den 32 Jahre alten Franzosen am Mittwochabend im Pariser Justizpalast schuldig.

Abdeslam gilt als einziger Überlebender des damaligen Terrorkommandos. Er soll keine Möglichkeit zur Haftverkürzung vor Ablauf von 30 Jahren bekommen. In Belgien wurde er bereits zu 20 Jahren Gefängnis verurteilt. Auch gegen andere Angeklagte gab es lange Haftstrafen. 19 der 20 Angeklagten wurden in allen Punkten schuldig gesprochen.

Paris war nach diesen Morden eine andere Stadt.

Von Anfang an war klar, dass es bei diesem Prozess um mehr ging als um ein Urteil. Fast wichtiger als das Ende des Prozesses waren die zehn Monate, die ihm vorausgegangen waren. Es waren Monate, in denen Frankreich versuchte, eines der erschütterndsten Verbrechen seiner jüngeren Geschichte nachzuzeichnen, aber auch all die Folgen abzubilden, die ein solches Verbrechen nach sich zieht.

Der 13. November 2015 hat Frankreich verändert. Neun junge Männer ermordeten in Paris 130 Menschen im Konzertsaal Bataclan und auf den gut besuchten Terrassen im Nordosten der Stadt. Die Terrormiliz Islamischer Staat reklamierte den Anschlag für sich, die Männer selbst beriefen sich auf ihren Glauben. Sie hätten getötet, weil Allah dies wolle. Paris war nach diesen Morden eine andere Stadt. Und beharrte umso trotziger darauf, sich nicht einschüchtern zu lassen, sich der Angst nicht unterzuordnen.

Menschen gingen weiter in Cafés, in Bars, in Konzerte – an die Orte, die zum Schauplatz eines Massakers geworden waren. Fluctuat nec mergitur, sie schwankt, aber sie geht nicht unter: Mit dem Wahlspruch von Paris, der auf dem Wappen der Stadt steht, lehnten sich die Menschen gegen die Trauer und den Schmerz.

Justiz arbeitete wie eine effiziente Maschine

Fünf Jahre nach dem Anschlag begann mit dem Prozess eine andere Phase. Fünf Jahre hatte es gedauert, die Anklage vorzubereiten, die Ermittlungsakten füllen Regalmeter. Vielleicht brauchte es diese fünf Jahre, um sich der Wucht dieser Tat zu stellen. 

Bei den Terroranschlägen vom 13. November 2015 verloren 130 Menschen ihr Leben: Rettungskräfte versorgen Opfer in der Pariser Innenstadt. 

Schon bevor der Prozess des 13. November, der ausserhalb Frankreichs einfach Bataclan-Prozess genannt wird, im September 2021 begann, waren sich alle einig gewesen: Dies ist ein historischer Prozess. Daher wurde jede Verhandlungsminute aufgezeichnet, das Bildmaterial wird archiviert. Wie wichtig Frankreich diesen Prozess nahm und nimmt, lässt sich auch an der Logistik ablesen. Im historischen Justizpalast im Herzen von Paris wurde ein moderner Gerichtssaal gebaut, um einen störungsfreien Ablauf zu garantieren.

Und die Planung ging auf: Es kam zu keinen Pannen, keinen Skandalen. Die Justiz zeigte sich bei dieser Jahrhundertaufgabe wie eine effiziente Maschine, in der jeder Anwalt, jede Anwältin, aufseiten der Verteidigung wie aufseiten der Anklage, seine Arbeit in den Dienst der Sache stellte.

Die Menschlichkeit habe gesiegt

Nur, was genau war die Sache? So wie die Tat die Vorstellungen eines möglichen Verbrechens sprengte, sprengte der Prozess den Rahmen einer gewöhnlichen Verhandlung. Vier Monate gehörten allein den Überlebenden, den Angehörigen, all jenen, deren Leben am 13. November zerstört wurde. «Wurde jemals in einem Verhandlungssaal so viel geweint?», fragte «Le Monde» kürzlich. Dieser Prozess hatte sich getraut, den Gefühlen der Opfer den zentralen Platz einzuräumen.

Die 20 Angeklagten, von denen 14 die Verhandlung von einer Glasbox im Gerichtssaal aus verfolgt hatten, gerieten in diesen zehn Monaten manchmal beinahe zu Nebenfiguren. Es war klar, dass Fragen verhandelt wurden, die grösser waren als die Frage nach der Schuld der wichtigsten Angeklagten Salah Abdeslam, Osama Krayem, Sofien Ayari und Mohamed Bakkali. Für Überlebende und Angehörige ging es darum, ob und wie dieser Prozess ihnen helfen könnte, sich ein Stück weit wieder zusammenzusetzen. 

Auch als der Prozess in die Phase der Aufklärung trat, ging er schnell über die 20 Angeklagten hinaus. Der Prozess zeichnete die Strukturen der Terrormiliz IS nach, er versuchte, die totalitäre und menschenverachtende Ideologie hinter den Taten genauer zu greifen. Und die Staatsanwaltschaft stemmte sich gegen den von den Terroristen verbreiteten Mythos, sie hätten gemordet, um auf französische Luftangriffe in Syrien zu reagieren.

In der Nähe des Justizgebäudes patrouillieren am Tag der erwarteten Urteilsverkündigung Sicherheitskräfte, die Strasse wurde mit Steinblöcken abgesperrt.

Drei Hauptangeklagte verweigerten eine Aussage

Da drei der Hauptangeklagten, Osama Krayem, Sofien Ayari und Mohamed Bakkali, sich weigerten auszusagen, blieben Details zu Planung und Durchführung des Verbrechens unklar. Krayem und Ayari wird vorgeworfen, einen Anschlag auf den Amsterdamer Flughafen geplant zu haben. Bakkali gilt als ein entscheidender Drahtzieher des 13. November.

Die meiste Aufmerksamkeit wurde während des Prozesses dem Angeklagten Salah Abdeslam zuteil. Er trug in der Nacht der Anschläge eine Sprengstoffweste, die nicht explodierte. Unklar ist, ob sie defekt war oder Abdeslam sich anders entschloss, wie er sagt. Sein Bruder Brahim Abdeslam sprengte sich am 13. November in einer gut besuchten Pariser Bar selbst in die Luft.

Während des Prozesses betonte Salah Abdeslam, wie sehr er seinen Bruder bewundere. Am Anfang des Prozesses bezeichnete er sich als «Soldaten des IS», dem er treu ergeben sei. Später zeigte Salah Abdeslam Reue, weinte und bat die Opfer des Anschlags um Verzeihung. Es entstand das widersprüchliche Bild eines Mannes, der sowohl um Vergebung wirbt als auch Anerkennung von Terroristen sucht. Die Staatsanwaltschaft forderte für Salah Abdeslam lebenslängliche Haft mit unbegrenzter Sicherungsverwahrung.

Mit Material von SDA