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Krieg der Symbole 
Und plötzlich sitzen die Amerikaner am Donezk-Platz

Klare Botschaft an die Amerikaner in Moskau: «Platz der Volksrepublik Donezk» steht auf dem Banner vor der US-Vertretung, verziert mit dem Symbol Z – dem Zeichen für die Unterstützung des Kriegs in der Ukraine. 
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Der Moskauer Bürgermeister Sergei Sobjanin höchstpersönlich hat die neue Adresse verkündet: «Platz der Donezker Volksrepublik, Haus 1, Eingang 1–9.» Hier wohnt per sofort die amerikanische Botschaft, auch wenn diese auf ihrer Website noch etwas anderes behauptet. Den russischen Diplomaten in Europa ergeht es derweil nicht besser als den amerikanischen Kollegen in Moskau. In Prag, Vilnius und Toronto sitzen sie an der «Strasse der ukrainischen Helden». 

In Polen ist eine ganze Reihe von Plätzen rund um russische Vertretungen umbenannt worden. Es gibt dort einen «Platz der ukrainischen Freiheit» oder einen «Platz des heroischen Mariupol», benannt nach der heute von Russland besetzten Stadt, welche unter wochenlangem russischem Beschuss und schweren Kämpfen zu einem grossen Teil zerstört wurde. Washington hat sich dem Umbenennungs-Reigen nicht angeschlossen: Dort wurde der Platz vor der russischen Botschaft schon vor fünf Jahren in Boris-Nemzow-Plaza umbenannt, nach dem Oppositionspolitiker, der in unmittelbarer Nähe des Kreml auf offener Strasse erschossen wurde. 

Zwischen Putin und Puschkin scheint es in den Augen der ukrainischen Führung keinen Unterschied mehr zu geben.

Die Ukraine hatte ihre Verbündeten zu dieser Umbenennungs-Kampagne aufgerufen. Mit den Änderungen solle «Russland isoliert und die Welt entputinisiert» werden, sagte der ukrainische Aussenminister. In Kiew liegt das russische Konsulat an der «Strasse der Freiwilligenbataillone» – Moskau diffamiert diese Soldaten pauschal als «Nazis». Doch der Kulturkampf ist in der Ukraine auch an anderen Fronten in vollem Gange: Eine Majakowski-Strasse, benannt nach dem futuristischen Sowjetdichter Wladimir Majakowski, ist in die Boris-Johnson-Strasse umbenannt worden – als Dank an den britischen Premier für die verbale und militärische Unterstützung.

Die sowjetische Vergangenheit hat die Ukraine schon seit 2015 aus Sprache und Strassenbild getilgt, als alle Symbole und Namen aus der Sowjetzeit verboten wurden. Lenin kam vom Sockel, rote Sterne wurde aus den teils bombastischen Mosaiken gemeisselt. 8 Städte und 800 Dörfer mussten laut Behördenangaben umbenannt werden, dazu kamen Strassen, Plätze, Seen, Firmen und Fussballclubs. Seit Beginn des russischen Angriffskrieges folgt der Entsowjetisierung nun eine breite «Entrussifizierung». 

Längst vom Sockel gestossen: Eine mit roter Farbe beschmierte Lenin-Büste in der Nähe von Tschernobyl. 

Derzeit sind gerade die russischen Literaten im Visier, allen voran Alexander Puschkin, der russische Nationaldichter und Begründer der modernen russischen Literatur. Er stürzt heute genauso vom Sockel wie vor einigen Jahren Lenin. Mindestens ein Dutzend Statuen und Büsten Puschkins wurden schon entsorgt. Zudem dürfen seine Texte in den Schulen nicht mehr gelesen werden, genauso wie die Dutzender anderer sowjetischer oder russischer Autoren. Zwischen Putin und Puschkin scheint es in den Augen der ukrainischen Führung derzeit keinen grossen Unterschied mehr zu geben: Beide seien Anhänger der «russischen Welt», welche Teile der Ukraine als russisch betrachtet. 

Hunderte Millionen «Propagandabücher»

Das ukrainische Parlament hat diese Woche eine Gesetzesvorlage der Regierung gebilligt, welche die Einfuhr von Büchern aus Russland und Weissrussland verbietet. Bücher in der «Sprache des Aggressors» dürfen demnach nicht mehr verkauft und in Umlauf gebracht werden. Hunderte Millionen «Propagandabücher» sollen nun schrittweise aus den Bibliotheken des Landes verschwinden. Ukrainisch ist zwar alleinige Landessprache. Doch bis heute sprechen in der Ukraine grosse Teile der Bevölkerung im Süden und Osten des Landes Russisch, ohne dass dies ihr Zugehörigkeitsgefühl zur Ukraine infrage stellen würde. Auch Präsident Wolodimir Selenski ist russischsprachig aufgewachsen, seine Vorgänger ebenfalls. Die Sprachen sind sich nahe, man versteht sich.

Doch die Ukrainer sollen jetzt auch nichts mehr hören aus Russland. Musik von Komponisten und Interpreten, die seit dem Ende der Sowjetunion 1991 russische Bürger sind, dürfen in der Ukraine nicht mehr in Fernsehen, Radio, Schulen, Transportmitteln und anderen öffentlichen Orten gespielt werden. Wer sich öffentlich gegen den russischen Krieg in der Ukraine stellt, kann eine Ausnahmebewilligung beantragen. Die alten russischen Musikmeister kommen jedoch glimpflicher davon: Weltbekannte russische Komponisten wie Tschaikowski oder Rimski-Korsakow sind politisch offenbar unverdächtig und dürfen auch in der Ukraine weiter gespielt und gehört werden.