WM-GlotzblogToni Brunner brilliert am SRF-Stammtisch – endlich!
An jedem WM-Abend diskutieren Tom Gisler und Mämä Sykora mit Gästen am TV-Stammtisch. Das ist meist so aufregend wie ein Schweizer Match für Unbeteiligte – aber dann kam Toni Brunner.
«Wenn ihr mal wieder ein bisschen Unterhaltung am Schweizer Fernsehen wollt: Ich stehe zur Verfügung.» Das war Toni Brunners Schlusssatz in der SRF-Talksendung «Sykora Gisler Spezial» vom Montagabend. Und manch Zuschauer und Zuschauerin – vor allem jene, die politisch linksaussen sind – dürfte sich zur eigenen Überraschung gedacht haben: «Oh ja, bitte Toni Brunner, komm bald wieder!» Aber der Reihe nach.
Jeden Abend nach dem letzten WM-Spiel des Abends strahlt SRF 2 einen Livetalk aus.
Das Konzept der Sendung geht so: Der Radiomoderator Tom Gisler und der «Zwölf»-Chefredaktor Mämä Sykora begrüssen mehr oder weniger fussballbegeisterte Promis am TV-Stammtisch und diskutieren mit ihnen über die WM und Themen abseits der Tagesaktualität.
Vertrocknete Gipfeli und Brezel
In der Mitte des Studios steht ein grosser runder Tisch, darauf jeweils ein Korb mit vermutlich sehr trockenen Gipfeli oder Brezeln, ein paar Stangen Bier und ein gusseisernes «Stammtisch»-Schild – halt wie in einer richtigen Beiz.
Daran sitzen jeweils links der Gisler und rechts der Sykora und in der Mitte der Gast – gefilmt von einer Kameraperson, die – der wackligen Kameraführung nach zu urteilen – sich wohl jeweils auch munter am Bierzapfhahn im Studio bedient.
Eingeladen waren bislang unter anderem der Schwingerkönig Christian Stucki, Schauspieler Anatole Taubman, Trainerlegende Arno Del Curto oder der Ex-Fussballer Mario Cantaluppi und daneben noch eine Reihe etwas weniger bekannte «Promis» wie die Moderatorin Mira Weingart oder der Anwalt-Schrägstrich-Rapper Mario Wälti aka «Emm».
Das Konzept geht nur so mittel auf
«Wie im gleichnamigen Podcast erwartet das Publikum keine taktischen Analysen, sondern unterhaltende Gespräche mit starken Meinungen, viel Herz und einer guten Prise Humor», versprach SRF vorab.
Mit «gleichnamigen Podcast» ist der Fussball-Podcast «Sykora Gisler» gemeint, der seit ziemlich genau drei Jahren bei SRF zu hören ist – Anfang jede Woche, inzwischen alle zwei. Fast 90 Folgen wurden bereits ausgestrahlt. Das Problem: Anders als das Konzept des Podcasts wollte das Konzept der WM-Spezialsendung im Fernsehen bislang noch nicht so recht aufgehen.
Da schauen auch Fussballfans zu, die meinen, man müsse an Spielen der Schweizer Nati zwingend einen dieser lustigen rot-weissen Hüte tragen.
Das dürfte unter anderem an der Zielgruppe liegen. Beim gewohnten Podcast ist diese klar definiert: Den dürften vor allem Leute hören, die sich wirklich für Fussball interessieren und auch dranbleiben, wenn das Gespräch insiderig wird, was bekanntlich schnell passieren kann, wenn Fussballfanatiker miteinander diskutieren.
Wie ein Spiel der Schweizer Nati für Unbeteiligte
Bei der WM-Spezialsendung am Fernsehen hingegen dürfte das Publikum durchmischter sein. Da schauen auch Fussballfans zu, die sich nur für WMs, EMs oder Champions-League-Finals zuschalten und die meinen, man müsse an Spielen der Schweizer Nati zum Fan-Shirt zwingend auch einen dieser lustigen rot-weissen Hüte tragen und mit einer Vuvuzela oder Rätsche Stimmung machen.
Und genau diese Temporär-Fans erhöhen den Druck. Sykora und Gisler müssen diese genauso bei Laune halten wie die Dauerfans. Sie müssen also noch mehr darauf achten, dass es spannend bleibt, und dürfen sich nicht in nerdigen Diskussionen verlieren. Dieser Spagat zwischen ernsthafter Hintergrunddiskussion und Unterhaltung schien bislang etwas gar zu schmerzen. Mit Ausnahme der Sendung, in der Tom Baumann von der A-cappella-Truppe Bliss zu Gast war oder in jener mit Anatole Taubman.
Die übrigen Sendungen dümpelten vor sich hin und waren wohl ungefähr so, wie sich Spiele der Schweizer Nati für Unbeteiligte anfühlen müssen: Da ist auch meist weder richtiger begeisternder Fussball noch richtig überschwängliche Stimmung.
Aber eben: Dann kam zum Glück Toni Brunner. Der frühere SVP-Nationalrat und heutige Beizer fühlte sich am Stammtisch sichtlich wohl. Es waren nicht wie üblich Sykora und Gisler, die sich bemühten, Stimmung ins Studio zu bringen. Das erledigte Brunner.
Denn er wusste allerhand Stammtischtaugliches zu erzählen: von seinem Kurztrip nach Doha am Wochenende, wo er neben dem Spiel Schweiz - Kamerun («Von der Stimmung her das emotionsloseste») unter anderem auch Mexiko - Argentinien schaute. «Eine fantastische Atmosphäre» sei das gewesen im Finalstadion mit 90’000 Zuschauern. «Einige waren auch als Scheichs verkleidet.» Und, betonte er: «Es war pumpevoll.»
Pumpevoll beziehungsweise besoffen seien auch viele Fans gewesen, trotz Alkoholverbot. Es erinnerte Fussballkenner Brunner an ein Spiel im Celtic Park in Glasgow, wo die Fans ebenfalls vor- und nachgeglüht hätten.
«Ich war rechter Flügelsturm, ist ja logisch.»
Dann plauderte er noch ein bisschen von den guten alten Zeiten, als er im FC Nationalrat und im Promi-Team von Gilbert Gress spielte («Ich war rechter Flügelsturm, ist ja logisch»). Er erklärte, dass er Fan des früheren GC-Spielers Charly In-Albon sei und dieses Jahr einen Fanclub gegründet habe («Ich mag Spieler, die nicht den sterbenden Schwan spielen») und dass sein stabiles Selbstbewusstsein davon herrühre, dass er als GC-Fan aufgewachsen sei und jeweils Wochenenden mit Siegen habe erleben dürfen.
«Ich vermute, meine Politkarriere wäre anders herausgekommen, wenn ich wie mein Bruder St.-Gallen-Fan gewesen wäre.» Und da war «Sykora Gisler Spezial» leider auch schon zu Ende. Beizer Toni Brunner stand auf, ging an den SRF-Zapfhahn und liess Tom Gisler ein Bier raus.
Fehler gefunden?Jetzt melden.