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Unwetter im Berner Oberland
Verwüstung in Brienz – Versicherung rechnet mit Schäden in Millionenhöhe

Eine Geroellawine ueberdeckt einen Dorfteil im Schienenbereich der Zentralbahn Interlaken-Meiringen, am Dienstag, 13. August 2024 in Brienz. Am Vorabend haben heftige Gewitter einen Murgang ausgeloest und Gebaeude, parkierte Fahrzeuge, Strassen sowie Infrastruktur des oeffentlichen Verkehrs beschaedigt. (KEYSTONE/Alessandro della Valle)
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Sintflutartige Regenfälle, heftige Hagelgewitter, überschwemmte Geleise, Sturzbäche über Bahntrassees, Strassen, die von herunterkommendem Geröll überdeckt wurden und nicht mehr passierbar waren: Am Montagabend zogen schwere Unwetter über die Schweiz.

In Brienz BE mussten 70 Personen aus ihren Häusern in eine Turnhalle evakuiert werden. Zwei Personen wurden leicht bis mittelschwer verletzt, wie das Regionale Führungsorgan Oberer Brienzersee (RFO) am Dienstagmorgen mitteilte. Es würden keine Personen vermisst, wie es in der Mitteilung weiter hiess.

Rot markiert: Die Sperrzone aus der Nacht in Brienz.

Durch einen Murgang seien am Montagabend Gebäude, parkierte Fahrzeuge, Strassen sowie Infrastruktur des öffentlichen Verkehrs beschädigt worden. Gegen 18.30 Uhr sei der Milibach in Brienz über die Ufer getreten. Durch mitgeführte Steinbrocken und Holz sei ein Sammler oberhalb des Dorfes überfüllt worden. Das Material sei unkontrolliert in verschiedene Dorfteile der Berner Oberländer Gemeinde geflossen. Aus Sicherheitsgründen empfahl das RFO, das Trinkwasser abzukochen.

Der Bahnübergang in Brienz ist nicht mehr passierbar.

Weiterhin unterbrochen blieben die Bahn- und Schiffsverbindungen von und nach Brienz. Ersatzbusse seien im Einsatz. Die Durchfahrt durch Brienz sei zudem in beide Richtungen gesperrt. Auch das Gebiet Brienz Änderdorf sei aufgrund der anhaltenden Gefahrenlage bis auf Weiteres gesperrt. Bei Tagesanbruch werden Fachleute die Situation vor Ort beurteilen. Daraufhin werde das RFO über das weitere Vorgehen entscheiden.

In Brienz haben die Aufräumarbeiten bereits begonnen.

Ein Einheimischer, der seit 15 Jahren in Brienz lebt, sagt: «Dies ist ein Jahrhundertereignis, würd ich sagen.» Das Bachbett sei im oberen Teil eben schmal: «Dass so viel Holzgeschiebe runterkommt, hat auch mich überrascht.»

Ein anderer Einwohner ist sich sicher, dass die Aufräumarbeiten viel Zeit in Anspruch nehmen werden: «Das ist nicht in zwei, drei Stunden aufgeräumt, das weiss ich als ehemaliges Mitglied des Katastrophenhilfekorps der Armee.» Er sei auch in Gondo dabei gewesen.

Ein Drittel der Regen-Monatsmenge innerhalb einer Stunde

Beim verheerenden Gewitter ist am Montagabend innerhalb einer Stunde etwa ein Drittel der üblichen Monatsmenge an Regen in der Region gefallen. Es seien 42 Millimeter Regen registriert worden, sagte ein Meteorologe von Meteoschweiz der Nachrichtenagentur Keystone-SDA auf Anfrage.

Der Regen sei innert sehr kurzer Zeit niedergegangen. Bei dem Wert handle es sich um den bei einer Messstation registrierten Wert. Lokal könne es noch weit mehr Regen gegeben haben. Radarschätzungen gingen lokal von gar bis zu 80 Millimetern aus. Es habe wenig Wind geherrscht, demzufolge zogen die Gewitter nur langsam vorwärts, was lokal viel Niederschlag brachte, sagte der Meteorologe weiter.

Strasse und Bahn zwischen Grindelwald und Interlaken blockiert

Grindelwald soll gemäss der Kantonspolizei Bern am Dienstagnachmittag wieder per Strasse erreichbar sein, allerdings nur eingeschränkt. Die Zugverbindung zwischen Interlaken und Grindelwald bleibt den gesamten Dienstag unterbrochen.

In Brienz haben die Unwetter besonders heftig gewütet.

Das Dorf Grindelwald im Berner Oberland soll ab 13.30 Uhr wieder per Strasse erreichbar sein. Die alte Strasse werde wechselseitig für den Verkehr geöffnet. Grosse Fahrzeuge seien nicht zugelassen, das Maximalgewicht betrage 3,5 Tonnen.

Die Kantonsstrasse zwischen Zweilütschinen und Grindelwald ist voraussichtlich um 19.30 Uhr wieder wechselseitig befahrbar, sagte der Sprecher weiter. Die Strasse war wegen eines Murgangs vom Montagabend gesperrt. Der Kanton Bern hatte am Dienstagmorgen mit den Räumungsarbeiten begonnen.

Wie Gemeindepräsident Beat Bucher Keystone-SDA sagte, sei am Montagabend ein Baum auf einen Zug gestürzt, es habe jedoch keine Verletzten gegeben. Insgesamt seien von den Einschränkungen im Schienen- und Strassenverkehr sind etwa 150 Personen betroffen. Diese hätten in Notunterkünften übernachtet. Das Newsportal nau.ch hatte zuvor darüber berichtet.

Die Bahnstrecke zwischen Zweilütschinen und Grindelwald bleibt bis voraussichtlich am Freitag unterbrochen. Ab Dienstagabend sollen Ersatzbusse verkehren, wie die Berner-Oberland-Bahnen mitteilten. Auch die Bahn auf das Brienzer Rothorn steht still.

Mit dem öffentlichen Verkehr sei ein Weiterkommen via Männlichen oder kleine Scheidegg, Wengen, Lauterbrunnen nach Interlaken möglich, allerdings dauere dies länger, sagte Bucher. Über diese Strecke habe man auch in der Nacht Leute befördert.

Laut dem Bahnverkehrsinfomationsdienst sind die Linien IR, PE und R70 betroffen. Reisende zwischen Meiringen Bahnhof und Interlaken Ost werden mit Ersatzbussen befördert. Reisende zwischen Luzern und Interlaken Ost reisen via Bern, wie es weiter hiess.

Berner Gebäudeversicherung rechnet mit Schäden in Millionenhöhe

Die GVB rechnet nach dem schweren Unwetter mit Unwetterschäden von 25 bis 30 Millionen Franken. Sie hat bereits rund 200 Schadensmeldungen erhalten, wie sie am Dienstag mitteilte. Die GVB erwartet insgesamt rund 1000 Schadensmeldungen, schrieb sie in einer Mitteilung. Besonders betroffen vom Unwetter im Berner Oberland seien die Gemeinden Brienz, Leissigen, Unterseen und Interlaken.

Im Umfeld des Mühlebachs in Brienz erwartet die GVB nach einer ersten Einschätzung die grössten Schäden. Aktuell sei dort die Zugänglichkeit zu den beschädigten Gebäuden aber noch eingeschränkt.

Holz in den Thunersee geschwemmt

In Leissigen schwemmte der Dorfbach Holz in den Thunersee. In Därligen ist das Bahngleis teilweise mit Wasser überflutet und von Schutt zugedeckt.

Auch rund um Thun gibt es beträchtliche Schäden. Im Gwatt stürzte ein Baum auf die Strasse. Die Einsatzzentrale in Thun konnte auf Anfrage am späten Montagabend keine weiteren Auskünfte zur Situation im Berner Oberland geben. Man sei derzeit mit Notrufen ausgelastet, hiess es. Die Medienstelle war nicht mehr erreichbar.

Die Gewitter waren prognostiziert worden, laut Meteonews war es im Vorfeld jedoch schwierig zu sagen, wo genau sie sich entladen werden. Gegen 21 Uhr erreichte das Gewitter die Region Zürich.

Erinnerungen an 2005

Das Unwetter in Brienz BE vom Montagabend hat böse Erinnerungen an den August 2005 geweckt: Vor 19 Jahren trat der Glyssibach über die Ufer und verwüstete Teile des Dorfs. Zwei Menschen starben, mehrere Familien mussten ihre Häuser für immer verlassen.

Er habe Tränen in den Augen gehabt, als er mit dem Helikopter das Dorf überflogen und das Ausmass der Schäden gesehen habe, sagte der damalige Gemeindepräsident von Brienz, Peter Flück. Der Glyssibach hatte eine Schneise der Verwüstung mitten durch das Dorf gezogen. Der Schlamm türmte sich meterhoch, zahlreiche Gebäude waren zerstört oder stark beschädigt.

SDA/sp/pash/hau