Physik des FeuerlaufensÜber glühende Kohlen – ohne Verletzung?
Feuerläufer sind überzeugt, dass der Glaube an eigene Fähigkeiten ihre Füsse vor Verbrennungen schützt. Letztlich ist es aber vor allem eine Frage der Wärmeleitfähigkeit.
Seit Tausenden Jahren testen Menschen ihren Mut, indem sie über glühende, bis zu 700 Grad Celsius heisse Kohlen laufen. Und mit der richtigen Einstellung, so heisst es, kommt man dabei ohne Verletzungen davon und spürt auch keine oder kaum Schmerzen. Wie kann das sein, wenn doch bereits der Funke eines Grillfeuers uns verbrennen kann?
Zuerst einmal: Natürlich kann man sich beim Laufen über die Kohle verletzen – das hat der mittlerweile berühmte Teamanlass in Au/Wädenswil von dieser Woche deutlich gezeigt. Wer unterwegs stehen bleibt, dem hilft auch das ausgeprägteste Selbstbewusstsein nichts.
Es kommt deshalb darauf an, auf jeden Fall im normalen Lauftempo oder zügig über den glühenden Weg zu schreiten, der meist wenige, manchmal aber auch mehrere Dutzend Meter beträgt. Dann aber, so verheissen Feuerlauf-Seminare, muss man nur noch an sich selbst glauben – und schon bleiben Schmerzen und Brandblasen aus oder sind zumindest erträglich.
Holz und Asche sind schlechte Wärmeleiter
Doch ist es tatsächlich der geistige Zustand, der unsere Füsse für Schmerzen unempfindlich macht und unsere Haut vor Brandblasen schützt? Helfen uns die eigenen Anfeuerungsrufe und die Begeisterung der anderen Seminarteilnehmer bei dieser Prüfung?
In erster Linie ist es einfach nur Physik, die Feuerläufer vor Verletzungen schützt. Es gibt nämlich gute Wärmeleiter – etwa Metall – und schlechte. Und zu den schlechten gehören Holz und Asche. Deshalb verbrennt man sich zum Beispiel leicht an einer Metallgabel, die noch in der Lasagne im heissen Ofen steckt, der Holzgriff der Gabel dagegen gibt einem die Chance, ohne Brandblase davonzukommen.
Kohle braucht also eine Weile, um Gegenstände, mit denen sie in Kontakt kommt, zu erhitzen. Und Wasser, aus dem unser Körper zum grossen Teil besteht, hat ebenfalls nur eine niedrige Wärmeleitfähigkeit.
Zügig laufen, aber nicht rennen
Die Hitze wirkt also langsam. Und bei dem Tempo, in dem ein Feuerlauf üblicherweise bewältigt wird, berührt der Fuss nicht länger als eine halbe oder ganze Sekunde die Kohle. Und diese ist meist auch noch von einer Schicht Asche bedeckt. Rennen sollte man allerdings auch nicht, da das Körpergewicht dabei auf eine kleinere Fläche wirkt und der Kontakt zum heissen Untergrund intensiver wird. Ausserdem wird die Hitze teilweise auch von unserem Blut abgeleitet – unsere Füsse sind gewissermassen aktiv gekühlt.
Auszuschliessen ist ein gewisser psychologischer Effekt der Vorbereitung auf den Feuerlauf aber nicht. Bekanntlich kann Angst Schmerzen verstärken – und der Gedanke, mit blossen Füssen auf glühende Kohlen zu treten, ist natürlich beängstigend. Furchtlosigkeit ist also eine gute zusätzliche Voraussetzung, den Feuerlauf ohne grössere Einschränkungen im Wohlbefinden zu absolvieren.
Man kann also feststellen, dass bei einem Feuerlauf nicht der Geist über die Materie siegt, indem wir unseren Körper auf metaphysische Weise gegen die physikalischen Wirkungen des Feuers wappnen. Es ist vielmehr so, dass wir unsere (in diesem Fall übertriebene) Angst vor der Glut bewältigen. Und wem das gelingt, der macht natürlich eine äusserst positive Erfahrung.
Dieser Text erschien ursprünglich vor einigen Jahren in der «Süddeutschen Zeitung».
Fehler gefunden?Jetzt melden.