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Globale Drehscheibe
UNO rüffelt die Schweiz wegen laxer Aufsicht im Goldgeschäft

Gefragtes Edelmetall: Geplante Sprengungen an einer Goldmine in Peru.
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Der Ton ist freundlich. «Excellence», heisst es im Brief des UNO-Hochkommissariats für Menschenrechte an die Schweizer Regierung. Das Gremium habe die Ehre, sich an die Schweiz zu wenden. Doch das Schreiben hat es in sich, denn die UNO-Stelle sorgt dafür, dass Regierungen den Menschenrechtsschutz in ihrem Land verbessern und in Einklang mit internationalen Standards bringen. Die Organisation hat die Rolle der Schweiz im internationalen Goldhandel unter die Lupe genommen und massive Schwächen festgestellt.

In einem 13-seitigen Schreiben listet das Gremium die Verfehlungen auf. Dort heisst es: «Laut den erhaltenen Informationen reicht die aktuelle Schweizer Gesetzgebung nicht aus, um zu verhindern, dass durch Menschenrechtsverletzungen kontaminiertes Gold in die Schweiz gelangt.»

Die Schweiz spielt im Geschäft mit Gold eine besondere Rolle: Sie ist die globale Drehscheibe in der Verarbeitung des Edelmetalls.

Die Mängel könnten dazu führen, dass in der Schweiz ansässige und tätige Unternehmen über ihre Lieferketten mit Menschenrechtsverletzungen in Verbindung gerieten. Als mögliche Risiken zählt der Brief Umweltschäden, Quecksilbervergiftungen, die sexuelle Ausbeutung von Frauen und Kindern, Kinderarbeit oder Menschenhandel auf.

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Das Problem ist laut dem UNO-Hochkommissariat, dass die Kontrollen in der Schweiz ungenügend sind. «Die Schweiz verfügt nicht über ein angemessenes System der Rückverfolgbarkeit und Transparenz, das die Raffinerien dazu verpflichten würde, zu erfahren, wo und wie das Gold abgebaut wurde.» Diese Lücke könnte von kriminellen Syndikaten und Drogenkartellen ausgenutzt werden, um ihr Gold in den Weltmarkt einzuschleusen.

Dabei wäre das besonders wichtig, denn die Schweiz spielt im Geschäft mit Gold eine besondere Rolle: Sie ist die globale Drehscheibe in der Verarbeitung des Edelmetalls. Hierzulande würden bis zu 70 Prozent des verarbeiteten Goldes raffiniert, heisst es im Bericht. Jährlich werden dafür 2000 bis 3000 Tonnen Rohgold in die Schweiz gebracht. Vier der sieben wichtigsten Raffinerien der Welt befinden sich in der Schweiz. Das Problem für die Berichterstatter der UNO: Das Edelmetall kommt aus verschiedenen Ländern in die Schweiz und wird von hier mit dem Schweizer Gütesiegel wieder in alle Welt exportiert.

Schweiz kontert die Vorwürfe

In einem Antwortschreiben weist der Bund die Vorwürfe des UNO-Gremiums zurück. Alle Raffinerien unterlägen strengen Kontrollen. Die Schweiz importiere kaum Minengold, sondern fast ausschliesslich bereits verarbeitetes Gold. Daher liege der Anteil des tatsächlich in der Schweiz eingeschmolzenen Goldes eher bei 15 Prozent. Zudem gebe es derzeit Bestrebungen, die bestehenden Gesetze zu verschärfen. Wie der Brief des UNO-Gremiums ist auch das Antwortschreiben der Schweiz auf dem Internetportal des UNO-Hochkommissariats für Menschenrechte publiziert.

Wer sich bei den Goldverarbeitern umhört, spürt Verwunderung über den UNO-Brief. Es sei unklar, woher die UNO-Kommission ihre Informationen habe, bei den Angaben fehlen die Quellen. Die Raffinerien seien nicht angehört worden, sagt ein Kenner der Branche. Weder bei der Erstellung des UNO-Berichts noch bei der Antwort der Schweiz. Daher seien auch einige Angaben im Bericht verzerrt dargestellt, etwa der Anteil des in der Schweiz verarbeiteten Goldes.

Deutsche Behörde sorgt sich um die Schweiz

Bekannt ist aber, dass ein Teil des Goldes, das in der Schweiz verarbeitet wird, aus Dubai kommt. Die dortigen Kontrollen gelten als lax, der Handelsplatz gilt als anfällig dafür, Konfliktgold in den Markt einzuschleusen. Dass viel Gold aus den Emiraten in die Schweiz kommt und von hier weiter verkauft wird, fällt auch einer deutschen Behörde auf. Die erst seit kurzem tätige «Deutsche Kontrollstelle EU-Sorgfaltspflichten in Rohstofflieferketten» hat in ihrem ersten Jahresbericht die Schweiz deshalb als Risiko für die deutsche Industrie ausgemacht.

Denn der grösste Teil des Goldes, das nach Deutschland geht, kommt aus der Schweiz. «Der deutliche Abstand zu den anderen Ursprungs- bzw. Versendungsländern ist nicht nur auffallend, sondern könnte auch problematisch sein, da signifikante Gold-Importe in die Schweiz aus Dubai stammen.» Die Herkunft dieses Goldes sei aber oftmals nicht klar. Damit würden Herausforderungen hinsichtlich der Nachverfolgbarkeit sowie Risiken wie «Konfliktgold» und Goldschmuggel einhergehen.

«Der UNO-Bericht bestätigt klar, dass die Schweizer Gesetzgebung im Goldsektor seit Jahren erhebliche Mängel aufweist.»

Marc Ummel, Rohstoff­experte der Nicht­regierungs­organisation Swissaid

In seiner Antwort an die UNO zeigt der Bund auch auf, wie er sich für die Einhaltung der Menschenrechte und die nachhaltige Produktion im Goldsektor einsetzt. Als Beispiel für das Engagement wird im Brief die Swiss Better Gold Initiative angeführt. Mit ihr wird die Entwicklung verantwortungsvoller Lieferketten in Bolivien, Kolumbien und Peru unterstützt. «Die Swiss Better Gold Initiative ist eine Vorzeigeinitiative der Schweiz, die auf nationaler und internationaler Ebene viel Aufmerksamkeit auf sich zieht», heisst es dazu im kürzlich publizierten Rohstoffbericht des Bundesrats. Das wird auch von kritischen Nicht­regierungs­organisationen attestiert.

Doch gibt es dabei zwei Probleme. Das erste: Die Initiative ist noch sehr klein, in den zehn Jahren ihres Bestehens wurden rund 14 Tonnen Gold über sie abgewickelt. Zum Vergleich: Im gleichen Zeitraum wurden rund 20’000 Tonnen Gold importiert. Das zweite Problem: Die Initiative schützt nicht vor tragischen Unfällen. Vor kurzem berichtete die NZZ über einen Minenunfall in einer peruanischen Goldmine, die ein Teil der Swiss Better Gold Initiative ist. Dort kam es Anfang Mai zu einer Katastrophe, bei der 27 Menschen ihr Leben verloren haben.

Bei der Nicht­regierungs­organisation Swissaid sieht man sich durch den UNO-Brief bestätigt. Es zeige sich, dass es in der Schweiz bezüglich der Regulierung des Goldhandels einen grossen Handlungsbedarf gebe. «Der UNO-Bericht bestätigt klar, dass die Schweizer Gesetzgebung im Goldsektor seit Jahren erhebliche Mängel aufweist», sagt Marc Ummel, Rohstoffexperte von Swissaid. «Es ist an der Zeit, dass die Schweiz ihre Verantwortung wahrnimmt und eine Gesetzgebung verabschiedet, die den Risiken dieses Sektors angemessen ist.»