Analyse zum WahlkampfauftrittTrump gerät aus dem Tritt
Der US-Präsident hat in den dreieinhalb Jahren seiner Amtszeit noch nie so schwach und vor allem so einsam gewirkt wie in Tulsa.
Vielleicht wird Donald Trumps Auftritt in Tulsa, Oklahoma, dereinst als der Moment in die Geschichte eingehen, in dem das Ende seiner Präsidentschaft absehbar wurde. Es sollte seine triumphale Rückkehr in den Wahlkampf werden.
Der Auftritt des amerikanischen Präsidenten am Samstag war vorab von seinem Team mit Superlativen gefeiert worden. Mehr als eine Million Bestellungen für Tickets habe es gegeben. Der Andrang sei so gross, dass außerhalb der 19’000 Besucher fassenden Halle eine weitere Bühne aufgebaut wurde, um der Massen Herr zu werden.
Die Realität sah dann so aus, dass die Halle zu mindestens einem Drittel leer blieb und sich vor der Aussenbühne lediglich ein paar versprengte Fans des Präsidenten einfanden. Es wirkte wie eine Götterdämmerung, und Trump sprach wie ein Mann, der spürte, dass gerade etwas zu Ende ging.
Trump spielt seine grössten Hits
Es war nicht so, dass er es nicht versucht hätte. Er spielte, wenn man so will, seine grössten Hits. Die Corona-Pandemie schmähte er als das «chinesische Virus». Grosser Jubel in der Halle. Er beschimpfte die Menschen, die seit Wochen gegen systemischen Rassismus und Polizeigewalt demonstrieren, als linke Radikale. Grosser Jubel. Er kramte sogar einen seiner ältesten Erfolge hervor und moserte über Hillary Clinton. Seine Anhänger wussten, was an dieser Stelle zu tun war. Sie skandierten: «Sperrt sie ein!»
So gesehen war alles wie immer bei Trumps Wahlkampfauftritten, die Mechanismen griffen. Und doch fühlte sich alles ganz anders an als vor dem Ausbruch der Pandemie. Trump wirkte deutlich weniger selbstbewusst. Er sprach bisweilen tastend, beinahe so unsicher, wie er kürzlich aussah, als er ängstlichen Schrittes eine Rampe hinuntertapste, erkennbar darum bemüht, das Gleichgewicht zu halten.
Nun ist absolut nichts falsch daran, dass ein 74 Jahre alter Mann sich mit Vorsicht durch die Welt bewegt, aber Trump ist stets darum bemüht, seine vermeintliche Virilität zur Schau zu stellen. Es war bezeichnend, dass er in seiner Rede ausführlich auf jenen Moment des unsicheren Schrittes einging und versuchte, ihn wegzuerklären. Das machte erst recht deutlich, wie sehr er selbst davon getroffen war.
Kein Wort über den Tod von George Floyd
Vor allen Dingen aber war bemerkenswert, was Trump nicht sagte. Mit keinem Wort ging er auf den Tod des Afroamerikaners George Floyd ein, der im vergangenen Monat starb, weil ein weisser Polizist fast neun Minuten auf seinem Hals gekniet hatte. Mit keinem Wort ging er auf das Massaker ein, das Weisse vor 99 Jahren an Schwarzen in Tulsa verübt hatten. Mit keinem Wort ging er darauf ein, dass seine Rede einen Tag nach dem nationalen Gedenktag zum Ende der Sklaverei stattfand.
Trump konzentrierte sich auf die aus seiner Sicht Wesentlichen: auf den ganz harten Kern seiner Basis. Bei diesen, das wusste er, musste er mit Themen wie einem Amerika, in dem Menschen aller Hautfarben die gleichen Rechte und die gleichen Chancen haben, gar nicht erst anfangen. Doch nur mit seiner Basis, das weiss er vermutlich auch, lässt sich die Wahl im November nicht gewinnen.
Es wäre leichtsinnig, Trump abzuschreiben. Er ist zäh, er wird wütender zurückkommen. Dennoch hat er in den dreieinhalb Jahren seiner Amtszeit noch nie so schwach und vor allem so einsam gewirkt wie in Tulsa. Wenn dieser Auftritt auch nur im Kleinsten Programm war, dann ist der Spuk im November vorbei.
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