Unwetter in LibyenRund 5200 Tote – Rotes Kreuz schätzt Zahl der Vermissten auf 10’000
Sturmfluten haben im Norden Afrikas eine Katastrophe angerichtet. Allein in der ostlibyschen Stadt Derna sind mehr als 5000 Menschen gestorben. Unter den Opfern sollen sich ganze Familien befinden, die zusammen beerdigt wurden.
Bei dem verheerenden Unwetter in Libyen sind nach Angaben eines Sprechers des Innenministeriums einer der beiden Regierungen in dem Bürgerkriegsland rund 5200 Menschen gestorben. Dies sagte der Sprecher der Deutschen Presse-Agentur am Dienstag. Unabhängig liessen sich die Zahlen zunächst nicht bestätigen.
Während Retter und Angehörige nach Überlebenden suchen, gelten nach Angaben des Roten Kreuzes inzwischen rund 10'000 Menschen als vermisst.
Tamer Ramadan, Leiter des Libyen-Büros der Internationalen Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften (IFRC) mit Sitz in Tunis, sprach am Dienstag per Video bei einer UN-Pressekonferenz in Genf. Es werde mit Tausenden Todesopfern gerechnet, sagte er.
Auch die Vereinten Nationen mobilisieren nach dem verheerenden Unwetter in Libyen mit Tausenden von Toten Hilfe für die überlebenden Menschen. Man arbeite mit lokalen, nationalen und internationalen Partnern zusammen, «um den Menschen in den betroffenen Gebieten dringend benötigte humanitäre Hilfe zukommen zu lassen», sagte ein Sprecher von UNO-Generalsekretär António Guterres in New York. Ein UNO-Team sei vor Ort. Man kooperiere mit den Behörden, um Bedarf zu ermitteln und laufende Hilfsmassnahmen zu unterstützen.
Der Sturm «Daniel», der schon in Griechenland schwere Zerstörungen hinterlassen hatte, erfasste das nordafrikanische Land mit rund sieben Millionen Einwohnern am Sonntag. Besonders schwer von «Daniel» betroffen ist die Hafenstadt Derna.
Videos und Fotos in sozialen Medien zeigten ein katastrophales Ausmass der Zerstörung der Küstenstadt: zerstörte Häuser und Autos in von Schlammmassen überschwemmten Strassen. Laut Augenzeugenberichten liessen die starken Winde Strommasten umstürzen.
Mitten in der Nacht brach dann mit einem lauten Knall ein Staudamm unweit der Küstenstadt. Schliesslich gab auch ein zweiter Damm den Wassermassen nach, die vom Tal Richtung Derna donnerten. Sehenswürdigkeiten, Häuser und Menschen sollen so ins Meer gespült worden sein.
Mehr als 300 Opfer wurden nahe Derna in Massengräbern beerdigt. «Erst wurden diejenigen begraben, deren Identität festgestellt wurde», sagte ein Augenzeuge. «Wegen des Stromausfalls und fehlender Plätze für die Leichen wurden die anderen Toten fotografiert und dann begraben, um sie später identifizieren zu können». Unter den Opfern sollen sich ganze Familien befinden, die zusammen beerdigt wurden.
Osama Ali, ein Sprecher der örtlichen Notdienste, berichtete von den schwierigen Bemühungen der Retter. «Es gibt noch eine Strasse, die in die Stadt führt, aber die Durchfahrt ist schwierig und gefährlich, da ein Teil der Strasse zerstört ist und ein weiterer Einsturz aufgrund der riesigen Wassermengen erwartet wird.»
Neben Derna waren auch andere Städte wie al-Baida, al-Mardsch, Susa und Schahat betroffen. Der Bürgermeister in Schahat sprach von rund 20'000 Quadratkilometern überfluteter Gebiete.
Breaking News? Ausgewählte Leseempfehlungen? Downloaden Sie hier unsere News-App und bleiben Sie mit den Push-Nachrichten stets auf dem Laufenden. Sie haben unsere App bereits? Empfehlen Sie sie gerne an Freunde und Familie weiter.
Die betroffenen Regionen wurden zu «Katastrophengebieten» erklärt. Die Regierung in der Hauptstadt Tripolis unter Ministerpräsident Abdul Hamid Dbaiba sprach von den schwersten Regenfällen seit mehr als 40 Jahren. Am Montag wurde eine dreitägige Staatstrauer ausgerufen. Die Katastrophe schien das Bürgerkriegsland zunächst zusammenzuschweissen, wie Helfer vor Ort berichteten.
Derzeit kämpfen zwei verfeindete Regierungen – eine mit Sitz im Osten, die andere mit Sitz im Westen – um die Macht. Alle diplomatischen Bemühungen, den bis heute andauernden Bürgerkrieg friedlich beizulegen, scheiterten bislang. Der Konflikt wird durch ausländische Staaten zusätzlich befeuert. Die staatliche Ordnung ist in dem Land weitgehend zerfallen, zahlreiche Konfliktparteien ringen um Einfluss, nachdem Langzeitmachthaber Muammar al-Gaddafi 2011 gewaltsam gestürzt worden war.
Unterdessen haben immer mehr Länder ihre Hilfe angeboten. Die Türkei organisierte inzwischen die Entsendung von Rettungskräften.
Man habe Flüge mit Bergungstrupps samt Rettungsbooten, Zelten und Versorgungsgütern an Bord organisiert, teilte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan auf Twitter mit. Auch das Nachbarland Ägypten, die Vereinigten Arabischen Emirate und die Europäische Union sicherten Unterstützung zu.
SDA/AFP/aru
Fehler gefunden?Jetzt melden.