Patriotismus im UnterrichtTrump will Schüler «die wahre Geschichte» lehren
Donald Trump fordert einen patriotischeren Geschichtsunterricht an US-Schulen. Hässlichkeiten wie die Sklaverei sollen übertüncht werden.
Es war mal wieder so richtig Trump: Die beiden neuen Tiktok-Miteigner Walmart und Oracle würden als Gegenleistung für seine Zustimmung zu dem Deal fünf Milliarden Dollar bereitstellen, damit amerikanische Kinder in den Schulen «die wahre Geschichte» lernten und nicht jene Version, die von Linken verzerrt werde, posaunte der Präsident am Wochenende.
Schon seit geraumer Zeit wünscht sich Trump in den Klassenzimmern eine «patriotische Geschichte», die US-Amerika immer ins beste Licht rückt und historische Hässlichkeiten unterschlägt. Hatte der Präsident schon in seiner Rede am Nationalfeiertag im Juli behauptet, den Schülern werde beigebracht, «Amerika zu hassen», so schob er vergangenen Donnerstag nach: «Die Linke hat die amerikanische Geschichte mit Täuschungen, Unwahrheiten und Lügen verzerrt, verdreht und besudelt.»
Die andere Lesart
Die vaterländische Wallung des Präsidenten passt nicht nur in seinen Wahlkampf, sie widerspiegelt zudem den Zorn amerikanischer Konservativer über die Neudeutung der US-Geschichte im Zeitalter von «Black Lives Matter» und eines demografischen Wandels, der die bisherige weisse Mehrheitsgesellschaft nachhaltig verändern wird.
In der Lesart Trumps und seiner Mitstreiter ist US-Amerikas Geschichte stets nobel gewesen und vom Drang nach Freiheit definiert worden. Die Erschliessung des Landes war eine Grosstat, beseelt vom Pioniergeist tapferer Siedler. Insgesamt sind die Vereinigten Staaten ein auserwähltes Land, ja eine unverzichtbare und einmalige Nation, die nicht wirklich von dieser Welt ist, sondern über ihr steht.
Übertüncht wird in dieser Interpretation neben dem jahrhundertelangen Leiden der Afroamerikaner auch die brutale Verdrängung der indianischen Ureinwohner. Ausnahmslos wurden deren Verträge mit der Washingtoner Regierung gebrochen, nicht hehr, sondern oft schäbig und kriminell ging es dabei zu.
Kein Platz für Verbrechen
In Donald Trumps Version der US-Geschichte gibt es zudem keinen Platz für die Verbrechen der Sklaven haltenden Südstaaten. Noch immer wird in dieser Interpretation fälschlich behauptet, der US-Bürgerkrieg sei zur Bewahrung der «Rechte der Einzelstaaten» und keinesfalls für den Fortbestand der Sklaverei gefochten worden. Solche Schönfärberei bildet das Fundament von Trumps Forderung, Denkmäler konföderierter Generäle wie Robert E. Lee oder Stonewall Jackson dürften nicht entfernt werden.
Was für den Präsidenten «wahre und nicht fake Geschichte» ist, wurde freilich seit den Sechzigerjahren des 20. Jahrhunderts besonders von Sozialhistorikern neu aufgerollt und vielfach diskreditiert. Ein frischer Blick auf Rassenbeziehungen, auf die Unterdrückung von Minderheiten und Frauen sowie auf die blutige Eroberung des Kontinents hat eine neue Geschichtsschreibung hervorgebracht und die traditionelle amerikanische Selbstdarstellung infrage gestellt.
Hürden der Aufarbeitung
Bisweilen schoss diese Revision übers Ziel hinaus, so etwa beim vieldiskutierten «1619 Project» der «New York Times», das sich vor allem mit der afroamerikanischen Geschichte seit der Ankunft der ersten Sklaven 1619 in Jamestown in Virginia befasst. Nachdem im Vorwort des Projekts behauptet worden war, der US-Unabhängigkeitskrieg von 1776 sei unter anderem auch dem Bemühen entsprungen, die Sklaverei zu bewahren, verlangten führende US-Historiker eine Korrektur.
Er kenne «keinen einzigen Kolonisten, der gesagt hat, er wolle die Unabhängigkeit von Grossbritannien, um die Institution der Sklaverei zu schützen», schrieb etwa der renommierte Historiker Gordon Wood an die «New York Times». Der Präsident bezeichnete das «diskreditierte 1619-Projekt» zwar als «bestes Beispiel» für die angebliche Verleumdung der US-Geschichte durch die Linke – gegen die nötige Aufarbeitung und Revidierung dieser Geschichte aber wird auch er nichts ausrichten können. Zumal das amerikanische Bildungswesen Sache der Bundesstaaten und nicht der Washingtoner Regierung ist.
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