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Abschusshürde für Wölfe senken
Tötet der Wolf einen Esel, soll auch er sterben

Heute ist nicht klar definiert, wie viele Esel ein Wolf reissen darf, bis er auf die Abschussliste kommt. 
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Die Kuh hatte ihr Kalb im Engadiner Rosegtal zur Welt gebracht. Doch der Bauer fand es trotz langer Suche nicht. Tags darauf brach er wieder auf – und wurde fündig: ein Hinterlauf, ein Vorderlauf, ein Rippenstück. Mehr hatte der Wolf nicht übrig gelassen.

Der Vorfall, in seiner Art bis jetzt selten, hat sich im letzten Sommer ereignet. Gleichwohl war es zuletzt nicht der einzige, bei dem es Wölfe auf andere Nutztiere als Schafe und Ziegen abgesehen hatten. Im September etwa wurde oberhalb der Bündner Gemeinde Andeer ein ausgewachsener Esel gerissen. «Die Wölfe zeigen keinerlei Respekt mehr», sagt Thomas Egger, Direktor der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft für die Berggebiete (SAB). Getötete Schafe oder Ziege seien schon schlimm genug. Das hier sei aber eine «andere Dimension». Für den Walliser Alt-Nationalrat ist deshalb klar: Reisst ein Wolf auch nur ein Tier der Rinder- oder Pferdegattung, müssen die Behörden ihn künftig zum Abschuss freigeben.

Eine klare Regelung für diesen Fall gibt es heute nicht. Die Kantone können eine Abschussbewilligung erteilen, wenn ein Wolf mindestens 35 Nutztiere innerhalb von vier Monaten tötet oder mindestens 25 Nutztiere innerhalb eines Monats. Bei Tieren der Rinder- und Pferdegattung kann diese Mindestzahl «in angemessenem Umfang reduziert» werden, heisst es in der Jagdverordnung dazu bloss.

Ungelöster Streit

Eggers Forderung steht exemplarisch für den ungelösten Streit um den richtigen Umgang mit dem Wolf. Im letzten Herbst verwarf das Stimmvolk das neue Jagdgesetz knapp. Damit bleiben die bisherigen Regeln bestehen – nicht nur beim Umgang mit dem Wolf, sondern auch rund um andere geschützte Arten wie den Steinbock oder bei den Schutzgebieten, den Zugvogelreservaten und den Wildtierkorridoren. Bis eine neue Gesetzesrevision steht, vergeht Zeit – zu viel Zeit, finden die Umweltkommissionen von National- und Ständerat «in Anbetracht der Dynamik der Schweizer Wolfspopulation». Mittlerweile leben hierzulande circa 100 Tiere. Der Bundesrat soll deshalb schnell handeln – mit einer Justierung der Jagdverordnung.

Der Nationalrat stimmt am Dienstag über eine entsprechende Kommissionsmotion ab, der Ständerat in der dritten Sessionswoche. Das Parlament dürfte die Vorstösse überweisen. Der Auftrag an den Bundesrat ist klar: Für eine Abschussbewilligung soll es künftig weniger gerissene Ziegen und Schafe brauchen. Auch soll es eine exakt definierte Schwelle bei Fällen von gerissenen Rindern, Eseln und Pferden geben. Nur, wo genau?

«In Graubünden liegen die Nerven blank.»

Martin Candinas, Nationalrat Die Mitte

Die Umweltverbände, die Abstimmungssieger vom letzten Herbst, geben sich gesprächsbereit. «Wir haben Verständnis für die Anliegen der Bergbevölkerung», sagt Urs Leugger-Eggimann, Zentralsekretär von Pro Natura. «Dies kann auch heissen, dass wir tiefere Schwellenwerte für Abschüsse akzeptieren.» Genaue Zahlen könne er allerdings noch nicht nennen. Entsprechend kommentiert der Umweltschützer auch Eggers Forderung nicht.

Wie weit die Umweltverbände tiefere Abschusshürden akzeptieren, wird auch davon abhängen, was der Bundesrat beim Herdenschutz als zumutbar definiert und wie sich aus seiner Sicht der Umgang mit dem Wolf insgesamt entwickeln soll. Es gelte, auch das Ergebnis der Volksabstimmung ernst zu nehmen, so Leugger-Eggimann. Zudem dürfe das Parlament keinesfalls die weiterhin offene Revision des Jagdgesetzes aus den Augen verlieren. Wichtige Fragen müssten geklärt werden, etwa dass aktuell bedrohte Tierarten wie Birkhahn und Schneehuhn weiterhin gejagt werden dürften.

Parlamentarier aus den Bergkantonen drücken jedenfalls aufs Tempo. «Der Bundesrat muss die Erteilung von Abschussbewilligungen massiv lockern», sagt der Bündner Mitte-Nationalrat Martin Candinas. «Bei uns in Graubünden, vor allem auch in der Surselva, liegen die Nerven blank.» Die Verordnungsrevision müsse in einem dringenden Verfahren zwingend noch in diesem Frühjahr erfolgen. «Sonst geht die Alpwirtschaft, ja die ganze Berglandwirtschaft kaputt.»