«Romeo und Julia» von Franco ZeffirelliTraumatisiert von einer Nacktszene – Stars klagen 55 Jahre nach dem Dreh
Zwei Schauspieler verklagen Paramount, weil sie sich missbraucht fühlten. Müssen die Hollywood-Studios eine neue Klagewelle fürchten?
Die Schauspielerin Olivia Hussey und ihr Kollege Leonard Whiting waren 1968 die Hauptdarsteller in Franco Zeffirellis gefeierter Verfilmung von Shakespeares «Romeo und Julia». Der Film war ein Hit an den Kinokassen, wurde für vier Oscars nominiert und gewann zwei.
Er löste aber zumindest im prüden Amerika auch einen kleinen Skandal aus, weil Hussey und Whiting in einer Szene nackt im Bett liegen. Während eines berühmten Dialogs aus dem Stück («Es war die Nachtigall, und nicht die Lerche …») sieht man seinen Hintern und, zumindest in Ansätzen, ihre Brüste. Das galt in den Sechzigern als ziemlich gewagt, in den USA erst recht.
Olivia Hussey war zum Zeitpunkt der Dreharbeiten 15, Leonard Whiting 16 Jahre alt. Wie nun bekannt wurde, haben die beiden, mittlerweile in ihren Siebzigern, am 30. Dezember beim Superior Court in Santa Monica Klage gegen das Hollywoodstudio Paramount («Top Gun: Maverick») eingereicht, das den Film damals ins Kino brachte.
Es soll um bis zu 500 Millionen Dollar Schadenersatz gehen.
Der Vorwurf: Das Studio hätte sie sexuell ausgebeutet und Nacktaufnahmen von Minderjährigen vertrieben. Laut «Variety» steht in der Klageschrift, die beiden hätten in den 55 Jahren seit dem Dreh an einem Trauma gelitten und seien durch die Nacktszene um neue Jobmöglichkeiten gebracht worden. «Romeo und Julia» hätte für beide der Startschuss für eine glamouröse Karriere sein sollen – die dann aber nie kam.
Dass die Klage so viele Jahrzehnte später überhaupt noch möglich ist, liegt an einer Ausnahmeregelung im kalifornischen Recht. Für Kindesmissbrauch wurde die Verjährungsfrist bis zum 31. Dezember 2022 aufgehoben, es wurden noch diverse Klagen unter anderem gegen die katholische Kirche und die Boy Scouts of America, die US-Pfadi, eingereicht. Im Fall der beiden Schauspieler geht es um viel Geld – sie sollen laut «Variety» bis zu 500 Millionen Dollar Schadenersatz verlangen.
Hussey und Whiting werfen dem italienischen Regisseur und Shakespeare-Spezialisten Franco Zeffirelli (der 2019 verstorben ist) vor, dass er ihnen zugesagt habe, es werde keine Nacktszenen geben und sie könnten während der Bettszene hautfarbene Unterwäsche tragen. Gegen Ende der Dreharbeiten habe er sie aber doch aufgefordert, nackt zu sein, weil «der Film sonst scheitern» würde.
Besonders schwer wiegt der Vorwurf, dass er sie zusätzlich auch nackt gefilmt habe, ohne dass sie gewusst hätten, dass die Kamera lief. Clips der Szene kann man sich natürlich auf Youtube ansehen. Darin ist sein nackter Hintern zu sehen, während sie zunächst tatsächlich ein hautfarbenes Oberteil zu tragen scheint. Gegen Ende wirkt es aber so, als seien ihre Brüste kurz zu sehen.
Es gibt eine Reihe von Rollen, die inzwischen problematisch erscheinen.
Der Anwalt der Schauspieler sagt in einem Interview: «Nacktaufnahmen von Minderjährigen sind ungesetzlich und sollten nicht vorgeführt werden.» Er beschreibt die beiden als «junge, naive Kinder der Sechzigerjahre», die keine Ahnung gehabt hätten, was da auf sie zukäme. «Plötzlich waren sie berühmt in einer Dimension, die sie sich niemals hätten vorstellen können, und dabei hat man sie auf eine Art und Weise verletzt, mit der sie nicht umzugehen wussten.»
Dass es vor Gericht trotzdem zu der Frage kommen könnte, warum sie sich ausgerechnet jetzt wehren, ist nicht ganz unwahrscheinlich. Denn Olivia Hussey hatte sich in den letzten Jahren in Interviews noch freundlicher über die Szene geäussert als in der Klage. So sagte sie zum Beispiel 2018, dass Regisseur Zeffirelli die Szene «sehr geschmackvoll» gedreht habe und dass diese für den Film «notwendig» gewesen sei.
Paramount hat sich noch nicht geäussert. Es hängt dabei einiges an der «Romeo und Julia»-Klage, eine neue Dimension in der #MeToo-Debatte werde erschlossen, schreibt der «Guardian». Das könnte für die grossen Studios weiteres Ungemach bedeuten, wenn Schauspielerinnen und Schauspieler ihre Rollen von damals heute in neuem Licht bewerten. Der Lauf der Zeit macht hier genau den Unterschied.
So gibt es eine Reihe prominenter Rollen, die von Minderjährigen gespielt wurden und die inzwischen problematisch erscheinen.
Etwa Brooke Shields, die mit «Pretty Baby» und «Blue Lagoon» vor ihrem 15. Geburtstag zwei sexuell aufgeladene Rollen einnahm. Jodie Foster, die als 13-Jährige in «Taxi Driver» eine Kinderprostituierte spielte. Oder Kirsten Dunst, die als 11-Jährige in «Interview with the Vampire» den 19 Jahre älteren Brad Pitt küssen musste – was sie später als «ekelhaft» bezeichnete. Sie hätte sich dabei unwohl gefühlt, geklagt hat sie aber bisher nicht.
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