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Vorwürfe gegen Filmemacher
Hat Starregisseur Ulrich Seidl Kinder ausgenutzt?

Der 69-jährige Ulrich Seidl provoziert mit Filmen wie «Safari». Nun erhebt der «Spiegel» massive Vorwürfe. 
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Minderjährige Laiendarsteller aus Rumänien sollen beim Dreh von Ulrich Seidls neuem Spielfilm mit Alkoholismus, Gewalt und Nacktheit konfrontiert worden sein. Das schreibt der «Spiegel» in einer umfangreichen Recherche. Für die Darsteller zwischen 9 und 16 Jahren habe es keine ausreichende Vorbereitung oder angemessene Betreuung gegeben. Auch seien die Eltern nicht darüber informiert worden, dass es in «Sparta» um Pädophilie geht. 

Die Dreharbeiten fanden im Winter 2018/2019 und im Sommer 2019 unter anderem in der rumänischen Stadt Satu Mare statt. Mit Flyern habe die österreichische Produktionsfirma nach «athletischen Jungen im Alter zwischen 8 und 17 Jahren» gesucht. Darauf stand, man wolle «Rumänien realistisch wiedergeben und dabei jegliche Vorurteile» vermeiden. 

Eltern in Unwissenheit gelassen

Tatsächlich handelt «Sparta» von Ewald, gespielt vom österreichischen Darsteller Georg Friedrich, der in Rumänien Kindern Judounterricht gibt und dabei seine pädophile Neigung entdeckt. Der «Spiegel» zitiert mehrere Leute von Ulrich Seidls Team, die beim Dreh dabei waren.

In einer Szene soll der 10-jährige Laiendarsteller Marian von einem betrunkenen Rumänen angeschrien und von einem anderen Mann am Arm gestreichelt worden sein. Irgendwann habe Marian zu weinen begonnen. Dem «Spiegel» erzählt der Junge, der alkoholisierte Laiendarsteller haben ihn an seinen eigenen gewalttätigen Alkoholikervater erinnert. Nach Abbruch der Szene habe eine Assistentin von Seidl Marian dazu gedrängt, doch noch weiterzumachen.

Ein anderer Junge erinnert sich an eine Szene, in der er mit dem Hauptdarsteller Georg Friedrich unter der Dusche gestanden habe, während dieser sich im Intimbereich rasiert habe. Dass sich die jungen Darsteller bis auf die Unterhose ausziehen mussten, wussten die Eltern laut «Spiegel» nicht. Die Kinder seien nicht auf ihre Rollen vorbereitet worden und hätten irgendwann nicht mehr zwischen Realität und Fiktion unterscheiden können. 

Seidl soll auch gegen Regeln verstossen haben, die für die Arbeit mit Kindern am Filmset gelten. 

Der preisgekrönte österreichische Filmemacher Ulrich Seidl hat sich mit Filmen wie «Im Keller» oder «Paradies: Liebe» immer wieder der Kritik ausgesetzt. Er stelle die Menschen aus, wenn er ihre Abgründe zeige, und überschreite während des Drehs Grenzen. Seine Methode ist es, Wirklichkeit bis zur Schmerzgrenze zu inszenieren. Auch in seinen dokumentarischen Filmen gibt es zahlreiche Erfindungen. 

Ulrich Seidl hat über seinen Anwalt ausrichten lassen, die Eltern und die minderjährigen Laiendarsteller seien über den Inhalt des Films unterrichtet worden. Sie hätten gewusst, dass der Film von einem Erwachsenen handle, «der sich zu Jungen hingezogen fühlt, eine Art Vaterstelle einnimmt». Von Pädophilie ist aber auch da nicht ausdrücklich die Rede.

ZFF sagt, es «cancle» keine Filme 

Gemäss «Spiegel» soll der Regisseur auch gegen Regeln verstossen haben, die für die Arbeit mit Kindern am Filmset gelten. So seien die Eltern nicht informiert gewesen darüber, dass sie sich beim Jugendamt melden und ein Attest von Kinderarzt und Psychologin vorlegen sollen. 

«Sparta» feiert am 9. September am Festival in Toronto Weltpremiere. Das Drama ist ein Pendant zu «Rimini», Seidls Porträt des fiktiven Schlagerstars Richie Bravo, dem Bruder von Ewald in «Sparta».

«Rimini» wurde an der letzten Berlinale gezeigt und soll auch am kommenden Zurich Film Festival laufen. Wird der Film nun gestrichen? Das Festival will nichts zu Titeln sagen, die noch nicht angekündigt sind, und schreibt: «Generell gilt: Wir canceln keine Filme aufgrund von umstrittenen Vorwürfen gegen Filmschaffende.»

«Rimini», Schweizer Filmstart am 6. Oktober, ist das Pendant zu «Sparta». Das Drama handelt von einem österreichischen Schlagersänger in Italien. 

Von einigen Vorfällen am «Sparta»-Set gibt es verschiedene Darstellungen, was im provokativen «Spiegel»-Tonfall eher untergeht. So gibt es Anschuldigungen, dass eine Assistentin ein Kind geschüttelt habe, was diese aber bestreitet. Auch hatte keiner der Journalisten Einblick in den fertigen Film. Gesehen hat ihn dafür Cyril Thurston, Schweizer Verleiher von «Rimini». 

Er sagt, er könne die Aussage von Seidls Anwalt bestätigen, die dieser nach dem «Spiegel»-Bericht veröffentlichte: «Es ist kein Kind nackt oder in einer sexualisierten Situation, Pose oder Kontext gedreht worden.» Solche Szenen seien niemals Seidls Intention gewesen, so das Statement weiter, und seien auch nicht gedreht worden. «Nie haben wir beim Dreh die Grenzen des ethisch und moralisch Gebotenen überschritten.»