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Massendemos im Sudan
Jetzt droht ein Militärputsch

Chaos auf den Strassen Khartums: Ein Mann demonstriert für die Zivilregierung. 
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Es kommt nicht allzu oft vor, dass sich Demonstranten versammeln und mit Transparenten und Sprechchören durch die Strassen marschieren und das Militär auffordern, doch die Herrschaft zu ergreifen in ihrem Land. In Khartum, der Hauptstadt des Sudan, haben die Protestierenden sogar ein kleines Camp vor dem Präsidentenpalast aufgebaut, um zu zeigen, wie ernst sie es meinen mit ihrer Forderung nach einem Putsch des Militärs. In Sprechchören rufen sie seit einigen Tagen: «Ein Volk. Eine Armee.»

Im Präsidentenpalast, nicht weit vom Nil, residierte fast drei Jahrzehnte lang Omar al-Bashir, der einst selbst durch einen Putsch an die Macht gekommen war und das Land wie sein persönliches Eigentum regierte. Ende 2018 begannen Hunderttausende gegen seine Schreckensherrschaft zu demonstrieren, darunter viele junge Frauen. Der Prostest war so gross und entschlossen, dass selbst die Militärs keine Lust mehr hatten, an al-Bashir festzuhalten, er wurde im April 2019 gestürzt und ins Gefängnis gesteckt.

Regierung von Technokraten

Seitdem wird der Sudan von einer komplizierten und instabilen Übergangsregierung geführt. Es gibt einen zivilen Ministerpräsidenten, der eine Regierung von Technokraten leitet, aber vom «Souveränitätsrat» überwacht wird, an dessen Spitze der Armeegeneral Abdel Fattah al-Burhan steht. Die zivile Seite aus Vertretern der Revolution möchte die Macht des Militärs beschränken und den demokratischen Übergang beschleunigen, die Armee eher das Gegenteil, sie müsste im kommenden Jahr eigentlich die Führung an zivile Vertreter übergeben.

Trotz der fragilen Konstruktion und der widerstreitenden Interessen hat die Übergangsregierung einige Erfolge vorzuweisen: Mit den internationalen Gläubigern wurde eine Entschuldung vereinbart, die USA nahmen den Sudan von ihrer Terrorliste, was Investitionen und Exporte erleichterte. Mit verschiedenen Rebellengruppen wurde Frieden geschlossen, politische Gefangene wurden entlassen, es gibt heute mehr Meinungsfreiheit als unter al-Bashir. Vor allem aber nahm der Sudan nicht, wie von vielen befürchtet, den Weg Libyens, das von einer Diktatur ins Chaos schlitterte.

«Das Land ist zerstört»

Für einen Teil der Bevölkerung sind diese Errungenschaften aber nicht viel wert. Die Inflation ist hoch, die Preise für Brot und Getreide steigen, um den Haushalt in den Griff zu bekommen, hat die Regierung Subventionen für Benzin gestrichen. «Das Land ist zerstört», sagte Aljailani Hamid, einer der Demonstranten, dem Nachrichtensender al-Jazeera. «Die Leute sind hungrig, Studenten können nicht lernen. Das Militär soll die Regierung auflösen und übernehmen.»

Manche Beobachter befürchten, dass die Militärs im Sudan ähnlich wie in Ägypten die allgemeine Unzufriedenheit über die politische Situation nutzen werden, um wieder die Macht zu übernehmen. Andererseits würde das sehr wahrscheinlich zu erneuten Sanktionen führen und zum Ende der internationalen Finanzhilfen.

Hunderttausende auf den Strassen

Vor allem aber zeigt die zivile Bürgergesellschaft im Land, dass sie eine Machtübernahme des Militärs nicht hinnehmen wird. Hunderttausende demonstrierten am Donnerstag in Khartum für mehr Demokratie. Der zivile Ministerpräsident Abdalla Hamdok sprach vergangene Woche von der schwierigsten Zeit seit der Revolution, das Land sei dabei, seine Zukunft zu verspielen. Vor einem Monat hatten bereits einige Offiziere versucht, einen Staatsstreich anzuzetteln, der aber im Keim erstickt wurde. Seitdem beschuldigten sich alle Seiten gegenseitig, das Land zu ruinieren, sagt Ministerpräsident Hamdok.

Es ist dabei gar nicht so leicht zu beurteilen, wer überhaupt auf welcher Seite steht, da auch das zivile und das militärische Lager in sich gespalten sind. Auf der Seite der Demokraten gibt es die Allianz für Freiheit und Wandel (FFC), die vor allem durch die Gegnerschaft zum Ex-Diktator al-Bashir geeint war und jetzt in viele Gruppen zerfällt. Die Seite des Militärs zerfällt wiederum in die offizielle Arme des Generals al-Burhan und die Miliz der Schnellen Eingreiftruppe (RSF) von Mohamed Hamdan «Hemeti» Dagolo, dem stellvertretenden Chef des Souveränitätsrats.