USA vermitteln im Kosovo-KonfliktTrump will das Kommando auf dem Balkan übernehmen
Die US-Regierung lädt die Führer Serbiens und Kosovos ins Weisse Haus ein. Sie möchte rasch eine Einigung herbeiführen, damit der Präsident sich im Wahlkampf als Dealmaker rühmen kann.
Richard Grenells Leistungsausweis in Kosovo löst bei europäischen Diplomaten nur noch Kopfschütteln aus. Innerhalb eines Jahres hat der bisherige US-Botschafter in Berlin zwei Regierungen des Balkanlandes zu Fall gebracht, weil sie sich gegen einen raschen «Deal» mit Serbien wehrten, der offenbar auch Grenzveränderungen nicht ausschliesst. Donald Trump hatte Grenell 2019 zu seinem Sondergesandten für «Friedensverhandlungen» zwischen Serbien und Kosovo ernannt. Der Haudegen will um jeden Preis eine Einigung auf dem Balkan herbeiführen, damit sein Chef sich im Wahlkampf als Dealmaker in der Aussenpolitik rühmen kann. Um den Druck auf Pristina zu erhöhen, wurde indirekt mit der Schliessung des US-Militärstützpunkts Camp Bondsteel gedroht.
In der Nacht auf Dienstag ist Grenell bei seinen Bemühungen einen Schritt weitergegangen. Er bestellte die führenden Politiker der beiden Balkanstaaten ins Weisse Haus ein. Das Treffen soll am 27. Juni stattfinden. Seine Einladung verband Grenell mit einer Drohung. Falls eine der Parteien unzufrieden mit den Diskussionen in Washington sei, werde man zum Status quo zurückzukehren. Die Botschaft ist klar: Wer nicht spurt, trägt die Schuld für das Scheitern der Gespräche.
Pristina knickt ein
Kosovos Präsident Hashim Thaci, der seit 2018 für einen Gebietstausch mit Serbien wirbt, erklärte, er sei zuversichtlich, dass unter der Führung von Präsident Trump eine Einigung möglich sei. Serbiens Premierministerin Ana Brnabic sagte, das Engagement der USA habe neue Hoffnung geweckt für eine Lösung. Serbien betrachtet Kosovo als abtrünnige Provinz.
Seit Anfang Juni gibt es in Pristina eine neue Regierung, die sofort und bedingungslos alle Forderungen Grenells erfüllt hat: Die Strafzölle auf serbische Produkte wurden aufgehoben, vorläufig beantragt Kosovo keine Aufnahme in internationale Organisationen, auf das «Prinzip der Reziprozität» gegenüber Serbien wird ebenfalls verzichtet. Das heisst: Kosovo darf serbischen Firmen keine Hindernisse in den Weg legen, Serbien kann dagegen willkürlich kosovarische Produkte blockieren. Die Strafzölle wurden 2018 eingeführt, nachdem Serbien die Aufnahme Kosovos in internationale Organisationen verhindert hatte.
Die EU wird ignoriert
Für die EU ist Grenells Aktionismus eine harte Lektion in Sachen Machtverhältnisse. Kürzlich ernannte Brüssel den ehemaligen slowakischen Aussenminister Miroslav Lajcak zum Sonderbeauftragten für den Dialog zwischen Belgrad und Pristina, doch Grenell tut so, als gäbe es ihn nicht. Am Montag wollte Lajcak über Zürich in die albanische Hauptstadt Tirana fliegen und von dort auf dem Landweg nach Kosovo einreisen. Der Flug wurde kurzfristig gecancelt. Am Dienstag konnte er mit einer Maschine nach Pristina fliegen, die Schweizer Soldaten in Kosovo versorgt.
Wie die meisten EU-Staaten lehnt auch die Schweiz Grenzänderungen auf dem Balkan ab. Es wird befürchtet, dass solche Experimente die Nachkriegsordnung infrage stellen könnten. Die Trump-Regierung hat in der Vergangenheit durchblicken lassen, dass sie einvernehmliche Grenzkorrekturen akzeptieren würde. Die Debatte über neue Grenzen hat zuerst die ehemalige EU-Chefdiplomatin Federica Mogherini zugelassen. Lajcak lehnt solche Gedankenspiele ab, weil sie die Gefahr neuen Blutvergiessens nach sich ziehen könnten. Der Slowake kennt die Region gut, er war Botschafter seines Landes in Belgrad und Hoher Repräsentant der internationalen Gemeinschaft für Bosnien-Herzegowina.
Eine Kampagne gegen die EU führt Kosovos Präsident Thaci. Er wirft der EU vor, sie habe es nicht einmal geschafft, die Visumspflicht für kosovarische Bürger aufzuheben. Laut EU-Kommission haben die kosovarischen Behörden die Bedingungen erfüllt. Ausserdem lehnen fünf EU-Staaten – Spanien, Slowakei, Zypern, Griechenland und Rumänien – die Unabhängigkeit Kosovos ab. Die EU hat Kosovo seit 1999 mit 2,3 Milliarden Euro unterstützt und ist damit der grösste Geldgeber, aber eine einheitliche Strategie, wie der Streit mit Serbien gelöst werden kann, hat Brüssel bisher nicht.
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