US-Sanktionen treffen UngarnTiefpunkt in Beziehungen zwischen Washington und Budapest
Während Ungarn weiter auf russisches Gas setzt, verhängt die US-Regierung Sanktionen gegen eine russische Bank mit Sitz in Budapest.
Die diplomatischen Beziehungen zwischen den USA und Ungarn sind an einem Tiefpunkt angelangt – und mit ihren gegenseitigen Provokationen und Aggressionen wohl präzedenzlos in der jüngeren Geschichte der transatlantischen Kooperation. Zwischen den US-Demokraten und Fidesz steht es nicht zum Besten, seit Viktor Orban 2010 an die Macht kam. Aber mittlerweile, heisst es aus diplomatischen Kreisen in Budapest, sei die Stimmung gegenüber den USA regelrecht feindselig. Das hat viel mit dem derzeitigen Botschafter zu tun und noch viel mehr mit der Russlandpolitik von Viktor Orban.
Die ungarische Regierungspresse titelt gern mal «Clown-Diplomatie» oder «Wer solche Freunde hat, braucht keine Feinde mehr». Sie rüpelt gegen den Botschafter, dessen Lebensweise den Rechtspopulisten der Fidesz-Partei nicht gefällt. Die Führung des EU-Staates und Nato-Partners stellt sich auch offen gegen den amtierenden Präsidenten der Grossmacht: Erst jüngst hatte Ministerpräsident Viktor Orban per Twitter dem Ex-Präsidenten der USA, gegen den mehrere Ermittlungsverfahren laufen, viel Glück vor Gericht gewünscht: «Kämpfen Sie weiter, Herr Präsident! Wir sind mit Ihnen» – und damit auch Joe Biden brüskiert.
US-Botschafter in Budapest gilt als Feindbild
Umgekehrt hatte die US-Botschaft ein Quiz veröffentlicht, in dem die Politik des offiziell befreundeten Landes an den Pranger gestellt wird. Die Amerikaner stellten ein Video mit antiamerikanischen und prorussischen Zitaten ins Netz – unter dem Titel «Wer hat es gesagt?» Fast alle kruden Aussagen stammten von ungarischen Politikern, und nicht etwa von Wladimir Putin.
An diesem Mittwochnachmittag nun hielt der US-Botschafter in Budapest, David Pressman, den das Online-Magazin «Politico» in einer ausführlichen Analyse des ungarisch-amerikanischen Verhältnisses «public enemy No 1» nennt, eine Medienkonferenz ab, über die im Vorfeld viel spekuliert worden war.
Wie Pressman erklärte, hat das US-Finanzministerium die von Russland kontrollierte, in Budapest ansässige Internationale Investitionsbank (IIB) mit Sanktionen belegt. Die Sanktionen richten sich auch gegen das Führungspersonal der IIB, zwei Russen und einen Ungarn. Die Sanktionen bedeuten unter anderem, dass Konten und Guthaben der betroffenen Institutionen und Personen in den USA eingefroren werden und dass die betroffenen Personen nicht in die USA einreisen dürfen.
Pressman, Menschenrechtsanwalt und langjähriger Diplomat, war 2022 von Joe Biden an die Donau entsandt worden, nachdem sein Vorgänger, ein Schmuckunternehmer und Freund von Donald Trump, mit dessen Abwahl bereits 2020 den Posten verlassen hatte. Während des Hearings für Pressman im US-Senat für dessen Akkreditierung trieb ein Gummiboot auf der Donau in Budapest nahe der US-Botschaft, das den Ton setzte für den Neuen: «Mr. Pressman, kolonialisieren Sie Ungarn nicht mit Ihrem Todeskult!» stand auf einem Schild, das am Boot befestigt war. Pressman soll bis heute ein Foto davon auf seinem Schreibtisch haben.
Ungarns Aussenminister reiste mehrmals nach Moskau, um die Verlängerung von Gaslieferverträgen auszuhandeln.
Der Kontext: Pressman lebt mit einem Mann zusammen und hat mit diesem zwei Kinder. Und er äussert sich kritisch über die Politik von Fidesz. Man könnte sagen: Pressman ist eine Provokation für eine Regierung, die eine aggressiv queer-feindliche Politik betreibt. Gegen das vom ungarischen Parlament erlassene LGBTQ-Gesetz, das «homosexuelle Propaganda» im Umfeld von Kindern und in Medien unter Strafe stellt, klagen derzeit fünfzehn Staaten vor dem Europäischen Gerichtshof.
Aber das ist nur ein Aspekt der grottenschlechten Beziehungen. Hinzu kommen, von US-Seite, gravierende politische Vorwürfe wie Antisemitismus, Antiamerikanismus und die Anbiederung an Russland und China. Orban betreibt in den Augen seiner Partner das Geschäft Putins: Russische Propaganda spiegelt sich in der Regierungspresse, begleitet von massiven Angriffen auf die Russlandpolitik der EU.
Energieabhängigkeit Ungarns von Russland
Seit dem Angriffskrieg Moskaus gegen die Ukraine ist der Graben zwischen Budapest und der EU, aber auch den USA in der Frage des Verhältnisses zum Kreml noch tiefer geworden. Orban war noch kurz vor Beginn des Krieges demonstrativ zu Wladimir Putin gereist, mit dem er seit Jahren eine enge Besuchsdiplomatie betreibt. In Kiew indes ist der Ungar seit Kriegsbeginn nie gewesen. Die Sanktionspolitik der EU kritisiert er massiv, das Verhältnis zu Moskau soll laut Orban stabil und gut bleiben.
Vor allem die Energieabhängigkeit Ungarns von Russland wird von Fidesz als Begründung für die Nähe zu Moskau angeführt. Aussenminister Peter Szijjarto war mehrmals – zuletzt am Dienstag – nach Moskau gereist, um mit der russischen Regierung die Verlängerung von Gaslieferverträgen auszuhandeln. Von Gazprom als Hauptlieferant will Budapest nicht abrücken. Ungarns Aussenminister hatte sich in Moskau auch mit Rosatom-Chef Alexei Lichatschow getroffen, um den Weiterbau des Atomkraftwerks Paks, das mit russischer Technik und russischen Krediten geplant gewesen war, zu verhandeln.
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