Unruhen in NeukaledonienUnverheilte Wunden in Übersee
Im französischen Überseegebiet Neukaledonien herrschen bürgerkriegsähnliche Zustände. Die Ursachen gehen bis auf die Kolonialzeit zurück.
Neukaledonien versinkt in Chaos und Gewalt. In Paris macht man sich Sorgen, dass die Proteste in diesem immer schon sehr eruptiven französischen Überseegebiet im Südpazifik in einen Bürgerkrieg ausarten könnten. Ausnahmezustand, Armeeeinsatz, Verbot von Tiktok – es wird gerade alles versucht, um der Lage Herr zu werden. Ohne Gewähr.
Denn die Sorge ist berechtigt. In den 1980er-Jahren war man schon einmal nahe am Bürgerkrieg gewesen. Aufstände der Kanaken, der Ureinwohner, rauschten über die Inselgruppe. Zwei grosse Abkommen waren nötig, 1988 und 1998, um die Gemüter einigermassen zu beruhigen. Nun steht wieder alles auf dem Spiel, und die Zentralregierung trägt eine Mitschuld daran.
Vordergründig kreisen die Proteste um die Neudefinition der Wählerschaft bei lokalen Wahlen in Neukaledonien. Paris will sie ausweiten auf Bewohner, die seit mindestens zehn Jahren ununterbrochen dort leben – dafür soll die Verfassung geändert werden. Die Kanaken dagegen fordern, dass weiterhin nur die wählen dürfen, die schon 1998 registriert waren. Das ist natürlich eigentümlich, jedenfalls für das gängige demokratische Verständnis.
Macron will den Dialog nachholen – er muss
Doch gibt es da alte Wunden aus der Kolonialzeit, die nie ganz verheilt sind. Die Ureinwohner sehen sich bis heute benachteiligt. Viele von ihnen, gerade die protestierenden und plündernden Jungen, streben einen eigenen Staat an. Sie sind in der Minderheit, das zeigten mehrere Referenden. Die Wahlreform, sagen sie, komme aber einer Neukolonialisierung gleich, weil damit viele Zugezogene ein Wahlrecht erhielten, die eher für den Status quo seien, also für den Verbleib bei Frankreich.
Präsident Emmanuel Macron setzte die Frage dennoch prominent auf seine Agenda, er forcierte die parlamentarische Prozedur und weckte damit alte Geister. Mehr Geduld und mehr Gespräche wären klug gewesen, gerade in einer historisch so beladenen Geschichte wie dieser. Nun will Macron den Dialog nachholen – er muss. Wenn das nur nicht zu spät ist.
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