Keine Einheit bei 112Die Kantonsgrenze entscheidet, welche Notrufnummer Sie wählen müssen
Wo zählt die 112 als allgemeine Notrufnummer, wo nicht? Im Ernstfall können die Unterschiede zu Verzögerungen führen.

Vor einigen Wochen brannte es unter meinem Herd. Als der Rauch zwischen Backofen und Herdplatte hervorquoll, griff ich zum Telefon. Ich wählte die Notrufnummer 112. Dort hiess es: «Sie sind hier bei der Polizei, rufen Sie bei der Feuerwehr an.»
In meinem Gedächtnis hatte ich die Nummer 112 als allgemeine Anlaufstelle für alle Notfälle gespeichert. Der Vorfall ereignete sich aber im Kanton Basel-Stadt, wo dies nicht der Fall ist: «Wer irgendeine Notrufnummer wählt, wird je nach Zuständigkeit weiterverbunden, es ist aber einfacher, wenn Sie gerade von Anfang an die richtige wählen», sagt Toprak Yerguz, Leiter Kommunikation des Justiz- und Sicherheitsdepartements des Kantons Basel-Stadt (JSD), auf Anfrage.
Notrufregeln variieren je nach Kanton
«Falsch» sei die 112 aber per se nicht. Wer sie wählt, wird an die Einsatzzentrale der Basler Kantonspolizei weitergeleitet. In meinem Fall wurde ich nicht direkt mit der Feuerwehr verbunden. Am Telefon wurde mir die Nummer der Feuerwehr – 118 – aber nochmals mitgeteilt. Der Brand ging glimpflich aus: Es war ein Kabelbrand, und die Feuerwehr war sehr schnell vor Ort. Konkret ging die Medienstelle des JSD nicht darauf ein, weshalb mein Notruf nicht direkt an die Feuerwehr weitergeleitet wurde, normalerweise sei dies der Fall, wenn es dringend sei.
Nur wenige Kilometer weiter – im Nachbarkanton Basel-Landschaft – wird das anders gehandhabt. «Die Polizei Basel-Landschaft kommuniziert seit Jahren konsequent die Nummer 112 als allgemeine Notrufnummer für sämtliche Bedürfnisse – egal, ob es sich um verdächtige Wahrnehmungen, einen Brand, einen Raub, einen Verkehrsunfall oder sonst ein Problem handelt», sagt Mediensprecher Adrian Gaugler auf Anfrage.

Eine Nachfrage bei weiteren Kantonen ergibt: Die Handhabungen zur Nummer 112 sind unterschiedlich. Alles zur 112 und was in den verschiedenen Kantonen gilt, erfahren Sie im Folgenden.
Die Notrufnummer 112 in der Schweiz
Bestimmt werden die Notrufnummern nicht von den Kantonen, sondern vom Bund. «Die wichtigste Notfallnummer in der Schweiz und in Europa ist 112», schreiben die eidgenössischen Behörden. Erreichbar ist die Nummer in allen Kantonen. Sie wurde 1998 schweizweit eingeführt.
Dass die 112 in der Schweiz bedient wird, begründe sich darin, dass die Nummer grossflächig in Europa verwendet werde, sagt JSD-Sprecher Toprak Yerguz. «Damit nicht jemand in Basel zu Besuch ist und bei einem Notfall die 112 wählt und der Anruf ins Leere geht. Im Grunde ist es eine Dienstleistung, dass man die Nummer 112 in Europa überall brauchen kann.»
Auf nationaler Ebene gab es politische Vorstösse, alle Notfallnummern in die 112 zu integrieren. Der Bundesrat lehnte das zuletzt 2012 ab. Die Regierung setzte sich zwar für eine Bevorzugung der Nummer 112 ein. Die Harmonisierung der Notfallnummern obliege aber den Kantonen. Mit dem Siegeszug des Smartphones wurde die Nummer 112 zudem automatisch weiter institutionalisiert: Wer auf seinem Handy, egal ob es gesperrt ist oder keine SIM-Karte hat, auf den Button «Notruf» drückt, wird automatisch mit der 112 verbunden.
Hier gilt die 112 als allgemeiner Notruf
In den Kantonen Aargau, Basel-Landschaft, Bern und Solothurn wird die Nummer 112 als allgemeiner Notruf kommuniziert. Wer anruft, gelangt an die kantonalen und regionalen Einsatzzentralen.
Lisa Schneeberger, Mediensprecherin bei der Berner Kantonspolizei, sagt: «Die Notrufnummer 112 ist die allgemeine Notrufnummer. Sie ist insofern wichtig, als sie die Notrufe je nach Situation an die zuständigen Blaulichtorganisationen – Polizei, Feuerwehr oder Sanität – weiterleitet.» Im Zweifelsfall sei die 112 immer eine gute Wahl.
Die Kantone Bern und Aargau empfehlen, bei einem Brand tendenziell trotzdem die 118 zu wählen. «Dadurch können die benötigten Hilfsmittel schneller aufgeboten werden, und eine Verzögerung durch das Weiterleiten an die richtige Stelle entfällt», sagt Polizeisprecher Pascal Wenzel.
In den Kantonen Basel-Landschaft und Solothurn hingegen geben die Behörden an, dass es keinen Unterschied mache, ob bei einem Brand die 112 oder die 118 gewählt werde. Im Baselbiet sind die Einsatzfahrzeuge der Feuerwehren und der Polizei heute mit 112 beschriftet.

Keine Nennung oder «europäischer Notruf»
Wie in den anderen Kantonen gilt bei der Kantonspolizei Basel-Stadt und der Kantonspolizei Zürich sowie der Stadtpolizei Zürich: Wer die Nummer 112 wählt, wird direkt mit der Einsatzzentrale der Polizei verbunden. Die Behörden in Basel und Zürich kommunizieren die Nummer nicht aktiv als allgemeine Notfallnummer. In anderen Kantonen, etwa dem Kanton Graubünden, wird die 112 unter dem Begriff «europäischer Notruf» angegeben.
«In dringenden Fällen für Sanität oder Feuerwehr leitet die Zentrale der Kantonspolizei den Anruf weiter an die Einsatzzentrale Rettung», sagt Toprak Yerguz vom Basler JSD. «Wir empfehlen generell, dass man immer gerade die korrekte Notrufnummer wählt, weil dann jeglicher Zeitverlust vermieden wird.» Die Kantonspolizei Basel-Stadt kommuniziere immer noch die klassischen Notrufnummern 117, 118 und 144. Zur 112 sagt Yerguz: «Wir bedienen die Nummer, aber wir bewerben sie nicht.»
Im Kanton Zürich variiert das: Wer einen Blick auf die unterschiedlichen Websites des Kantons wirft, findet teilweise die 112 als Notrufnummer, an anderer Stelle ist sie nicht angegeben. Allgemein wird die spezifische Notrufnummer empfohlen.
Schweizer Notrufnummern in der Übersicht
Das Wichtigste, so heisst es bei allen Polizeibehörden, sei: im Notfall irgendeine Notrufnummer wählen. Hauptsache, melden. Welche Nummer für was zuständig ist, sehen Sie hier:
112: Allgemeiner Notruf in einigen Kantonen. In jedem Fall erreichen Sie mit der 112 aber eine Einsatzzentrale der Polizei. Die 112 wird auch angerufen, wenn Sie auf Ihrem Smartphone «Notruf» wählen.
117: Polizei-Notruf. Als Eselsbrücke können Sie sich merken: Die Zahl Sieben erinnert an eine Pistole.
118: Feuerwehr-Notruf. Auch hier gibt es eine Eselsbrücke: Die Acht erinnert an einen Schlauch.
144: Sanitäts-Notruf.
145: Notruf in Vergiftungsfällen. Die Nummer könnte möglicherweise künftig wegfallen, da es Probleme bei der Finanzierung gibt.
1414: Rega-Rettung.
Die 112 wird rege genutzt
Laut Zahlen des Bundesamts für Kommunikation (Bakom) ist die 112 die Notfallnummer, die am zweithäufigsten gewählt wird. Allein im jüngsten Berichtsjahr 2023 gingen schweizweit 1’081’596 Anrufe an die Nummer 112. Das entspricht im Vergleich zum Vorjahr einem Anstieg von 46 Prozent. Die Gründe dafür seien nicht bekannt, heisst es beim Bakom. Am meisten genutzt wird weiterhin die Nummer 117: 1’530’559 Anrufe wurden hier 2023 verzeichnet.
Obwohl die 112 im Kanton Basel-Stadt nicht von den Behörden beworben wird, entfällt rund ein Viertel der Anrufe, die bei der Polizei eintreffen, auf diese Nummer. 2024 trafen im Kanton Basel-Stadt 13’000 bis 14’000 Anrufe via 112 bei der Einsatzzentrale der Polizei ein. Bei der Nummer 117 waren es knapp 40’000, wie es auf Anfrage heisst.
Im Nachbarkanton, wo die Behörden die 112 aktiv bewerben, ist der Anteil noch einmal markant höher: Die Einsatzleitzentrale der Polizei Basel-Landschaft verzeichnet bei den Anrufen auf die Nummern 112, 117 und 118, dass knapp die Hälfte auf die 112 entfällt.
Standort bestimmt, mit welchem Kanton Sie verbunden werden
Eigentlich logisch: Je nachdem, von wo aus man anruft, wird man mit der jeweiligen kantonalen Einsatzzentrale verbunden. Bei der Unterteilung in 26 Kantone kann es hier aber auch zu Grenzfällen kommen. So kann es beispielsweise bei einem Unfall, den man meldet, manchmal unklar sein, ob hier tatsächlich die Einsatzzentrale zuständig ist, die man erreicht.
Immer wieder komme es zu Einsätzen an Grenzen, sagt Toprak Yerguz vom JSD. Eine Statistik gebe es hier nicht. «Die verschiedenen Einsatzorganisationen arbeiten grundsätzlich gut mit den Partnerorganisationen in der Nachbarschaft zusammen. Hinzu kommt, dass die Einsatzgebiete nicht immer deckungsgleich mit den Kantonsgebieten sind.» So ist beispielsweise die Sanität Basel über die Kantonsgrenzen hinaus tätig.

«Wenn die Zuständigkeit geklärt werden muss, nehmen die per Notrufnummer angeforderten Einsatzkräfte diese Abklärungen vor», sagt Yerguz. Man kenne die Nachbarn gut: «Die Zusammenarbeit ist bewährt und eingespielt.»
Was passiert, wenn ich die 911 wähle?
Fans von Film und TV dürften die Nummer auswendig kennen: 911. Der Notruf in den USA wird jeweils gleich mit seinen Ziffern benannt: «nine, one, one». Sinnvoll, so kennt jedes Kind die Zahl auswendig.
Auch hier in der Schweiz läuft der bekannte Notruf nicht ins Leere. Wer die 911 wählt, wird mit der nächsten Einsatzzentrale der Polizei verbunden.
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