Präsidentschaftskandidat Ron DeSantisTrumps ärgster Gegner schwächelt
Ron DeSantis hat sich finanziell übernommen. Nun versucht der Republikaner, mit einem neuen Look die Kurve zu kratzen. Derweil steigen Donald Trumps Popularitätswerte weiter.
Der neue Kleidungsstil von Ron DeSantis ist nicht zu übersehen. Anzug und Krawatte lässt er wenn immer möglich im Schrank hängen. Stattdessen trägt er nun oft ein dunkelblaues Anglerhemd: Kurzarm, Polyester, grosse Brusttaschen, doppelt geschlitzter Rücken, und, eine Selbstverständlichkeit in den USA, geknöpfter Kragen.
Es ist der jüngste Versuch des Gouverneurs von Florida, sich als einfachen Sportsmann darzustellen, als einen von 44 Millionen Amerikanern, die dem zweitbeliebtesten Hobby in der freien Natur nachgehen. Nur will das dem Absolventen der Eliteuniversitäten Yale und Harvard einfach nicht gelingen. Seine Popularitätswerte dümpeln um die 20 Prozent, zu viel, um sich keine Hoffnung zu machen. Aber auch so wenig, dass sich die Frage stellt, ob DeSantis den Vorsprung noch aufholen kann, den Donald Trump auf über 30 Prozentpunkte ausgebaut hat – trotz oder wegen seiner Probleme mit der Justiz.
Trump übertönt DeSantis’ Neustart
Wie schwierig die Ausgangslage für DeSantis ist, hat Trump ihm gerade am Dienstag wieder gezeigt. Der Gouverneur stellte sich einem Interview bei CNN, ein bemerkenswerter Kurswechsel für einen, der sich bisher von den «sehr, sehr vertrauensunwürdigen» traditionellen Medien ferngehalten hatte. Doch nun sucht er deren Aufmerksamkeit, wie aus einem Strategiepapier seiner Kampagne hervorgeht, das den Weg an die Öffentlichkeit gefunden hat. «Wir werden weiterhin grosse, mutige Ideen präsentieren, die bei den Leuten zu reden geben», heisst es darin. DeSantis will also Provokationen lancieren: gegen Einwanderer sowie gegen alle «woken» Themen wie Rassismus, Gender und sexuelle Befreiung.
Mit einer Breitseite gegen angeblich woke Ideologie im Militär hat es DeSantis soeben versucht – nur um von Trump sogleich übertönt zu werden. Der teilte kurz vor DeSantis’ CNN-Termin mit, er erwarte demnächst eine weitere Anklage, diesmal im Zusammenhang mit den Verfahren zum 6. Januar 2021. Statt eigene Themen zu setzen, musste DeSantis zähneknirschend auf Kritik an seiner Haltung zu Trumps Prozessen antworten.
DeSantis muss Personal abbauen
Zudem häufen sich die negativen Schlagzeilen über DeSantis. Eben erst wurde bekannt, dass er sich finanziell übernommen hat. Wohl sammelte seine Kampagne 20 Millionen Dollar im zweiten Quartal, mehr als die von Trump. Doch DeSantis muss als Zweitplatzierter auch besonders viel Geld ausgeben, um Boden gutzumachen. Er hat 90 Personen angestellt, schaltet Werbevideos und fliegt mit gecharterten Jets kreuz und quer durch das Land. Damit hat er schon fast die Hälfte seiner Wahlkampfkasse verbrannt, der Nachschub wird rar: Seine Einnahmen stammen überwiegend von Grossspendern, die ihm bereits die höchste zulässige Summe zukommen liessen. Kleinspender hingegen konnte DeSantis noch kaum für sich begeistern – trotz Fischerhemd.
Das Kampagnenteam von DeSantis musste nun Mitarbeiter entlassen, «weniger als zehn», wie seine Sprachregelung lautet. Das ist ein Alarmsignal für alle Republikaner, die eine Alternative zu Trump suchen. Sie können zwar DeSantis immer noch über ihm wohlgesinnte unabhängige Wahlkampfgruppen unterstützen, sogenannte Super PACs, doch dürfen diese ihre Aktionen nicht direkt mit seiner Kampagne abgleichen.
Bereits kursieren Vergleiche von DeSantis mit früheren Kandidaten, deren Stern sehr hell leuchtete, aber eben nur für kurze Zeit. Nur John McCain schaffte es in jüngerer Zeit, zuerst zu viel Geld auszugeben, dann zu sparen und sich schliesslich doch an die Spitze des Kandidatenfelds zu setzen. Allerdings musste er damals nur wenige Prozentpunkte gewinnen, um Rudy Giuliani zu überholen.
Sponsoren suchen Alternativen
Möglicherweise kommt DeSantis Kursjustierung also zu spät. Bereits hat sich Fox News von ihm abgewandt, der rechte Sender, der ihn zuvor nach Kräften gefördert hatte. Stattdessen wird Tim Scott als neuer Liebling der Never-Trumper unter den Republikanern gehandelt. Der Senator aus South Carolina geniesst nicht nur die Unterstützung einer Reihe von Techmilliardären, er hat sich auch als Talent im Sammeln von Onlinespenden erwiesen. Als Afroamerikaner mit für heutige Republikaner gemässigten Ansichten ragt er aus dem Kandidatenfeld heraus, liegt aber bisher weit abgeschlagen im einstelligen Prozentbereich.
Überraschend gut hält sich auch Vivek Ramaswamy, Pharmamilliardär und politischer Quereinsteiger aus Ohio auf Trump-Linie, der seine Umfragewerte verdoppelt hat – auf noch immer bescheidene 5 Prozent. Damit zieht Donald Trump als Favorit mit haushohem Vorsprung in die entscheidende Phase des Vorwahlkampfs, die mit dem Labor Day Anfang September beginnt.
Joe Biden kommt nur langsam in Fahrt
Bei den Demokraten geht es hingegen deutlich gemächlicher zu. Joe Biden hat im zweiten Quartal beinahe 20 Millionen Dollar gesammelt, seine Wahlkampfkasse ist mit über 77 Millionen Dollar gefüllt. Dennoch hat er bisher kaum Auslagen getätigt: Vier Angestellte zählte sein Kampagnenteam bisher nur, nicht einmal Büroräume hatte es gemietet. Nun stockt er langsam auf, am Montag gesellten sich drei weitere Mitarbeiter zu seiner Mannschaft.
Zu früh handelt Biden damit nicht. Er hat zwar keine ernsthaften parteiinternen Herausforderer. Allerdings profitiert Robert F. Kennedy Junior, Mitbewerber um die Kandidatur der Demokraten, derzeit vom Vakuum. So erreicht der Sprössling der Politikerdynastie Zustimmungswerte von bis zu 20 Prozent. Die dürften jedoch eher mit der Bekanntheit seines Familiennamens als mit seinen politischen Positionen zu erklären sein, fällt er doch vor allem durch antisemitische Verschwörungsmythen zu Covid sowie zu Impfstoffen auf.
Drittpartei macht Demokraten nervös
Nervosität löst bei den Demokraten nun zunehmend eine Bewegung namens No Labels aus, die in den vergangenen Tagen die Gerüchteküche über eine parteiunabhängige Drittkandidatur hochkochen liess. Am Montag trat Joe Manchin, Senator aus West Virginia, bei einer ihrer Veranstaltungen auf, wo er mit einer Kandidatur flirtete. Der Demokrat, der im Senat wiederholt Prestigeprojekte von Biden blockiert hatte, bezeichnete den Präsidenten als zu weit nach links gerückt. Da No Labels offiziell keine nationale Partei ist, bleiben ihre Geldgeber im Dunkeln. Bekannt ist aber, dass ihre Ableger in mehreren Bundesstaaten von Republikanern gespeist wurden. Umfragen lassen denn auch annehmen, dass ein unabhängiger Kandidat vor allem Joe Biden Stimmen wegschnappen würde. Davon dürfte Donald Trump profitieren. Sofern er nicht doch noch über seine Probleme mit der Justiz stolpert.
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