Essay über Trumps RegierungDiese Revolutionäre werden noch viel Unheil anrichten
Zwei Monate nach Amtsantritt ist klar: Donald Trump und seine Getreuen gehen aufs Ganze. Wir müssen uns wappnen.

Donald Trump zwingt die Ukraine zu einem Diktatfrieden – und reisst sich nebenbei die Bodenschätze des zerbombten Landes unter den Nagel.
Seit er im Amt ist, werden in den USA Studenten verhaftet, Ärzte deportiert, Universitäten juristisch belangt. Behörden deklarieren Sozialhilfeempfänger als tot und greifen auf deren private Bankkonten zu. Staatsangestellte, die den Klimawandel dokumentieren, Steuerverfahren führen, Krankheiten bekämpfen oder Nationalparks betreuen, werden zu Tausenden gefeuert.
Es ist nicht leicht, all die Nachrichten zu verdauen, die derzeit aus den USA in die Welt dringen. Die Flut von Ankündigungen, Anordnungen und Kehrtwenden hinterlässt einen atemlos, fassungslos, sprachlos.
Was für eine Regierung ist im Weissen Haus eigentlich am Werk? Nach welchen Prinzipien tickt sie? Was kommt da in Zukunft noch alles?
Um die Dinge zu verstehen, die sich abspielen, muss man sie beim Namen nennen. Drei Aspekte an Trumps Regentschaft stechen hervor.
Korruption
Trump und seine Gehilfen werden zuweilen als Schurkenbande bezeichnet. «America wird jetzt von Gangstern regiert», schreibt etwa der Kolumnist Noah Smith. Robert Reich, ehemaliger US-Arbeitsminister unter Bill Clinton, sagt in einem Podcast: Trump sei wie «Al Capone mit einer Atombombe».
Diese Ausdrücke mögen überzogen wirken. Doch sie unterstreichen einen ersten, wichtigen Punkt: Trump nutzt seine zweite Präsidentschaft, um sich und seine Entourage zu bereichern. Er schafft ein Klima der Korruption.
Anzeichen dafür gibt es zuhauf. So hat die US-Börsenaufsicht jüngst ein Verfahren gegen einen mutmasslichen Krypto-Betrüger pausiert, nachdem dieser einen hohen Millionenbetrag in Trumps Kryptowährung investiert hat. Zahlreiche Regierungsjobs gehen an Clanmitglieder und reiche Spender. Einer von ihnen, Elon Musk, hat die Entwicklungsbehörde USAID kaltgestellt, die Verträge seiner Firma Starlink untersucht hat.
Die Massenentlassungen, die sein «Department of Government Efficiency» durchführt, sollen nach offizieller Lesart den Staat effizienter machen. Ihr wahrer Zweck, so stellt sich zunehmend heraus, liegt aber woanders: Sie sollen den professionellen Behördenapparat gefügig machen, damit dieser Trump und seinen Unterstützern nicht auf die Finger schaut.
Den Institutionen, die den Rechtsstaat durchsetzen sollen, zieht Trump die Zähne. Seine Generalstaatsanwältin beendete am ersten Amtstag eine Kleptokratie-Initiative, die Geldwäscherei nachgeht, und löste eine Taskforce auf, die Umgehungen von Russland-Sanktionen aufspürt.
Der Präsident will auch die Transparenzregeln aufweichen, die anonyme Briefkastenfirmen dazu verpflichten, gegenüber Behörden ihre wahren Eigentümer anzugeben – ein Rückschritt bei der Finanztransparenz.
Korrupte Staatsführer tendieren oft zum Autoritarismus. Das leitet nahtlos zum zweiten Aspekt über, der für Trumps Regierung kennzeichnend ist.
Autoritarismus
Die New Yorker Historikerin Ruth Ben-Ghiat stellt den US-Präsidenten in die Tradition der «Strongmen», die von Benito Mussolini über Muammar al-Ghadhafi bis zu Viktor Orban reicht. Sie zählt die Gemeinsamkeiten auf, die den Regierungsstil dieser starken Männer ausmachen: Nationalismus, Lügenpropaganda, Korruption, Gewaltverherrlichung, übertriebene Virilität.
Ähnlich spricht der russische Dissident und Dekan der London School of Economics, Sergei Guriev, über Trump. Er sieht in ihm einen aspirierenden «Spin Dictator» – also einen Anführer, der demokratische Legitimität beansprucht und durchaus populär sein möchte, aber autoritär reagiert. Vorbilder dieses Typs sind Recep Tayyip Erdogan und Wladimir Putin.
Autoritäre Systeme müssen nicht zwingend diktatorisch sein. Manchmal begnügen sie sich auch damit, die Demokratie so weit zu schwächen, dass ein Amtsinhaber gegenüber der Opposition systematisch bevorteilt wird. Die Politologen Steven Levitsky und Lucan Way bezeichnen diesen Zustand als «kompetitiven Autoritarismus», und der Journalist Fareed Zakaria prägte dafür in den 1990er-Jahren den Begriff der «illiberalen Demokratie». Sie alle sorgen sich, dass die USA unter Trump in ein solches System abgleiten.
All diese Einordnungen schärfen den Blick dafür, dass Trump als Politiker eben kein Sonderfall ist. Er ist nicht der aufmerksamkeitssüchtige Celebrity-Geschäftsmann, dem in der überdrehten US-Politik ein Coup gelungen ist und der sich nun darin gefällt, mit irren Statements alle auf Trab zu halten.
Nein: Trump wendet genau die politischen Techniken an, die vor ihm bereits unzählige, rechts-, aber auch linksgerichtete Autokraten angewandt haben:
Parlamentsbeschlüsse umgehen oder missachten
Gerichte vereinnahmen oder ignorieren
Gewalt gegen politische Gegner androhen oder anwenden
eine Günstlingswirtschaft errichten
die Medienfreiheit einschränken
Minderheiten unterdrücken
willkürlich Menschen deportieren
die Wissenschaft schwächen
staatsnahe Organisationen gleichschalten
über Notfalldekrete regieren
öffentliche Kontrollorgane schwächen
einen quasireligiösen Führerkult etablieren
den absoluten Volkswillen beanspruchen
Menschen und ihre Körper kontrollieren
Lügen und Statistiken fälschen
Geschichtsrevisionismus betreiben
unsinnige Loyalitätstests einführen
das Denunziantentum fördern
Sprachpolizeiliche Vorschriften einführen
Territoriale Konflikte anzetteln
den Umweltschutz unterwandern
etc.
Man muss nicht so weit gehen, Trump deswegen einen «Faschisten» zu nennen. Das Wort weckt dunkle Assoziationen und wird im Alltag oft gleichgesetzt mit der Nazi-Diktatur, die horrende Verbrechen begangen hat.
Gleichwohl hilft der Faschismusbegriff, einen weiteren, dritten Aspekt zu verstehen: Trump ist der Anführer einer breiten, ideologischen Bewegung.
Revolution
Bis in die 1990er-Jahre waren die Republikaner eine rechte Mainstream-Partei. Sie waren Rechtsstaat und Demokratie verpflichtet. Seither ist die Grand Old Party zu einer Rechtsaussen-Partei geworden, um eine Terminologie des Populismusforschers Cas Mudde zu verwenden. Und innerhalb dieser Partei nehmen die extremistischen Ansichten zu.
Über 50 Prozent aller Trump-Supporter befürworten laut Umfragen ein System mit einem «starken Anführer, der sich nicht mit dem Kongress abgibt». Und knapp die Hälfte meint, dieser solle sich auch «nicht mit Wahlen abgeben». Solche Zahlen sind in der hyperpolarisierten US-Politik zwar mit Vorsicht zu geniessen – sie hängen davon ab, wer gerade Präsident ist. Trotzdem ist seit geraumer Zeit belegt, dass es unter republikanischen Wählerschichten eine starke Nachfrage nach autoritärer Politik gibt.
Seit Trump 2017 Präsident wurde, erodiert die amerikanische Demokratie. Nach dem Sturm aufs Capitol am 6. Januar 2021 standen republikanische Kongressmitglieder vor der Wahl, den abgewählten Präsidenten fallen zu lassen. Doch sie schonten Trump, weil dieser die Partei mit seiner «Make America Great Again»-Ideologie längst auf seiner Seite hatte – und die Basis bereit war, jegliche Lügen über einen angeblichen Wahlbetrug zu glauben.
Und so finden sich die USA vier Jahre später mit einem Landesoberhaupt wieder, dessen Anhängerschaft in ihrer Ablehnung von allem, was als «links» und «woke» gilt, radikalisierter ist als je zuvor. Und der trotz eines knappen Resultats – Trump erhielt landesweit nur 1,5 Prozentpunkte mehr Stimmen als Harris – die absolute Macht im Staat für sich beansprucht.
Der revolutionäre Furor, den seine Administration jetzt an den Tag legt, erklärt sich vor diesem Hintergrund. Und genau hier liegt laut dem Politikwissenschaftler Ivan Krastev auch der springende Punkt: Im Weissen Haus sitzt keine normale Regierung – sondern eine revolutionäre Regierung.
Also eine, die nicht darauf aus ist, die Details richtig hinzubekommen. Sondern darauf, innerhalb von kurzer Zeit möglichst viel umzustürzen.
Was das alles bedeutet
Revolutionen haben erfahrungsgemäss ihre eigene Dynamik. Oft sind sie chaotisch, die Protagonisten verlieren die Kontrolle über das Geschehen.
Gut möglich, dass Trump bereits gravierende Fehler gemacht hat. Sein Zollstreit etwa schürt wirtschaftliche Unsicherheit. An der Börse ist die gute Stimmung bereits gekippt, die Angst vor einer Rezession nimmt zu.
Auch Trumps Klimapolitik, die sich gegen erneuerbare Energien und Elektroautos richtet, könnte sich als Eigentor herausstellen – weil sie China ermöglicht, die Marktführerschaft bei der Herstellung von Batterien, Solarzellen, E-Autos und weiteren Schlüsseltechnologien auszubauen.
Sein Ukraine-Deal schliesslich ist ein Geschenk für Putin – und schwächt zudem den Einfluss der USA. Wer will schon mit einer Supermacht zusammenarbeiten, die kein verlässlicher Sicherheitspartner ist?
Fehler wie diese, so spekulieren manche, könnten Trump bereits nach den nächsten Kongresswahlen in zwei Jahren zur lahmen Ente machen. Andere zählen darauf, dass die amerikanische Demokratie stark genug ist, um Trump zu widerstehen. Ihre Hoffnungen ruhen auf der Justiz: Gerichte haben bereits verschiedene seiner Praktiken für unzulässig erklärt.
Doch es ist ein Irrtum, zu glauben, dass sich Trump dadurch beirren lässt. Das antiaufklärerische, antiwissenschaftliche und antiegalitäre «Project 2025» ist bereits zu 40 Prozent umgesetzt. Seine Leute werden alles versuchen, um ihre rechtspopulistische Agenda weiter voranzutreiben – und ihre kulturelle Konterrevolution in andere Länder zu exportieren.
Und wenn dies auch nur ansatzweise gelingt, wird das weltweit Umbrüche zur Folge haben – im Handel, in der Klimapolitik, bei den Menschenrechten.
Denn autoritäre Kleptokratenregimes agieren nicht allein, wie die Historikerin Anne Applebaum in ihrem Buch «Autocracy Inc.» eindrücklich zeigt. Sondern im Konzert: Sie arbeiten zusammen, um Geschäfte zu machen, die Demokratie zu schwächen und ihren Machterhalt zu sichern.
Diese Perspektive macht Angst. Umso mehr gilt es, einen kühlen Kopf zu bewahren. Und die eigenen Prioritäten richtig zu setzen: erstens der Fokus auf Europa und auf das, was uns am wichtigsten ist – Demokratie, Freiheit, Rechtsstaatlichkeit, Chancengleichheit. Und zweitens: den internationalen Institutionen wie der Weltgesundheitsorganisation und dem Pariser Klimaabkommen den Rücken stärken, die Trump zu schwächen versucht.
In Momenten wie diesen gilt es, die eigene Ohnmacht zu überwinden. Man muss wachsam sein, Widerspruch üben, sich auf die eigenen Stärken besinnen. Im Wissen, dass harte Auseinandersetzungen auf uns zukommen.
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