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Neue Regierung in Pristina
Kosovo bleibt ein gekaperter Staat

Entspricht dem Bild eines opportunistischen Apparatschiks: Avdullah Hoti, Kosovos neuer Regierungschef.
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Im vergangenen Herbst erlebten viele Kosovaren einen politischen Frühling. Bei den Parlamentswahlen am 6. Oktober unterstützte eine grosse Mehrheit junge, unverbrauchte Kräfte. Stärkste Partei wurde die linke Bewegung Vetevendosje (VV) von Albin Kurti, dicht gefolgt von der Demokratischen Liga Kosovos (LDK), die mit Vjosa Osmani als Spitzenkandidatin antrat. Kurti wurde nach langwierigen Koalitionsverhandlungen mit der LDK zum Premierminister gewählt, Osmani übernahm das Amt der Parlamentspräsidentin.

Nun erleben die Kosovaren einen politischen Herbst im Frühling. Die Regierung von Premier Kurti wurde Mitte März durch einen Misstrauensantrag der LDK und der Opposition gestürzt, seither war er nur kommissarisch im Amt. Und seit Mittwoch hat das Balkanland eine neue Regierung. Kurtis ehemaliger Koalitionspartner hat einen Frontenwechsel vollzogen. Als zweitstärkste Kraft regiert die LDK nun zusammen mit zwei kleinen Parteien, die aus der Rebellenarmee UCK hervorgegangen sind und als korrupt gelten.

Als Stimmenmagnet missbraucht

Die neue Allianz konnte nur mit Mühe und Not die 61 notwendigen Stimmen im 120-köpfigen Parlament sichern. Die Regierung hängt von den Stimmen der sogenannten Serbischen Liste ab, einer direkt von Belgrad kontrollierten Partei. Neuer Ministerpräsident ist der Ökonom Avdullah Hoti von der LDK, der dem Bild eines opportunistischen Apparatschiks entspricht. Die populäre Vizechefin der LDK, Vjosa Osmani, wurde nach den Wahlen von der alten Garde kaltblütig ausgebootet. Die Juristin, eine entschiedene Gegnerin des staatszersetzenden Klientelsystems, wurde lediglich als Stimmenmagnet missbraucht.

Auslöser des Streits, der zum Sturz von Kurtis Kabinett führte, war die Frage des richtigen Umgangs mit der Corona-Krise. Die LDK und Staatschef Hashim Thaci verlangten die Ausrufung des Ausnahmezustands. In diesem Fall hätte der Autokrat Thaci Sondervollmachten bekommen. Dagegen wehrte sich Kurti und entliess den Innenminister, ohne sich vorher mit dem Koalitionspartner LDK abzusprechen. Das war nicht der einzige Fehler von Kurti. Westliche Diplomaten, die Kurti wohlgesonnen sind, werfen ihm vor, er sei oft nicht gewillt oder sei unfähig, Brücken zu bauen und das Vertrauen der Koalitionspartner zu gewinnen. Auch sein Hang zum Populismus sei nicht unproblematisch.

Dennoch waren die meisten europäischen Botschafter in Pristina mit Kurtis Arbeit zufrieden. Seine Regierung machte seit ihrer Wahl Anfang Februar ernst mit dem Kampf gegen die Korruption in den Staatsunternehmen. Es wurde versucht, unbelastete und qualifizierte Beamte für den Staatsdienst zu rekrutieren. Zudem steuerten Kurti und Gesundheitsminister Arben Vitia das Land ganz passabel durch die Pandemie.

Die Rolle des US-Gesandten

Der Fall der Regierung war aber in erster Linie eine Folge des Machtkampfs zwischen Kurti und Staatspräsident Thaci. Dieser steht sinnbildlich für die Kaperung des Staats seit der Unabhängigkeitserklärung im Jahre 2008. In den vergangenen zwei Jahren forcierte er zusammen mit dem serbischen Staatschef Aleksandar Vucic die Idee eines Gebietstauschs. Kurti lehnt Grenzänderungen ab. Auch einflussreiche EU-Staaten wie Deutschland haben solche Pläne zurückgewiesen.

Die US-Regierung schliesst dagegen neue Grenzen nicht explizit aus. Um wenigstens auf dem Balkan einen aussenpolitischen Erfolg zu erzielen, hat US-Präsident Donald Trump seinen engen Vertrauten Richard Grenell zum Sondergesandten für den Dialog zwischen Kosovo und Serbien ernannt. Grenell war bis vor kurzem US-Botschafter in Berlin. Während des jüngsten Machtkampfs wirkte der Trump-Gehilfe auf den Sturz der Regierung hin und machte keinen Hehl daraus, dass Washingtons Mann in Pristina Staatschef Thaci sei.

Kurti war nicht bereit, einen faulen Deal durchzuwinken. Thaci dagegen ist durchaus kompromissbereit – auch aus persönlichen Gründen. Er gilt als erpressbar, seit ein Sondertribunal mit Sitz in Den Haag gegen ihn wegen Kriegsverbrechen ermittelt. Die EU wurde vom US-Aktionismus überrumpelt, sie agiert eher kopflos. Der spanische EU-Chefdiplomat Josep Borrell, dessen Land Kosovo nicht anerkennt, zeigt Verständnis für Grenzänderungen – der EU-Sondergesandte Miroslav Lajcak widerspricht.

Die neue kosovarische Regierung hat versprochen, sie werde der ultimativen Forderung der USA nachkommen und bedingungslos alle Strafzölle auf serbische Produkte aufheben, damit der Dialog mit Belgrad beginnen kann. Als Vermittlerin will sich neben den USA auch die EU ins Spiel bringen. Erstmals seit dem Kosovo-Krieg Ende der 1990er-Jahre gibt es keine koordinierte und gemeinsame Strategie der USA und EU auf dem Balkan.