Putsch im SudanUngeliebte Retter in Uniform
Das Militär löste die Regierung auf und inhaftierte den Ministerpräsidenten. Zehntausende protestierten in Khartum gegen die neuen Machthaber.
Schon am frühen Montagmorgen hatte es einen verdächtigen Blackout in Khartum gegeben. Das Internet war weg, der Mobilfunk gestört, selbst in den Festnetzen ging nur noch wenig. Der Flughafen der sudanesischen Hauptstadt blieb geschlossen. Aus Kreisen der Familie des Premierministers wurde schliesslich bekannt, dass Soldaten Abdullah Hamduk in ihre Gewalt gebracht hatten. Wo sie ihn festhalten, war zunächst nicht bekannt.
Im allgemeinen Chaos gab es nur ein kurzes Statement des Informationsministeriums, das angeblich noch zum Regierungschef stand. Hamduk sei gekidnappt worden, hiess es auf Facebook. Und er rufe zu gewaltfreien Protesten auf. Die Menschen sollten «die Revolution verteidigen». Auch andere Mitglieder des Übergangskabinetts, das seit 2019 den Krisenstaat am Nil regiert, wurden offenbar festgenommen.
Zehntausende auf den Strassen von Khartum
Der Putsch in Khartum nahm zunächst einen unübersichtlichen Verlauf. Denn wer nun Truppen bewegte und Politiker festnahm, war noch nicht ersichtlich. Trotz gestörter Netze waren bald Videos zu sehen von aufgebrachten Sudanesen: Die einen schwenkten Fahnen, andere schlugen mit Knüppeln auf leere Wassercontainer ein. Hinter ihnen stiegen schwarze Rauchsäulen von brennenden Autoreifen auf. Gemäss unbestätigten Berichten kam es zu Schusswechseln, mehrere Demonstranten sollen verletzt worden sein.
Die Ereignisse trieben Zehntausende auf die Strassen. Beobachter in Khartum werteten sie als Massenprotest gegen den Putsch, obgleich es im Land auch Gruppen gibt, die das Militär an der Macht favorisieren.
Der Fernsehsender al-Jazeera schwenkte am Vormittag immer wieder zur Übertragung im sudanesischen Staatsfernsehen, in der Erwartung, dass dort bald ein Mann in Uniform erscheinen würde, um zu erklären, was vor sich geht. Stattdessen liefen dort aber lange nur idyllisch anmutende Bilder von Palmen und Gebäuden am Nil, untermalt von patriotischen Liedern. Das Chaos auf den Strassen wurde komplett ausgeblendet.
Gegen Mittag dann wechselte das Bild: Ein schnurrbärtiger Mann in Camouflage und mit Barett auf dem Kopf trat auf und verlas eine Erklärung. General Abdel Fattah al-Burhan, Chef der sudanesischen Streitkräfte, rief den nationalen Notstand aus und erklärte, dass das Militär die Sicherheit der Nation beschützen müsse.
Das Kabinett der Übergangsregierung erklärte er für aufgelöst, keine Gruppe im Sudan solle jemals wieder den Willen des Volkes ignorieren. «Wir müssen unsere Menschen beschützen», sagte er. Wer denn genau die Sicherheit bedrohe, liess er offen. Deutlich wurde nur, dass viele zivile Kräfte nun erst einmal entmachtet sind.
Augenzeugen berichteten von Truppen und gepanzerten Fahrzeugen, die Knotenpunkte in der Hauptstadt Khartum und wichtige Brücken besetzt hielten. Wochenlang schon hatten im Sudan die Spannungen zugenommen. Und als vor einigen Tagen Demonstranten vor dem Präsidentenpalast aufmarschierten und lauthals die Übernahme des Militärs forderten, sah dies nicht nach einer spontanen Kundgebung aus. Vielmehr wirkte es wie der sorgfältig vorbereitete Auftakt zur erneuten Machtübernahme durch das Militär.
Schon im September hatte es den Versuch eines Staatsstreiches gegeben. Damals steckten angeblich Kräfte aus dem Umfeld des früheren Diktators Omar al-Bashir dahinter. General Burhan betonte nun, dass er am Ziel von Wahlen festhalte. Er wolle dafür sorgen, dass das Volk seine Ziele erreiche. Die Machtübernahme begründete er damit, dass sich zwischen den Fraktionen des Übergangssystems ein Kampf entwickelt habe, der den Frieden und die Sicherheit des Landes gefährde.
Die hybride Regierung sollte den Weg für eine weitere Demokratisierung ebnen – mit Wahlen im Jahr 2023.
Drei Jahrzehnte lang war der Sudan von einer Clique um Diktator Bashir beherrscht worden. Sie hat viele Konflikte angefacht, ihr werden Kriegsverbrechen und schwere Menschenrechtsverletzungen zur Last gelegt. Nachdem Proteste 2018 und 2019 die Entmachtung Bashirs angestossen hatten, teilten sich Fraktionen des Militärs die Macht mit zivilen Politikern. Doch beide Seiten beanspruchen, die Hüter jener Revolution zu sein, die das verbrecherische Regime zu Fall brachte. Misstrauen und Rivalitäten erschwerten die Zusammenarbeit.
Die hybride Regierung sollte den Weg für eine weitere Demokratisierung ebnen – mit Wahlen im Jahr 2023. Gleichzeitig arbeitet sie daran, Khartum aus der internationalen Isolation zu befreien und Wirtschaftshilfe zu mobilisieren, um die ökonomische Misere in den Griff zu bekommen. Millionen Sudanesen sind ohne Job und leben in elenden Verhältnissen, steigende Preise für Lebensmittel verschlimmern ihre Not.
Länder des Westens reagierten besorgt auf die jüngsten Entwicklungen in Khartum. Der US-Sondergesandte für das Horn von Afrika, Jeffrey Feltman, erklärte, Washington sei «stark alarmiert». Die USA drohten, Hilfen zu stoppen, falls es gewaltsame Veränderungen des politischen Arrangements gebe.
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