Tiktok droht US-VerbotDer nette Tech-Boss gerät so richtig unter Druck
Es wird ernst für Shou Zi Chew: In den USA droht seine beliebte App verboten zu werden. Der Mann fällt in der Branche durch ungewöhnliche Eigenschaften auf.
Für einen Social-Media-Konzern ist Shou Zi Chew der ideale Mann, den man in die Öffentlichkeit schicken kann. Seit 2021 ist er der Chef von Tiktok und Finanzchef von Bytedance, der Mutterfirma des Kurzvideoportals. Das Start-up aus Peking hat innerhalb von fünfeinhalb Jahren aus einer App, mit der chinesische Teenies zu Popsongs Playback machen konnten, das derzeit weltweit erfolgreichste soziale Medium gemacht. (Mehr dazu: Auch nach dem Melden: Tiktok entfernt Inhalte über Suizid praktisch nie)
Wie alle Chefs sozialer Medien wurde Chew schon ein paarmal von Ausschüssen des amerikanischen Parlaments vorgeladen. Er war da zwischen dem Roboter Mark Zuckerberg, dem Egomanen Elon Musk und dem Bürokraten Sundar Pichai oft der einzige Sympathieträger. Auch auf Tech-Gipfeln tritt er regelmässig in einem Milieu auf, das nicht für Menschlichkeit und Empathie bekannt ist, und bedient im positiven Umkehrschluss Vorurteile.
Bei der Ted Conference im vergangenen Jahr in Vancouver durfte er etwa zum Interview mit Konferenzleiter Chris Anderson auf die Bühne, ein Privileg für Stargäste wie Musk oder früher Julian Assange. Da sass er in Jeans, T-Shirt und blassblauem Jackett. Anderson gratulierte Chew im Scherz, er habe wirklich etwas Bemerkenswertes hinbekommen: einen Konsens der beiden amerikanischen Parteien. Diese hatten ihn gemeinsam ein paar Wochen zuvor in dem im Silicon Valley gefürchteten Energy and Commerce Committee auseinandergenommen. (Lesen Sie hier, wie sich der Tiktok-Chef verteidigte.)
Tiktok-Boss Chew bleibt geduldig
Sie machten es ihm dort allerdings leicht. Wenn ihm etwa der Abgeordnete Buddy Scott aus Georgia Überwachungstechniken unterstellte, die er mit wenigen Sätzen abstreiten konnte. Oder wenn ihn Scotts Kollege Tom Cotton aus Arizona mit einer Flut von Fragen zu seinen Beziehungen, Verbindungen und Loyalitäten nach und zu China löcherte, die an die Schauprozesse der McCarthy-Ära erinnerten. Chew blieb aber auch da geduldig und antwortete auf Cottons Bohren freundlich, nein, er sei Singapurer, habe seinem Land auch gedient, und nein, obwohl seine Frau und seine Kinder Amerikanerinnen seien, habe er noch nie die amerikanische Staatsbürgerschaft angestrebt.
Shou Zi Chew gehört ohnehin zur Sorte moderner Kosmopoliten, bei denen die Staatsangehörigkeit eine biografische Fussnote ist. Er wurde zwar am 1. Januar 1983 in Singapur geboren, hat dort die Highschool abgeschlossen und den Wehrdienst bei der Luftwaffe geleistet. Aber dann studierte er am University College in London und arbeitete nach seinem Abschluss dort erst einmal für den Bankenkonzern Goldman Sachs sowie für die russische Internet-Investmentfirma DST, wo er vor allem für Projekte in China wie Alibaba, Xiaomi und seinen späteren Arbeitgeber Bytedance zuständig war.
2010 ging er noch mal zum Studieren an die Harvard Business School. Während dieser Zeit machte er auch ein Praktikum bei Facebook, das damals noch einen Preis als «Bestes Start-up» gewann. 2015 wurde er zum Elektrowarengiganten Xiaomi nach Peking geholt und wurde dort der erste nicht chinesische Chef fürs ausländische Geschäft. 2021 wechselte er zu Bytedance, erst als Finanzchef, dann als Ersatz für den erst Monate zuvor von Disney abgeworbenen Kevin Mayer. Dieser war gegangen, nachdem Donald Trump mit einer Verbotsdrohung versucht hatte, Bytedance zum Verkauf von Tiktok an eine US-Firma zu zwingen.
Der Druck muss gross sein
Die Leichtigkeit und Souveränität, mit der Shou Zi Chew in der Weltöffentlichkeit auftritt, sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass er von allen Tech-Chefs den derzeit härtesten Job hat. Die USA versuchen nun erneut, den Konzern durch einen Bann in die Knie zu zwingen.
Bisher konnte Chew jedenfalls nicht glaubhaft machen, dass die chinesische Regierung nicht doch Einfluss auf das Netzwerk hat. Man weiss daher nicht, welchem Druck und welchen Machtkämpfen er hinter den Kulissen ausgesetzt ist. Aber man ahnt es.
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