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Coronavirus in den USA
Unter der Pandemie leiden besonders die Schwarzen

Ein Mann in der U-Bahn von New York schützt sich mit einer Atemmaske.
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Ein altes Sprichwort unter Afroamerikanern besagt: Wenn weisse Leute eine Erkältung kriegen, holen sich Schwarze eine Lungenentzündung. Das ist meist im übertragenen Sinn gemeint, etwa dann, wenn von einer wirtschaftlichen Rezession die Rede ist. Was die Corona-Pandemie angeht, kann man den Spruch aber durchaus wörtlich verstehen. Noch sind die Daten über die Ausbreitung und die Folgen des Virus in den USA lückenhaft. Aber nach allem, was bis jetzt bekannt ist, zeigt sich: Schwarze Amerikaner sterben überdurchschnittlich oft an Covid-19. Das Virus, so scheint es, verschärft die Gegensätze zwischen Schwarz und Weiss.

Besonders sichtbar wird das in den grossen Städten des Mittleren Westens, die inzwischen zu Hotspots des Virus geworden sind. In Milwaukee im Bundesstaat Wisconsin sind nur 26 Prozent der Einwohner der Stadt und ihres Umlands schwarz. Sie machen aber 73 Prozent der Todesopfer aus. In Chicago stellen Afroamerikaner 32 Prozent der Einwohner, aber 67 Prozent der Todesopfer.

Im Bundesstaat Michigan trugen sich drei Viertel der Todesfälle in Detroit zu, einer überwiegend schwarzen Stadt. Das Bild wiederholt sich im Bundesstaat Louisiana: Dort sind 70 Prozent der Toten Schwarze, obwohl der schwarze Bevölkerungsanteil nur 32 Prozent beträgt.

Unterversichert, unterversorgt

Die Zahlen sind für viele Gesundheitsexperten erschreckend, aber nicht überraschend. Man wisse schon lange um die Unterschiede beim Gesundheitszustand der schwarzen Bevölkerung, sagte Anthony Fauci, der Direktor des Nationalen Instituts für Infektionskrankheiten: «Die Corona-Krise wirft nun ein grelles Licht darauf, wie inakzeptabel das ist.»

Auch Präsident Donald Trump redete am Dienstag davon, dass die Schwarzen «drei- bis viermal» so stark vom Coronavirus betroffen seien wie andere Bevölkerungsgruppen. «Wir tun alles, was in unserer Macht steht, um das Problem anzugehen, und es ist ein riesiges Problem. Es ist schrecklich.»

Was die Regierung kurzfristig unternehmen kann, ist jedoch nicht ganz klar. Für das Leid, das Covid-19 unter der schwarzen Bevölkerung anrichtet, gibt es viele strukturelle Gründe. Das beginnt beim Umstand, dass Social Distancing für viele Schwarze ein Luxus ist, den sie sich nicht leisten können.

Afroamerikaner arbeiten überdurchschnittlich häufig in jenen Berufen, ohne die das Land in dieser Krise gar nicht funktionieren würde: Sie füllen Regale in Supermärkten auf, tragen Pakete aus, fahren Lieferwagen, Busse und U-Bahnen. Es sind Jobs, die sich nicht ins Homeoffice auslagern lassen – und die sie vermehrt dem Virus aussetzen.

Der Rassismus im System

Hinzu kommt, dass viele Schwarze medizinisch unterversorgt sind. 11,5 Prozent der Afroamerikaner haben nach Angaben der Kaiser Family Foundation keine Krankenversicherung. Bei den Weissen sind es 7,5 Prozent. Das führt dazu, dass viele Schwarze entweder gar nicht oder erst sehr spät zum Arzt gehen, weil sie es sich nicht leisten können.
Der fehlende Versicherungsschutz wird sich – nicht nur für die Schwarzen – verstärken, wenn nun Millionen von Amerikanern im Zuge der Krise ihre Jobs verlieren. Die Mehrheit der US-Bürger ist über ihren Arbeitgeber krankenversichert.

In schwarzen Gegenden ist auch die Grundversorgung oftmals schlecht. So gibt es zum Beispiel im Südosten der Hauptstadt Washington, in dem überwiegend Afroamerikaner leben, nur ein einziges grösseres Krankenhaus. Ausserdem haben Studien gezeigt, dass Ärzte die Beschwerden von schwarzen Patienten tendenziell weniger ernst nehmen. Sie ordnen weniger Untersuchungen an und verschreiben schlechtere Behandlungen.

Und dann ist auch noch das dunkle Kapitel des sogenannten Tuskegee-Experiments, das nach Meinung mancher Experten erklärt, warum viele Schwarze dem Gesundheitssystem bis heute kein Vertrauen entgegen bringen. In Tuskegee in Alabama führten die US-Behörden von 1932 bis 1972 eine Studie mit 400 schwarzen Landarbeitern durch, die an Syphilis erkrankt waren. Offiziell sollte es darum gehen, den natürlichen Verlauf der Krankheit zu erforschen. Dabei wurden den Männern Medikamente vorenthalten, viele litten, starben und gaben die Krankheit an Familienmitglieder weiter.

All diese Faktoren verstärken das wichtigste Problem: Schwarze stecken sich vermutlich nicht öfter mit dem Coronavirus an als andere Bevölkerungsgruppen. Aber sie leiden besonders häufig an Vorerkrankungen, die teils jahrelang unbehandelt bleiben. In der jetzigen Pandemie ist das nun für viele tödlich.

«An mir sieht man, wie es ist, in Amerika arm und schwarz aufzuwachsen.»

Jerome Adams, Surgeon General der Vereinigten Staaten

Zahlen aus Louisiana zeigen, dass 66 Prozent der Covid-19-Todesopfer an Bluthochdruck litten. 43 Prozent hatten Diabetes, 25 Prozent hatten Herz- oder Lebererkrankungen oder waren fettleibig. Jerome Adams, einer der obersten Gesundheitsbeamten der USA, sagte, auch er habe einen erhöhten Blutdruck, Asthma und eine Herzschwäche. «An mir sieht man, wie es ist, in Amerika arm und schwarz aufzuwachsen.»

Anthony Fauci, der Immunologe der US-Regierung, weiss das alles. Es sei sehr traurig, dass die Corona-Pandemie die Schwarzen nun so hart treffe, sagte er diese Woche. Das Einzige, was man in der jetzigen Situation tun könne, sei, den Betroffenen die bestmögliche Betreuung zu geben.

Im Bundesstaat Louisiana – hier die Stadt New Orleans – sind 70 Prozent der Todesopfer Schwarze.