Krise der FlugindustrieTrotz Corona: Airbus will Produktion bis 2025 verdoppeln
Der Flugzeugbauer überrascht trotz eines Umsatzeinbruchs in der Reisebranche mit grossen Plänen: In vier Jahren will er bis zu 90 Kurz- und Mittelstreckenjets im Monat ausliefern.
Es ist nur ein gutes Jahr her, da musste Airbus angesichts der Corona-Pandemie gravierende Einschnitte beschliessen. Um rund 40 Prozent kürzte der Luftfahrtkonzern die zivile Flugzeugproduktion. Viele Kunden konnten ihre Maschinen nicht mehr übernehmen, weil sie sich diese nicht mehr leisten konnten oder die verschiedenen Lockdowns es den Piloten unmöglich machten, die Jets in Toulouse oder Hamburg abzuholen.
Doch nun überrascht Airbus die Branche mit ambitionierten Wachstumsplänen. Schon in zwei Jahren will der Konzern mit 64 Jets pro Monat mehr Kurz- und Mittelstreckenmaschinen der A320neo-Baureihe produzieren als noch vor der Krise (63 Jets). 2025 soll die Produktion sogar auf bis zu 75 Maschinen steigen. Und rechnet man den kleineren A220 (ehemals Bombardier C-Series) dazu, dessen Auslieferungen auf 14 nahezu verdreifacht werden sollen, dann könnte Airbus in etwa vier Jahren jeden Monat 90 sogenannte «Narrowbodies» ausliefern, auf das Jahr gerechnet also über 1000 – oder doppelt so viele wie heute.
«Es gibt keinen Grund, warum die Erholung nicht schnell kommen sollte.»
Auch wenn der Luftverkehrssektor weiterhin massiv unter der Corona-Krise leidet und für 2021 voraussichtlich nur etwa auf die Hälfte des Niveaus von 2019 kommen wird, macht sich immer mehr Optimismus breit. «Die langfristigen Folgen werden womöglich nicht so schlimm sein, wie die Leute glauben», so Brian Pearce, Chefökonom der International Air Transport Association (Iata). Die Weltwirtschaft erhole sich schnell, es gebe grossen Nachholbedarf beim Reisen und Ersparnisse, die die Passagiere für Urlaube auszugeben bereit seien. «Es gibt keinen Grund, warum die Erholung nicht schnell kommen sollte», so Pearce. Schon im zweiten Halbjahr 2021 soll die Nachfrage wieder deutlich anziehen – Voraussetzung für den Nachkrisenboom ist allerdings, dass Reiserestriktionen aufgehoben werden.
Schon 2023 sollen wieder mehr Menschen fliegen als vor zwei Jahren, glaubt der Weltluftfahrtverband Iata.
Die Prognosen der Iata gehen davon aus, dass die Passagierzahl im kommenden Jahr bei 88 Prozent des Volumens von 2019 liegen wird, 2023 sogar bei 105 Prozent. Bis 2030 rechnet der Verband mit einem jährlichen Wachstum von 3,9 Prozent bei den Passagieren, von dem demnach aber vor allem die Kurz- und weniger die Langstrecken profitieren dürften.
In diese Entwicklung passen auch die von Airbus angestrebten Produktionsraten, auch wenn sie noch nicht alle fix beschlossen sind. Wirklich fest steht bislang nur, dass die Auslieferungen der A320neo-Reihe von derzeit rund 40 Maschinen pro Monat bis Jahresende auf 45 steigen werden. Die nun für die kommenden Jahre genannten Ziele dienen vor allem dazu, den vielen Lieferanten das Planen zu erleichtern. Viele von ihnen stecken seit der Corona-Krise in wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Das Wachstum bedeutet zunächst erneut Investitionen in Geräte, Materialien und Personal.
Die Aussichten bei den Grossraumflugzeugen sind weiterhin schlecht
Airbus selbst befindet sich in einem industriellen Transformationsprozess, der die höheren Volumina erst ermöglichen soll. In Hamburg hat der Flugzeugbauer bereits 2018 eine neue Endmontagelinie für die A320neo-Reihe eröffnet. Kürzlich hat der Konzern beschlossen, eine weitere Anlage in Toulouse zu schaffen, die dort eine der beiden bestehenden ersetzen soll. Wie die zuletzt in Hamburg eingeführte Endmontage soll auch dieses Projekt zu deutlich mehr Automatisierung führen.
Zugleich baut Airbus auch die Konzernstruktur um. Grosse Teile des Werkes Hamburg sollen zusammen mit der Tochtergesellschaft Premium Aerotec in einen neuen Ableger überführt werden, der für zahlreiche Komponenten und Rumpfsektionen zuständig ist. Die Endmontage selbst soll aber weiter separat laufen – auch um Transparenz bei den Kosten herzustellen und die neue Firma vergleichbarer zu machen mit externen Lieferanten. Airbus betont allerdings, dass die Einheit nicht mehr zum Verkauf steht. In Frankreich werden ebenfalls Airbus-Werke dem Ableger Stelia Aerospace zugeschlagen. Die Fertigung von Kleinteilen, in der rund 3000 Mitarbeiter tätig sind, wird voraussichtlich von Premium Aerotec abgetrennt. Unklar ist aber noch, ob dieser Bereich verkauft wird oder im Konzern verbleibt.
Von der A350-Reihe für Langstrecken baut Airbus derzeit nur fünf Maschinen pro Monat. Vor Corona waren es noch doppelt so viele.
Anders als bei den Kurz- und Mittelstreckenjets sind die Aussichten bei den Grossraumflugzeugen weiterhin schlecht. Das A380-Programm läuft ohnehin mit den letzten Auslieferungen in diesem Jahr aus. Von der A350-Reihe, dem modernsten Langstreckenjet, baut Airbus derzeit nur fünf Maschinen pro Monat. Vor Corona waren es zehn, und erst Ende 2022 soll die Rate auf sechs Jets erhöht werden. Und auch die A330/330neo-Familie soll vorerst bei nur zwei Einheiten pro Monat bleiben – also einem Fünftel des Volumens, das Airbus auf dem Höhepunkt des Langstreckenbooms um 2015 ausgeliefert hat.
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