Pressefreiheit in der SchweizUNO stellt Bundesrat zur Rede
Laut der UNO-Berichterstatterin für Meinungsfreiheit verletzt die Schweiz die Menschenrechtskonvention. Grund ist das Bankengesetz, das es Journalisten verbietet, mit geheimen Bankdaten zu arbeiten.
Die Schweiz hat ein Problem mit der Pressefreiheit. Das hat das Datenleck «Suisse secrets» im Februar gezeigt. Weltweit berichteten Journalisten über die heiklen und teils kriminellen Kunden der Credit Suisse. Dabei stützten sie sich auf geheime Kundendaten der Grossbank, die von einem Whistleblower weitergegeben wurden.
Doch in der Schweiz konnte der Recherchedesk von Tamedia nicht an den Enthüllungen mitarbeiten. Grund ist Artikel 47 im Bankengesetz, der die Weitergabe von Bankdaten unter schwere Strafe stellt, bis hin zu drei Jahren Gefängnis.
Diese Schweizer Eigenheit hat nun die Vereinten Nationen auf den Plan gerufen. Die UNO-Berichterstatterin für Presse- und Meinungsfreiheit Irene Khan hat sich in einem sechsseitigen Schreiben an Aussenminister und Bundespräsident Ignazio Cassis gewandt. Darin drückt sie ihre tiefe Besorgnis über den Schweizer Umgang mit der Pressefreiheit aus, wenn es um Bankdaten geht.
«Das ist normalerweise ein Problem in autoritären Staaten.»
Sie «befürchte», dass der Artikel 47 im Bankengesetz sowohl gegen die europäische Menschenrechtskonvention als auch gegen den UN-Zivilpakt verstosse. Mit diesem Gesetzesartikel verletze die Schweiz nicht nur die Pressefreiheit, sondern unterlaufe auch gleich noch den Schutz von Whistleblowern.
Auf der letzten der sechs Seiten stellt die UNO-Berichterstatterin den Bundesrat zur Rede. Sie bittet die Schweizer Regierung um ihre Sicht der Dinge und um «alle Informationen zur Übereinstimmung von Artikel 47 Bankengesetz mit den internationalen Verpflichtungen der Schweiz in Sachen Menschenrechte».
Am 24. Juni wird Khan dem UN-Menschenrechtsrat einen Bericht zur globalen Situation der Pressefreiheit vorlegen. «Dort werde ich die Situation rund um das Bankgeheimnis in der Schweiz kritisch thematisieren», sagt sie im Interview mit dieser Zeitung. «Das Schweizer Bankengesetz ist ein Beispiel für die Kriminalisierung von Journalismus. Das ist normalerweise ein Problem in autoritären Staaten.»
Knappe Antwort des Bundes
Am Freitag antwortete der Bund in einem knappen Schreiben. Er geht nicht auf die Vorwürfe ein, versichert aber, die «Freiheit der Medien» sei wichtig für den Rechtsstaat und die Demokratie. Nach der Verschärfung des Gesetzes von 2015 gab es bislang noch kein Urteil gegen Journalistinnen. Der Bund versichert aber der UN-Berichterstatterin, das Parlament werde sich nun nochmals mit dem Gesetz befassen.
Das Thema hat es tatsächlich schnell auf die politische Agenda geschafft. Die SP und die Grünen haben zwei parlamentarische Initiativen eingereicht. Sie verlangen, die fragliche Passage aus dem Bankengesetz zu streichen oder zumindest so anzupassen, dass Journalistinnen und Journalisten davon ausgenommen sind.
Die Schweiz stehe «völlig abseits mit ihrer Praxis, die der Pressefreiheit widerspricht», schreibt der grüne Raphaël Mahaim in seinem Vorstoss. Das Bankengesetz müsse geändert werden, «bevor die Schweiz gerichtlich wegen Verletzung der Pressefreiheit verurteilt wird».
Kommission führt Anhörung durch
In ihrer Sitzung von Donnerstag und Freitag dieser Woche führt nun die Wirtschaftskommission des Nationalrats Anhörungen in der Sache durch. Das bestätigt Kommissionspräsident Leo Müller (Mitte) auf Anfrage. Möglicherweise wird die Kommission danach einen eigenen Vorstoss lancieren, der breiter abgestützt wäre als die parlamentarischen Initiativen.
Fehler gefunden?Jetzt melden.