Regime in Ägypten unter Druck Plötzlich hat der starke Mann nichts als Ärger
Corona setzt dem Tourismusland zu. Doch auch aussenpolitisch läuft es nicht gut für Präsident Abdel Fattah al-Sisi, der nun dem Nachbarland Libyen mit einem Einmarsch droht.
Am 1. Juli will Ägypten seine Flughäfen wieder öffnen. Dann sollte der Tourismus wieder anlaufen und das bevölkerungsreichste arabische Land aus der Krise kommen, das durch die Corona-Pandemie wirtschaftlich stark angeschlagen ist. Der Tourismus ist mit einem Anteil von knapp zehn Prozent an der Wirtschaftsleistung die wichtigste Einnahme- und Devisenquelle, noch vor den ebenfalls rückgängigen Gebühren aus dem Suezkanal und Überweisungen von Ägyptern, die in den Golfstaaten arbeiten.
Doch steigen nicht nur die Infektionszahlen auf immer neue Rekordwerte, auch aussenpolitisch ist das vom Militär dominierte Regime von Präsident Abdel Fattah al-Sisi unter Druck geraten. Und dies in einem Ausmass wie wohl noch nie, seit der frühere Chef des Militärgeheimdienstes im Jahr 2013 die Macht ergriffen hat.
Streit um Wasser
Am Dienstag hält die Arabische Liga auf Antrag Ägyptens eine Dringlichkeitssitzung zu Libyen ab. Sisi hatte am Samstag mit einem Einmarsch in das Nachbarland gedroht. Zugleich rief Kairo den UNO-Sicherheitsrat an, der nun verhindern soll, dass Äthiopien am Grand-Ethiopian-Renaissance-Damm (GERD) den Nil aufstaut und Ägypten vom Wasser abschneidet. Kairo setzt darauf, mithilfe seiner Verbündeten doch noch zu obsiegen. Aussenminister Sameh Shoukry betont, man wolle diplomatische Lösungen. Doch die beide Themen gelten in Kairo als Rechtfertigung für einen Krieg.
Zum Thema Libyen kamen bereits Solidaritätsadressen aus Saudiarabien, Jordanien und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Diese Staaten haben zusammen mit Ägypten über Jahre den abtrünnigen General Khalifa Haftar militärisch und finanziell unterstützt. Auch russische Söldner des mit dem Kreml verbundenen Militärdienstleisters Gruppe Wagner sollen mit Geld vom Golf bezahlt worden sein.
Russland hatte jüngst nach US-Angaben vierzehn Kampfjets nach Libyen verlegt, konnte Haftars schwerste militärische Niederlage seit 2014 aber nicht verhindern. Die Türkei hat mit ihrer Intervention aufseiten der international anerkannten Einheitsregierung von Premier Fayez al-Sarraj den Kriegsverlauf vorerst zu deren Gunsten gewendet.
Loyal zu Tripolis stehende Milizen rücken derzeit auf die Küstenstadt Sirte vor. Deren Eroberung hat Sisi als rote Linie bezeichnet, die eine Intervention Ägyptens nach sich zöge. Das Militär hat in den vergangenen Wochen bereits Panzer an der Grenze zusammengezogen. Libyen liegt im Einsatzradius der ägyptischen Luftwaffe, auch kann die Marine zwei von Frankreich gekaufte Helikopterträger dorthin entsenden. Die Türkei hat ihrerseits jüngst in einem Manöver die Verlegung von Kampfjets nach Libyen geübt.
Libyen liegt im Einsatzradius der ägyptischen Luftwaffe.
Ägypten versucht, mit seinem Angebot für eine Waffenruhe und einer Wiederbelebung des UNO-Friedensprozesses diplomatisch die Initiative zurückzugewinnen. Die Emirate signalisieren inzwischen, dass sie bereit wären, Haftar fallen zu lassen und durch Aguila Saleh zu ersetzen, den Präsidenten des in Tobruk ansässigen Repräsentantenhauses.
Doch was Ägypten kaum akzeptieren wird, sind Ableger der von Kairo als Terrorgruppe eingestuften Muslimbruderschaft an seiner westlichen Grenze. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan gilt Kairo neben dem verfeindeten Emirat Katar als wichtigster Unterstützer der islamistischen Gruppe, der in Libyen kampfstarke Milizen aus der mächtigen Hafenstadt Misrata zugerechnet werden.
Als existenzielle Bedrohung betrachtet das ohnehin schon unter ernster Wasserknappheit leidende Ägypten den GERD-Damm in Äthiopien. Trilaterale Verhandlungen, an denen auch der Sudan beteiligt ist, haben bislang nicht zu einem Abkommen geführt. Ägypten gibt die Schuld dafür Äthiopien, das nicht bereit sei, in ein bindendes Abkommen einzutreten, einen Mechanismus zur Streitschlichtung und Sonderregeln zur Vermeidung von Dürren zu akzeptieren.
Addis Abeba dagegen wirft Kairo vor, an seiner 1959 durch einen Vertrag mit dem Sudan zugewiesenen Wasserquote von 55,5 Milliarden Kubikmeter pro Jahr festzuhalten und andere Anrainer von der Nutzung des Nils de facto ausschliessen zu wollen.
Die USA haben vermittelt – ohne Erfolg
Die USA, ein Verbündeter Ägyptens, haben auf Drängen Kairos in dem Streit vermittelt – ohne greifbares Ergebnis. Vergeblich drängte Kairo bisher Saudiarabien und die Emirate, Investitionen in Äthiopien auf Eis zu legen. Aussenminister Shoukry forderte, der UNO-Sicherheitsrat müsse nun seiner Verantwortung nachkommen und sich gegen die «Bedrohung von Sicherheit und Frieden» wenden, die Ägypten in einem Aufstauen ohne vorherige Vereinbarung sieht.
Shoukry sagte, Ägypten habe seit Beginn der Verhandlungen nie mit einem Militäreinsatz gedroht. Wenn es aber dem Sicherheitsrat nicht gelinge, Äthiopien zu stoppen, «werden wir uns in einer Situation wiederfinden, in der wir damit umgehen müssen».
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