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Meinung

Uni-Proteste in den USA
Schmelztiegel der Kulturen? Die Nahost-Debatte zeigt, wo Amerika auseinanderbricht

TOPSHOT - Protestors block the street near the home of US Senate Majority Leader Chuck Schumer in the Brooklyn borough of New York during a demonstration by pro-Palestinian Jewish groups on the second night of Passover calling on Schumer to stop arming Israel amid its retaliatory assault on the Gaza Strip on April 23, 2024. (Photo by Kena Betancur / AFP)
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Amerikas Universitäten kommen nicht zur Ruhe. Studenten solidarisieren sich mit der palästinensischen Sache, jüdische Kommilitonen fühlen sich bedroht. Universitätsleitungen massregeln Lehrende und Studierende, die aus Sicht der akademischen Bürokratie einseitig im Konflikt um Gaza für die palästinensische Seite Partei ergreifen und damit die akademische Lehr- und Lernfreiheit bedrohen. Die Protestierenden wiederum werfen den universitären Autoritäten vor, genau das zu tun: die akademische Meinungsfreiheit unterdrücken zu wollen.

Sogar Bereitschaftspolizei wird gerufen, um ein propalästinensisches Protestlager zu räumen – wie zuletzt an der Columbia University in New York, einer der amerikanischen akademischen Urinstitutionen. So viele Festnahmen auf dem Columbia-Campus gab es zuletzt 1968 – das Echo der damaligen Studentenproteste und Kulturkämpfe ist unüberhörbar.

Und so unterscheidet sich dieser Konflikt tatsächlich von anderen Studentenprotesten, die sich in unregelmässigen Abständen auf dem Campus amerikanischer Universitäten aufschaukeln. Er offenbart Konfliktlinien, die immer tiefer die amerikanische Gesellschaft durchtrennen. Mindestens drei solcher Linien lassen sich ausmachen.

Islamophobie vs. Antisemitismus

Die Spaltung, die der israelisch-palästinensische Konflikt entlang ethnisch-kultureller Grenzen hervorruft, hat enorme Sprengkraft für eine Gesellschaft, die noch immer der kollektiven Lebenslüge nachhängt, ein Schmelztiegel der Kulturen zu sein, in der die ethnische Herkunft keine Rolle spiele. Viele Amerikaner arabischer und/oder muslimischer Herkunft sehen die Vehemenz, mit der die Palästina-Proteste an den Unis zum Teil unterdrückt werden, als Ausweis der unzweifelhaft verbreiteten Islamophobie der US-Gesellschaft. 9/11 wirkt nach.

Auf der anderen Seite verunsichert viele jüdische Amerikaner der unübersehbare Antisemitismus, der die Proteste bisweilen befeuert. Auch in der US-Gesellschaft haben antijüdische Ressentiments eine lange und hässliche Tradition. Nun aber kommt der Antisemitismus von links und nicht aus dem konservativen Milieu.

TOPSHOT - A man walks past Israeli and US flags alongside portraits of Israelis taken hostage by the militant Palestinian group Hamas in front of the pro-Palestinian encampment at Columbia University in New York on April 23, 2024. US President Joe Biden condemned any anti-Semitism on college campuses April April 21, 2024 as pro-Palestinian protesters at Columbia University spent their fifth day demanding the school sever financial ties with key US ally Israel. (Photo by Charly TRIBALLEAU / AFP)

Meinungsfreiheit vs. Hassrede

Zum Zweiten ist da die grundsätzliche Frage nach den Grenzen des Sagbaren in den USA (die Donald Trumps Tiraden ohnehin in ungeahnte Regionen ausgedehnt haben). Was fällt noch unter Meinungsfreiheit, was ist bereits «Hate Speech», also was sind politisch, rassistisch oder religiös motivierte Hetzreden?

Sind offene Aufrufe zur Unterstützung der palästinensischen Terrororganisation Hamas inklusive Drohungen gegen jüdische Amerikaner wirklich von dem durch die US-Verfassung geheiligten Recht auf Meinungsfreiheit garantiert? Die Militanz des Konflikts an und um Amerikas Unis veranschaulicht, wie kompromiss- und erbarmungslos in Amerika politische Konflikte inzwischen ausgetragen werden.

Biden und die Jungen

Und dann gibt es, drittens, eine Dimension, die mitten hinein in den Präsidentschaftswahlkampf ragt. Denn das Aufbegehren der Studenten ist auch Protest gegen die Politik von US-Präsident Joe Biden, dem sie einseitige Unterstützung Israels und mangelndes humanitäres Engagement für die Palästinenser vorwerfen.

Auch hier ist das Echo von 1968 unüberhörbar, als linke Studenten gegen das politische Establishment aufbegehrten und sich von den Demokraten abwandten. Joe Biden aber braucht dringend die Stimmen der Jungen in der grossen Wählerkoalition der Demokraten, will er Präsident Amerikas bleiben.