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Draghis Regierungserklärung
«Uns eint die Liebe zu Italien»

Technokrat mit Agenda: Mario Draghi bei seiner Ankunft im Senat. 
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51 Minuten – so lange hat die Regierungserklärung von Mario Draghi gedauert, dem neuen Ministerpräsidenten Italiens. Länger als erwartet, sogar etwa doppelt so lang, wie die Experten des politischen Betriebs es vorausgesagt hatten. Kurz und konzise werde sich Draghi im Senat fassen, das sei nun mal seine Art – die Art eines Technokraten, der seine Dienste für eine kleine Weile der Republik angedeihen lässt und deshalb schnell zum Punkt kommt.

Nun, es kam anders. 51 Minuten also, unterbrochen von 25 Pausen für Applaus, am Ende gab es stehende Ovationen. Die Dauer der Rede verleitet zur Vermutung, dass Draghi auch länger im Amt zu bleiben gedenkt, vielleicht gar bis zum Ende der laufenden Legislaturperiode, bis 2023. Jedenfalls war alles drin für ein umfassendes Programm: Aussen- und Innenpolitik, klare Prioritäten, potenziell polarisierende Reformen, eine Zukunftsvision für das Land – und Emotionen. «In meinem langen Berufsleben war ich noch nie so bewegt wie in diesem Moment», sagte Draghi zu Beginn. Und zum Schluss: «Einheit ist keine Option, Einheit ist Pflicht. Uns eint die Liebe zu Italien.»

«Wie nach dem Krieg»

Dem parteilosen früheren Vorsitzenden der Europäischen Zentralbank fällt die Aufgabe zu, Italien nach dem Sturz von Premier Giuseppe Conte, dem er dankte, durch die Pandemie zu führen. Sie sei die «grösste sanitäre und wirtschaftliche Herausforderung seit der Einheit Italiens», also seit 1861.

«Wir stehen alle zusammen im Schützengraben, das Virus ist unser gemeinsamer Feind», sagte Draghi. Er versprach den Italienern, dass seine Regierung immer so früh wie möglich über anstehende Regeländerungen informieren werde, damit sie sich darauf einstellen könnten. Conte war während der zweiten Pandemiewelle vorgeworfen worden, dass er oft erst in letzter Minute und zuweilen konfus kommuniziert habe.

«Von uns, und zuerst von mir als Premier, wird erwartet, dass wir mit allen Mitteln die Pandemie bekämpfen und die Leben unserer Bürger schützen», sagte Draghi. In seinem Fall erwarten die Italiener allerdings vor allem Expertise für die Gestaltung der Zukunft. Draghi spricht von «mutigen Entscheidungen», die jetzt nötig seien, um das Land wiederaufbauen zu können «wie nach dem Krieg». Und dafür seien jene 209 Milliarden Euro vorgesehen, die Italien aus dem Recovery Fund der Europäischen Union zufliessen würden.

Das unverhandelbare Bekenntnis zu Europa

Europa habe in dieser Krise wieder gezeigt, dass es keine Souveränität gebe in der Einsamkeit. Seine Regierung sei auch überzeugt, dass die Einheitswährung, der Euro, «irreversibel» sei. Mit diesen zwei Sätzen zeigte Draghi den Souveränisten um Matteo Salvinis Lega auf, wo Italien unter seiner Leitung steht – auch mit den Rechtspopulisten in der Regierungsmehrheit. Salvini hatte kurz davor den Medien gesagt, nur der Tod sei irreversibel, was natürlich nicht von der Hand zu weisen ist. Das Zitat versetzte die breite Mehrheit Draghis aber bereits zum ersten Mal in Aufregung.

Der Premier versprach, dass das Geld aus Europa vor allem in jene Wirtschaftssektoren investiert werde, die auch in Zukunft Wachstum bringen würden: in die ökologische und in die digitale Transition also. Der Umwelt und dem Klimawandel widmete er am meisten Aufmerksamkeit und offenbarte dabei seine religiöse Seite: «Wir Menschen waren es, die das Werk des Herrn zerstört haben.»

Alles auf Zukunft: Draghi während seiner Regierungserklärung im Palazzo Madama.

Nun sei Zeit für eine Umkehr, eine neue Herangehensweise. Und die biete Aussicht auf Millionen neuer Jobs. Man werde auch die technischen Gymnasien stärken, damit diese bald das Bedürfnis des Landes an neuen Berufsprofilen deckten. Reformieren will Draghi auch die Steuern, und zwar rundum, weil da alles zusammenhänge. In dieser Passage seiner Rede fühlte sich Draghi erwartungsgemäss am sichersten. Wahrscheinlich wird das Fiskalische aber die vielen unterschiedlichen Seelen seiner Regierungsmehrheit am stärksten unter Stress setzen.

Eine Stiftung für die Jugend

Brüssel fordere auch Reformen bei der chronisch ineffizienten öffentlichen Verwaltung, sagte Draghi. Er nannte Italiens Bürokratie «fragil». Sie müsse dringend modernisiert werden, damit Italien wettbewerbsfähiger werde. Das Gleiche gilt für die Justiz, die Rechtssicherheit, das Tempo der Prozesse.

Draghi schloss mit einer selbstkritischen Note. Er habe sich oft gefragt, ob seine Generation genügend getan habe für die Jungen. Viele zögen ins Ausland, weil sie in der Heimat keine Perspektiven hätten. Italien, sagte Draghi, müsse ein Land werden, das seine Jugend endlich wieder träumen lasse.