Sonny BargerTod eines Hells Angel
Der Anführer der kalifornischen Hells Angels ist mit 83 Jahren an Krebs gestorben. Er hatte die Gewalt am Altamont-Konzert der Stones im Dezember 1969 mitausgelöst.
Er schlug sofort zurück. «Wir wollten uns nicht als Polizisten aufführen. Aber wer sich an unseren Maschinen zu schaffen macht, kommt dran (is gonna get hurt)», sagte Sonny Barger, Chef der lokalen Hells Angels, am Radio in seiner wutentbrannten Art. Der Lokalsender KSAN aus San Francisco hatte ihn am Telefon. Er wollte herausfinden, warum es an diesem kalifornischen Open Air zur Katastrophe gekommen war.
Ende August 1969 hatte das Woodstock-Festival in Upstate New York vor einer geschätzten halben Million Menschen die Friedensutopie der Sechzigerjahre beschworen. Und war dabei selber, ironischerweise mithilfe der US-Armee, knapp an einer Katastrophe vorbeigeschrammt. Erst im stark zensierten, ins Hymnische beschönigten Film von Michael Wadleigh wurde aus dem dreitägigen Festival eine dreieinhalbstündige Utopie.
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Die wahre Katastrophe ereignete sich Anfang Dezember auf einer ehemaligen Autorennbahn in Altamont, Kalifornien, mit 300’000 frierenden und verladenen Zuschauerinnen und Zuschauern. Das eintägige Gratisfestival mit Gruppen wie Santana, Jefferson Airplane oder Crosby, Stills, Nash & Young brachte die Rolling Stones als Headliner und endete in Gewalt und Chaos. Vier Menschen starben. Hunderte wurden verletzt oder kamen auf den Horrortrip.
Die harsche Kritik traf die Stones am meisten, die mit diesem Konzert ihre US-Tournee vor laufenden Kameras triumphal hatten beenden wollen. Auf Anraten der Grateful Dead hatten die Engländer lokale Mitglieder der Hells Angels als Sicherheitsleute engagiert, auch weil sie mit englischen Vertretern an ihrem Konzert im Londoner Hyde Park gute Erfahrungen gemacht hatten.
Vor der Bühne erstochen
Für Altamont war es ein fataler Entscheid, wie sich schnell herausstellte. Die Angels schlugen mit bleibeschwerten Stöcken auf die Leute ein, attackierten auch den Musiker Martin Balin und bestätigten ihren Ruf als Kriminelle mit hoher Gewaltbereitschaft. Vor laufenden Kameras erstach einer der Schläger während des Stones-Konzerts Meredith Hunter, einen 18-jährigen Afroamerikaner, der zu seiner Verteidigung eine Pistole gezogen hatte. Der eindringliche, von zwei jungen amerikanischen Dokumentaristen und einer Dokumentaristin gedrehte Film «Gimme Shelter» zeigt die Mordszene live, da sie sich direkt vor der Bühne ereignete.
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Sonny Barger hatte bei den lokalen Hells Angels eine führende Rolle gespielt und trug damit die Hauptverantwortung für die Eskalation von Altamont. Die Gruppierung hatte sich in den USA aus versprengten Veteranen des Zweiten Weltkriegs konstituiert. Die Angels standen für systematische Gewaltanwendung, Drogenhandel, Prostitution, Erpressungen – und natürlich für ihre Motorräder der Marke Harley Davidson.
Ralph Hubert «Sonny» Barger, ist in den Nachrufen zu lesen, gründete schon 1958 eine kalifornische Ortsgruppe der Angels und setzte sich rasch als ihr Anführer durch. Zunächst wurden sie als friedlicher Teil der amerikanischen Gegenkultur wahrgenommen, brutalisierten sich im Schatten des Vietnamkriegs aber zusehends, obwohl Präsident Lyndon Johnson Bargers Angebot ablehnte, sie für die USA in den Krieg ziehen zu lassen.
Mit ihrer Gewalt gegen die Zuschauer von Altamont halfen die Angels mit, die Utopien der Sechzigerjahre zu begraben. Die Stones mussten von der Bühne aus zusehen, wie das Publikum von ihren eigenen Sicherheitsleuten terrorisiert wurde. «Why are we fighting?», rief der 26-jährige Mick Jagger ins Publikum, er hatte komplett die Kontrolle verloren und war ausser sich vor Angst und Schock. Schon am Nachmittag hatte ihn ein Zuschauer mitten ins Gesicht geschlagen.
Paranoia, Chaos und gepanschte Drogen
Das Musikmagazin «Rolling Stone» aus San Francisco warf den Stones in einer berühmt gewordenen Recherche vor, sie seien nur an ihrem eigenen Auftritt interessiert gewesen und hätten sich kein bisschen um die Zustände vor Ort gekümmert. Tatsächlich war das Festival an diesem kalten Dezembertag von Anfang an von Gewalt, Paranoia und chaotischen Verhältnissen geplagt gewesen.
Wozu beitrug, dass der Standort erst spät bestimmt worden war, nachdem der Golden Gate Park von San Francisco als Auftrittsort an den Behörden und der Polizei gescheitert war. In Altamont verdüsterten gepanschte Drogen, Alkohol, mangelnde Infrastruktur, die schiere Menge von 300’000 Menschen und die Gewalt der Hells Angels den Anlass zu einem Albtraum. Das zum Desaster verkommene Musikfest schockierte die Öffentlichkeit. Und führte dazu, dass fast alle Open Airs, die seither abgehalten wurden, friedlich und vor allem sicher verliefen. Das gilt mit wenigen Ausnahmen bis heute.
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Sonny Barger, der mit einem Hakenkreuz-dekorierten Nazigürtel herumlief, musste später für Jahrzehnte ins Gefängnis, er war wegen Waffenbesitzes, Gewalttaten und Drogendelikten verurteilt worden. Als er aus der Haft entlassen wurde, schrieb er eine Autobiografie und zwei Romane. Mit seiner vierten Frau Zorona züchtete er Pferde und trat auch in einer Fernsehserie auf. In Interviews gab er sich demonstrativ friedlich. «Um fünf Uhr gehe ich nach Hause», zitiert ihn «Der Spiegel» in seinem Nachruf, «ich bin viel zu müde, um später in einer Bar noch jemanden umzubringen.» Am Donnerstag ist Sonny Barger mit 83 Jahren an den Folgen seines Kehlkopfkrebses gestorben. Er hatte sich für geläutert gehalten.
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