Trotz knapper Bettenzahl – Kantone helfen dem Elsass
Ein Gutachten warnt vor 4250 fehlenden Betten. Die Kantone relativieren.
«Humanitäre Tradition» und «freundnachbarschaftliche Nothilfe»: So begründen Basel-Stadt, Basel-Land und Jura den gemeinsamen Entscheid, den sie am Sonntag kommunizierten. Demnach nehmen die drei Kantone je zwei schwer an Covid-19 erkrankte Personen aus dem benachbarten Elsass bei sich auf. Sie reagieren damit auf eine dringende Anfrage des Département Haut-Rhin vom Freitag. In Frankreich gibt es für Menschen, die auf Beatmung angewiesen sind, inzwischen kaum mehr Plätze. Die betroffenen sechs Patienten werden in Spitäler nach Basel, Bruderholz BL und Delsberg JU verbracht.
Die Mitteilung lässt insofern aufhorchen, als der Schweiz nach Warnung vieler Experten selber Engpässe drohen. Innerhalb der Schweiz wiederum zählt Basel-Stadt zu den am stärksten von Corona betroffenen Kantonen: Auf 100'000 Einwohner kommen dort gemäss aktuellem Situationsbericht des Bundes rund 204 Covid-Fälle – der dritthöchste Wert nach dem Tessin und der Waadt. Als Gründe für die hohe Betroffenheit vermutet die Regierung die Grenzlage, den intensiven Austausch mit dem Ausland und die urbane Dichte.
Trotzdem ist man im Stadtkanton zuversichtlich: «Wir werden als Region in der Lage sein, den erwarteten Anstieg an Erkrankungen auch mit der Übernahme von zwei französischen Patienten auszuhalten und zu bewältigen», sagt Regierungsrat Lukas Engelberger (CVP). Der Kanton verfüge über eine «grosszügige» Anzahl an Intensivpflegebetten. Konkrete Zahlen will Engelberger nicht nennen – man arbeite aber an einem massiven Kapazitätsausbau, und dieser komme gut voran. Engelberger hält im Übrigen fest: «Es wäre unethisch, in der jetzigen Lage den Nachbarn in Not die Unterstützung zu verweigern.»
Thomas Zeltner, früherer Direktor des Bundesamts für Gesundheit, konstatiert schwere Versäumnisse der Kantone, die für Notsituationen ungenügend gerüstet seien.
Wie gut es um die Schweizer Kranken-Infrastruktur angesichts der nahenden Covid-Welle insgesamt bestellt ist, darüber scheinen die Fachleute uneins. Ein eher beruhigendes Bild vermittelt die aktuelle Umfrage der «SonntagsZeitung» bei Kliniken in rund zehn Kantonen: Von den Angefragten befürchtete niemand, dass Betten und Material im eigenen Spital knapp werden könnten. Pessimistisch äusserten sich dagegen Mediziner im «SonntagsBlick». Insbesondere solche aus dem Tessin erneuerten die Forderung nach einer Ausgangssperre für das ganze Land, um das Ausbreiten der Krankheit zu verlangsamen.
Der Lausanner Epidemiologe Marcel Salathé wiederum übt auf Twitter Kritik an den Behörden: Sein Vertrauen in die Politik sei in diesen Wochen «erschüttert» worden. «Nach der Aufarbeitung – was alles falsch lief und wie total veraltet die Prozesse sind – wird kein politischer Stein auf dem anderen bleiben», schreibt Salathé. Der ETH-Wissenschaftler hatte frühzeitig harte Massnahmen gegen das Coronavirus gefordert und wiederholt kritisiert, dass die Schweiz zu wenig Corona-Tests durchführe.
Zu reden geben dürfte in diesem Zusammenhang auch ein Gutachten, über das Radio SRF am Samstag berichtete. Dessen Autor, Thomas Zeltner, früherer Direktor des Bundesamts für Gesundheit, konstatiert schwere Versäumnisse der Kantone, die für Notsituationen ungenügend gerüstet seien. Konkret hätten sie es verpasst, in ihre Spitalplanungen genügend Betten für ausserordentliche Lagen aufzunehmen. Rund 4250 Betten würden daher fehlen, schreibt Zeltner. Das Gutachten entstand Ende 2018 im Auftrag des Verteidigungsdepartements, wurde aber erst vor kurzem veröffentlicht.
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