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Bundesrat präsentiert Individual­besteuerung
Tiefere Steuern für Ehepaare mit zwei Einkommen

Im September reichte ein überparteiliches Komitee die nötigen Unterschriften zur Initiative für die Individualbesteuerung ein. 
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Ehepaare werden heute gemeinsam besteuert. Das führt dazu, dass bestimmte Ehepaare gegenüber unverheirateten Paaren benachteiligt sind. Bisherige Versuche, diese Heiratsstrafe zu beseitigen, sind gescheitert.

Nun plant der Bundesrat einen Systemwechsel. Er hat am Freitag die Vernehmlassung zur Individualbesteuerung eröffnet. Damit würden alle Personen eine eigene Steuererklärung ausfüllen, auch Verheiratete.

Das würde nicht nur die Heiratsstrafe beseitigen, sondern auch die Chancengleichheit der Geschlechter fördern: Arbeiten beide Ehepartner, riskieren sie nicht mehr, dadurch als Paar steuerlich stärker belastet zu werden. Damit steigt der Anreiz, dass Frauen einer Erwerbsarbeit nachgehen.

Weniger Steuern müssten vor allem Verheiratete bezahlen, die beide ungefähr gleich viel verdienen. Auch Rentnerehepaare würden entlastet. Die Kehrseite: Ehepaare mit nur einem Einkommen oder einem geringen Zweiteinkommen würden stärker belastet als heute. Umstritten ist, ob die Mehrbelastung mit Kompensationsmassnahmen abgefedert werden soll oder nicht.

«Nicht-Arbeiten würde noch subventioniert»

Die Befürworterinnen und Befürworter der Individualbesteuerung lehnen ein Korrektiv ab. Für GLP-Nationalrätin Kathrin Bertschy unterläuft ein Abzug für Einverdiener-Ehepaare ein wichtiges Ziel der Steuerreform. Diese soll Erwerbsarbeit für jene Ehepartnerinnen und -partner attraktiver machen, die bisher aus steuerlichen und anderen Gründen ein geringes Pensum hatten. «Das Nicht-Arbeiten steuerlich zu subventionieren, ist auch in Anbetracht des Fachkräftemangels geradezu grotesk», sagt Bertschy. Der Auftrag des Parlaments an den Bundesrat sei gewesen, mit der Individualbesteuerung positive Erwerbsanreize zu setzen.

Gegnerinnen und Gegner der Individualbesteuerung sehen in den Kompensationsmassnahmen zumindest einen Kompromiss. Auch sie bringen Gleichstellungsargumente vor: Familienarbeit sollte nicht gegen Erwerbsarbeit ausgespielt werden, sagen sie. Beides sei wichtig. Wer wie viel zum Erwerbseinkommen beitrage, dürfe bei der Besteuerung keine Rolle spielen.

Der Bundesrat hat sich nicht festgelegt: Er stellt eine Variante mit und eine ohne Korrektiv zur Diskussion. Als Korrektiv würde ein Abzug von bis zu 14’500 Franken für Ehepaare mit nur einem Einkommen oder einem geringen Zweiteinkommen geschaffen.

Der Kinderabzug soll von heute 6500 auf 9000 Franken pro Kind steigen.

Festgelegt hat sich der Bundesrat bei den Kompensationsmassnahmen für Alleinstehende und Alleinerziehende. Für sie ist ein Abzug von 6000 Franken vorgesehen, weil Haushalte mit mindestens zwei erwachsenen Personen tiefere Kosten haben, beispielsweise Wohnkosten. Zudem soll der Kinderabzug von heute 6500 auf 9000 Franken pro Kind steigen, damit für Eltern keine Mehrbelastung entsteht.

Die Reform würde den Bundeshaushalt belasten: Der Bundesrat rechnet bei der direkten Bundessteuer mit Mindereinnahmen von einer Milliarde Franken. Bei der Variante ohne Korrektiv ist eine Senkung des Steuertarifs möglich, bei der Variante mit Korrektiv ist eine Erhöhung notwendig, damit die Mindereinnahmen eine Milliarde nicht überschreiten. Der Bund trägt rund 800 Millionen, die Kantone rund 200 Millionen Franken. Offen sind die Auswirkungen auf die kantonalen Steuern. Die Individualbesteuerung ist auf allen Staatsebenen vorgesehen.

Mitte-Partei: Viel zu kompliziert

Den Auftrag für den Systemwechsel hat der Bundesrat vom Parlament erhalten, nach langem Hin und Her. Für die Individualbesteuerung sind SP, Grüne, GLP und FDP. Auch eine Volksinitiative fordert die Einführung der Individualbesteuerung. Das Gesetzesprojekt des Bundesrates soll als indirekter Gegenvorschlag dienen. Zwei weitere Initiativen fordern die Abschaffung der Heiratsstrafe und Korrekturen bei der AHV-Ehepaarrente. Diese hat die Mitte-Partei lanciert, die sich gegen die Individualbesteuerung stellt. 2016 hatte das Stimmvolk die Volksinitiative der damaligen CVP gegen die Heiratsstrafe nur knapp abgelehnt.

Die vorgeschlagenen Korrektive für Einzelhaushalte und Alleinverdiener zeigten, wie kompliziert die Individualbesteuerung sei, sagt Mitte-Nationalrätin Marianne Binder. Einen Zusatznutzen gebe es weder für die Besteuerten noch für die Behörden. Im Gegenteil: Statt einer Steuererklärung müssten Ehepaare künftig deren zwei ausfüllen, sagt Binder. Zudem sei das traditionelle Familienmodell kaum mehr verbreitet, und bei den allermeisten Ehepaaren seien beide erwerbstätig. Einen Anreiz zur Erwerbstätigkeit der Frauen brauche es gar nicht. «Eine steuerliche Erziehungsmassnahme zur Förderung der Erwerbstätigkeit von Frauen ist völlig überholt.»

Die bestehende Heiratsstrafe kann laut Binder mit der gemeinsamen Besteuerung der Ehepaare mit weniger Aufwand beseitigt werden. Dies hätten die Kantone bewiesen, die die steuerliche Benachteiligung von Verheirateten längst eliminiert hätten. 

Die Vernehmlassung endet im März. Bis die Reform in Kraft tritt, werden einige Jahre verstreichen.