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Vorstoss aus Russland
Jetzt will Putin Neuwahlen in der Ukraine mithilfe der UNO. Was bezweckt er damit?

Russlands Präsident Wladimir Putin bei einer Video-Zeremonie zur Einführung des Atom-U-Boots Projekt 885M Yasen-M Perm in Murmansk am 27. März 2025.
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In Kürze:
  • Putins Vorschlag für eine UNO-Verwaltung der Ukraine zielt auf Selenskyjs Delegitimierung ab.
  • Während des Kriegszustands sind Wahlen gemäss ukrainischer Verfassung nicht durchführbar.
  • Russland könnte sein Vetorecht im UNO-Sicherheitsrat nutzen.
  • Der Kreml erhält bei seinen Ukraine-Plänen zunehmend Unterstützung von Donald Trump.

Es klingt wie ein einfacher Vorschlag – Kremlchef Wladimir Putin hat eine Idee: Man könnte die Ukraine unter die Verwaltung der Vereinten Nationen stellen, und dann könnte die UNO Wahlen in der Ukraine organisieren. Das sagte der russische Machthaber Ende Woche und fügte an: «So eine Praxis gibt es.» Das sollte wohl heissen: Man könne doch über alles reden.

Der russische Machthaber war ins nordrussische Murmansk gereist, um mit Matrosen zu sprechen und ein Atom-U-Boot einzuweihen. Dinge, die er tut als Präsident und als Oberbefehlshaber seines Landes, das Krieg gegen jenes Land führt, dessen Innenpolitik er gern nach seinem Wunsch gestalten würde. Putin fuhr fast im Plauderton fort: Mit der neuen Regierung «beginnen wir dann Verhandlungen über einen Friedensvertrag, unterzeichnen legitime Dokumente, die weltweit anerkannt werden». Wolodymyr Selenskyj, der amtierende Präsident der Ukraine, ist für Putin demnach illegitim. Putin behauptet das öffentlich immer wieder. Mit ihm verhandeln will er daher nicht.

Wolodymyr Selenskyj allerdings ist der legitime Präsident der Ukraine. Er ist rechtmässig gewählt und regiert das Land seit knapp sechs Jahren. In Friedenszeiten hätte er sich nach fünf Jahren wieder zur Wahl stellen müssen. In Kriegszeiten aber sind Wahlen im Land ausgesetzt. Das ist in der ukrainischen Verfassung und im ukrainischen Kriegsrecht so vorgesehen. Seit mehr als drei Jahren wehrt die Ukraine die russische Vollinvasion ab. Selenskyj regiert also gemäss Gesetz, und er ist international anerkannt.

«Irgendwann soll man sich fragen: Warum haben wir eigentlich keine Wahlen in der Ukraine?»

Macht Putin nun einen solchen Vorschlag, diene das der Delegitimierung Selenskyjs – und der Verbreitung von Desinformationen, sagt Stefan Meister, Russland-Experte der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP). «Es ist ein Teil der Informationsoperation der russischen Führung, das Thema Wahlen immer weiterzutreiben, neue Elemente reinzubringen, neue Ideen.» Nun mittels der UNO, sagt Meister. Die UNO gilt zwar als angeschlagen, aber noch als Gremium mit internationalem Renommee. Das will sich der Kreml offenbar zunutze machen.

Russland hat in der UNO Einfluss, sitzt im Sicherheitsrat und hat ein Vetorecht, das es regelmässig nutzt. Wie mit Russland in der UNO eine neutrale Verwaltung zustande kommen soll, ist daher rätselhaft.

Präsident der Ukraine, Wolodymyr Selenskyj, hält am Hauptsitz von ’France Televisions’ in Paris eine Pressekonferenz ab. Aufgenommen am 27. März 2025.

Meister weist auch auf Putins Vergangenheit hin, dieser war Geheimdienstmitarbeiter: «Es ist eine übliche KGB- und FSB-Strategie. Je öfter sie etwas sagen, umso mehr fängt die andere Seite an, es zu glauben. Irgendwann soll man sich fragen: Ja, warum haben wir denn eigentlich keine Wahlen in der Ukraine?»

Organisatorisch möglich wären diese nicht: Für einen Wahlkampf und eine faire, sichere Abstimmung bräuchte es einen stabilen, anhaltenden Frieden. Ausserdem hält Russland Gebiete in der Ostukraine besetzt und beabsichtigt nicht, diese aufzugeben. Demokratische Urnengänge sind dort nicht durchführbar, bei bisherigen sogenannten Wahlen gaben die Menschen unter den Augen von Soldaten mit geladenen Maschinengewehren ihre Stimmen ab.

Fraglich ist ohnehin, ob Putin für Wahlen unter Aufsicht der UNO den Krieg anhalten würde, seine Armee hat militärisch weiter die Oberhand in der Ukraine. So oder so, sagt Meister, sei nicht von freien Wahlen auszugehen, die russische Führung würde versuchen, die Wahl so zu manipulieren, dass ein prorussischer Kandidat anträte.

In der Nahsicht also ist Putins Vorschlag alles andere als harmlos. Dass Putins Erzählungen aber sogar in der US-Administration verfangen, sah man vor einigen Wochen. Donald Trump bezeichnete Selenskyj als «Diktator ohne Wahlen».

Mann in grauem Anzug lehnt an einer Wand und lächelt in die Kamera.

Putin greift derzeit an im öffentlichen Diskurs, er macht auch mit anderen Vorschlägen von sich reden. Er sprach von einer Feuerpause auf dem Schwarzen Meer, im Gegenzug zu Sanktionsaufhebungen. Ein unverhältnismässiger Deal, bei dem vor allem Russland gewinnen und die Ukraine verlieren würde.

Stefan Meister erklärt diese Art der Kommunikation damit, dass Putin von US-Präsident Trump Rückendeckung erhält. «Trump hat zwei Linien: Er will irgendwie Frieden in der Ukraine und die Ukraine als Problem loswerden. Und er will die Beziehungen zu Russland normalisieren und Russland als Partner gegen den Iran und gegen China gewinnen.» Was Putin auch vorschlägt, er muss bei Trump nicht gross mit Widerspruch rechnen. «Trump bewundert Putin als autoritären Führer», sagt der Russland-Forscher. Es läuft also gut für den russischen Autokraten. Daran ändert auch nichts, dass US-Vertreter am Freitag mitteilten, die Ukraine sei für ihre Regierungsführung selbst zuständig.

Meister sieht ausserdem ein Ablenkungsmanöver im UNO-Vorschlag, mit ganz konkreten Folgen für die Menschen in der Ukraine. «Wir diskutieren das jetzt vielleicht noch ein, zwei Wochen. Und in der Zwischenzeit hat Russland noch ein paar kleine Städte mehr in der Ukraine erobert und noch mehr Menschen umgebracht.»