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Militärpläne des US-Präsidenten
Trump hat den Finger am Abzug

Von einem Abzug könnten die Islamisten profitieren: Amerikanische Soldaten in der Urusgan-Region in  Afghanistan.
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US-Präsident Donald Trump bleiben noch etwas mehr als 60 Tage im Weissen Haus. Aber er will offenbar sicherstellen, dass sein aussen- und sicherheitspolitisches Erbe weit länger wirkt – und seinem gewählten Nachfolger Joe Biden die Hände bindet.

Die wohl gefährlichste Idee haben ihm seine Berater nach einem Bericht der «New York Times» wieder ausgeredet. Trump habe gefragt, welche Optionen er habe, militärisch gegen das iranische Atomprogramm vorzugehen. Weiter fortschreiten dürften dagegen Pläne für einen beschleunigten Abzug von US-Soldaten aus Afghanistan und dem Irak – mit weitreichenden Folgen für die Region, aber auch die europäischen Verbündeten.

US-Angriffe auf iranisch kontrollierte Milizen im Irak bleiben denkbar.

Aussenminister Mike Pompeo und Generalstabschef Mark Milley hätten Trump gewarnt, ein Angriff etwa auf wichtige Atomanlagen im Iran könne einen Krieg in der Region auslösen. Danach hätten die Berater die Besprechung mit dem Eindruck verlassen, dass ein Schlag gegen Ziele im Iran vom Tisch sei. Eine Attacke auf vom Iran kontrollierte Milizen, etwa im Irak, sei aber weiterhin denkbar.

Im Irak will der Präsident zudem die amerikanische Präsenz noch einmal reduzieren. Bis zum 15. Januar, fünf Tage vor der Amtsübergabe an seinen gewählten Nachfolger Joe Biden, soll das Kontingent von derzeit etwa 3000 auf 2500 Soldaten verringert werden. Wie aber ein weiterer Rückzug der USA dazu beitragen würde, den ohnehin grossen Einfluss des Iran im Nachbarland zurückzudrängen, hat die Trump-Regierung nie erklärt. Auswirkungen hätte ein Abzug auch auf den Kampf gegen die erstarkende Terrormiliz Islamischer Staat (IS).

Gefährliche Folgen für Afghanistan

Weit drastischer aber wären zweifellos die Folgen für Afghanistan. Auch dort will Trump die US-Truppen noch vor Ende seiner Amtszeit drastisch reduzieren – von derzeit 4500 auf 2500 Soldaten. Wieder einmal überspringt der Präsident damit seinen eigenen Zeitplan, der die afghanische Regierung schon in der ursprünglichen Form in arge Zeitnot gebracht hat. Viele Afghanen sorgen sich, dass die Fortschritte in ihrem Land durch einen überhasteten Abzug nun zunichtegemacht werden und dass die Taliban versuchen werden, die ganze Macht an sich zu reissen und ein Bürgerkrieg ausbricht.

Ende Februar hatten Trumps Unterhändler mit den Taliban in Doha ein bilaterales Abkommen ausgehandelt, wonach die westliche Militärmission nach gut 20 Jahren Ende April 2021 beendet werden soll. Die afghanische Regierung war an diesen Gesprächen nicht beteiligt. Sie muss nun mit den Taliban schnell eine Machtteilung aushandeln, solange die Schutzmacht den Druck der Islamisten noch einigermassen ausbalancieren kann.

«Die Afghanen sind zutiefst beunruhigt über das, was Trump in den letzten Tagen seiner Amtszeit tut.»

Ahmed Rashid, Taliban-Kenner

Die afghanische Regierung hoffe, dass Joe Biden nach seiner Amtseinführung «es anders machen wird und den vollständigen Abzug der US-Truppen verlangsamt», sagte der britisch-pakistanische Publizist und Taliban-Kenner Ahmed Rashid auf Anfrage. «Die Afghanen sind zutiefst beunruhigt über das, was Trump in den letzten Tagen seiner Amtszeit tut. Und sicherlich wird das die Taliban ermutigen, ihre militärische Offensive noch einmal auszuweiten, weil etliche Taliban-Kommandanten die ganze Macht im Land haben wollen.»

Vertreter der Kabuler Regierung und der Taliban verhandeln ebenfalls in Doha über einen Fahrplan für den innerafghanischen Friedensprozess. Allerdings hat es noch keine substanziellen Fortschritte gegeben. Die Taliban haben inzwischen eine Reihe von Anschlägen verübt, um militärische Stärke zu dokumentieren.

In Afghanistan könnte neues IS-Kalifat entstehen

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg warnte den noch amtierenden US-Präsidenten vor einem überhasteten Abzug von Truppen aus Afghanistan. Der Preis für ein zu schnelles oder unkoordiniertes Verlassen des Landes könnte sehr hoch sein, sagte der Norweger am Dienstag nach den Medienberichten aus den USA. Afghanistan drohe wieder ein Rückzugsort für internationale Terroristen zu werden, die Angriffe auf Nato-Länder planten. Ausserdem könnte der IS nach Ansicht von Stoltenberg in Afghanistan ein neues Terrorkalifat aufbauen, das er in Syrien und im Irak verloren hat.

Auch führende Republikaner im US-Kongress warnen vor einem voreiligen Rückzug aus Afghanistan.

Kritik an den Plänen von Donald Trump gibt es auch in den USA. Führende Republikaner im Kongress warnten vor einem voreiligen Rückzug aus Afghanistan. «Es gibt keinen Amerikaner, der sich nicht wünscht, dass der Krieg in Afghanistan gegen Terroristen und ihre Helfer bereits endgültig gewonnen wäre. Aber das ändert nichts an der eigentlichen Entscheidung, die vor uns liegt», erklärte der Mehrheitsführer im US-Senat, Mitch McConnell. «Ein rascher Abzug der US-Streitkräfte aus Afghanistan würde unseren Verbündeten schaden und den Menschen gefallen, die uns Unheil wünschen.» McConnell lobte Trump ausdrücklich mit Blick auf Erfolge im Kampf gegen den Terror auch im Irak und in Syrien, die ein voreiliger Abzug jedoch zunichtemachen könnte.

Auch der ranghöchste Republikaner im Auswärtigen Ausschuss des Repräsentantenhauses, Michael McCaul, äusserte eine Warnung: «Ein voreiliger US-Abzug würde nicht nur die Verhandlungsfähigkeit der afghanischen Regierung gefährden, sondern US-Interessen mit Blick auf die Terrorismusbekämpfung in Gefahr bringen.»

Der Krieg in Afghanistan ist der längste in der Geschichte der USA. Seit 2001, nach den Terrorattacken vom 11. September, sind Soldaten aus den USA und anderen westlichen Nationen in dem Land am Hindukusch stationiert. Seither kämpfen Islamisten in Afghanistan für den Abzug der internationalen Truppen.