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Quarantäne ist möglich
Tirol wird abermals zum Corona-Hotspot

Gedenken an die Corona-Toten auf dem Landhausplatz in Innsbruck am 31. Dezember 2020. Nach dem Desaster von Ischgl im vergangenen März droht Tirol wieder die komplette Abschottung.  
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Die Wissenschaftler schlagen Alarm. Tirol habe ein massives Problem, warnt der Immunologe Andreas Bergthaler in einem Radiointerview: So viele Fälle der südafrikanischen Mutation des Coronavirus gebe es in keiner anderen Region Österreichs oder Europas. Noch deutlicher wird die an der Universität Innsbruck lehrende Virologin Dorothee von Laer: Mit der südafrikanischen Mutation scheine Tirol «hier an der Front in Europa zu sein».

Von Laer macht in Innsbruck selbst Sequenzierungen des Virus, weil die Landesbehörden Proben erst nach Wien schickten und überdies die Öffentlichkeit nur sehr spärlich informierten. Sie fand Infektionsfälle mit dem mutierten Virus in mehreren Seitentälern des Inntals, aber auch in der Landeshauptstadt Innsbruck: «Das ist kein lokaler Ausbruch mehr», sagt sie. Die südafrikanische Variante mit der Bezeichnung B.1.351 soll das menschliche Immunsystem besser als alle anderen bekannten Mutationen überlisten können. So sollen sich auch bereits infizierte Menschen noch einmal anstecken können. Während die Corona-Impfung im Rest der Welt einen Schutz von an die 95 Prozent biete, liege er in Südafrika nur bei 50 Prozent, erklärt Immunologe Bergthaler.

Streit um neuerliche Quarantäne

Die Schweiz hat bisher nur das Bundesland Salzburg als Risikogebiet innerhalb von Österreich deklariert. Tirol ist nicht auf dem Radar, obwohl es dort im oberen Inntal eine gemeinsame Grenze mit Graubünden gibt. Wer mit dem Auto oder dem Postbus in Martina-Cunfin einreist, muss lediglich ein Formular mit seinen Kontaktdaten ausfüllen. Man beobachte die Situation in Tirol jedoch aufmerksam, teilt das Gesundheitsamt Graubünden mit.

In Österreich wird nun überlegt, Tirol gänzlich abzuschotten oder zumindest die für kommenden Montag geplante Aufhebung des Lockdown für das westliche Bundesland zu verschieben. Virologin Laer könnte sich auch eine einmonatige Quarantäne für ganz Tirol vorstellen: «Ich möchte nicht Ischgl 2 erleben», sagt sie im Radio. Tirols Landeshauptmann Günther Platter von der ÖVP lehnt die Isolation des Bundeslandes jedoch klar ab: Das gebe «die Datenlage nicht her».

Virologin Dorothee von Laer: «Das ist kein lokaler Ausbruch mehr.»

Bisher sollen 75 Infektionsfälle mit der Südafrika-Variante in Tirol entdeckt worden sein. Hotspot ist das Zillertal, eine der bekanntesten Destinationen für Skifahrer aus aller Welt. Tatsächlich wird der seit kurz nach Weihnachten geltende Lockdown in den Tiroler Tourismusorten nicht ganz so ernst genommen. Nach einer Razzia in St. Anton am Arlberg vergangene Woche zeigte die Polizei gleich 96 Ski-Urlauber an. Sie kamen aus Grossbritannien, Australien, Irland, Deutschland, Polen. Sie hatten zur Tarnung Zweitwohnsitze angemeldet und gaben an, auf Arbeitssuche zu sein.

Doch womöglich wurde die aggressive Variante B.1.315 auch von Einheimischen ins Land geschleppt. In Tirol berichteten mehrere Medien von hartnäckigen Gerüchten, ein Zillertaler Hotelbesitzer und seine Frau hätten das Virus vom weihnachtlichen Golfen in Südafrika mitgebracht. Die beiden dementieren: Sie seien negativ getestet worden.

Staatsgrenze im Inntal bei Martina mit Postbussen aus Italien, Österreich und der Schweiz: Graubünden will die Virus-Situation im benachbarten Tirol vorerst nur genau beobachten. 

Der Krisenmanager der Tiroler Landesregierung, Elmar Rizzoli, sagte in einem Interview, dass die Behörden noch keine gesicherten Informationen über den Weg der Südafrika-Mutation nach Tirol hätten. Die Skigebiete sollen weiterhin offen bleiben. Scharfe Kritik an den Gesundheitsbehörden kommt von dem Journalisten Sebastian Reinfeldt, der die Geschichte des Corona-Ausbruchs in Ischgl als Buch veröffentlichte («Alles richtig gemacht?»): Wieder würden Politiker, Beamte, Seilbahnbetreiber und Touristiker hinter den Kulissen agieren.

Im vergangenen Oktober hatte eine Expertenkommission viele Fehler der Behörden beim Corona-Cluster in Ischgl offengelegt. Die Landespolitiker versprachen daraufhin bessere Kommunikation und mehr Transparenz. Tatsächlich habe sich nichts verändert, sagt Sebastian Reinfeldt: «Auch 2021 sind die Tiroler Behörden nicht in der Lage, die Bevölkerung rechtzeitig vor der gefährlichen Virusmutation zu warnen.»