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Spektakelstürmer Théo Rochette
Sogar Kanada buhlte um ihn, doch nun spielt dieses Wunderkind für die Schweiz

Porträt des Eishockeyspielers Theo Rochette im Hotel Allegra Lodge in Kloten.

05.02.2024
© Silas Zindel
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Der 6. Oktober 2020 war ein ernüchternder Tag für Théo Rochette. Der damals 18-Jährige sass zu Hause in Québec vor dem Computer. Lange hatte er auf den NHL-Draft hingefiebert, die alljährliche Spielerziehung der grössten Talente. Wegen des Coronavirus fand sie diesmal nur online statt, die NHL-Clubs waren via Videokonferenz zugeschaltet. Rochette sah, wie Name um Name aufgerufen wurde. Nur seiner nicht. 

Dabei hatte er schon früh als das nächste Wunderkind des Schweizer Eishockeys nach Nico Hischier gegolten. Der Sohn des langjährigen National-League-Schiedsrichters Stéphane verblüffte mit seinen goldenen Händen und seiner Übersicht und skorte mit 13 so fleissig wie einst der Walliser, der heute die New Jersey Devils als Captain anführt.

Rochette war so gut, dass Kanada um den Doppelbürger buhlte – sein Vater ist gebürtiger Kanadier. Und so stürmte er im November 2018 mit 16 in einem internationalen Turnier mit dem Ahornblatt auf der Brust gegen die USA, Tschechien und Finnland. Die Schweiz drohte eines ihrer grössten Talente zu verlieren – was sonst nur im Fussball oder im Tennis passiert. «Sie mögen seinen Namen noch nicht kennen, aber das wird sich schnell ändern», stand damals auf der kanadischen Verbandsseite bei einem Porträt über Rochette.

Doch zwei Jahre später wurde er, der Hochtalentierte, im NHL-Draft übergangen. So technisch stark und flink er ist, die NHL-Clubs fanden offenbar, er sei zu wenig kräftig. «Es war für mich eine grosse Enttäuschung», sagt er. «Aber ich habe gelernt, dies als Motivation zu nehmen. Ich probiere einfach, so hart wie möglich zu arbeiten, um mir den Traum von der NHL eines Tages doch noch zu erfüllen.»

Zwischen zwei Kulturen

Rochette ist aufgewachsen zwischen zwei Kulturen. Das zeigt sich nur schon sprachlich: Mit dem Journalisten spricht er «normales» Französisch, mit seiner Freundin oder seinem Vater das für Auswärtige schwer verständliche Québécois. «Ich fühle mich auf beiden Seiten des Atlantiks zu Hause», sagt er.

Geboren in Neuenburg, zog seine Familie in die Provinz Québec ins Kleinstädtchen Donnacona, als er sechs war, weil sein Vater am Pfeiffer’schen Drüsenfieber erkrankt war und in seiner Heimat sein wollte. Als Théo zehn war, kehrten die Rochettes in die Schweiz zurück, wo er in der Juniorenabteilung Lausannes spielte. Die letzten fünf Jahre verbrachte er dann wieder in Kanada – und zwar allein. Von 2018 bis 2023 spielte er auf höchster Juniorenstufe zunächst für Chicoutimi, dann für Québec.

18’000 jubelten ihm zu

Die Remparts führte er im vergangenen Frühjahr am Memorial-Cup, dem Finalturnier mit den vier besten kanadischen Juniorenteams, zum ersten Titel seit 2006. Die ganze Stadt fieberte mit, 18’000 kamen zu den entscheidenden Spielen ins Centre Vidéotron, einer Arena mit NHL-Dimensionen.

Die Leute in Québec dürstet es nach Eishockey. Über ein Vierteljahrhundert ist es mittlerweile her, dass die Québec Nordiques 1995 nach Denver umzogen und zur Colorado Avalanche wurden. Seitdem hat die Stadt kein NHL-Team mehr. Umso enthusiastischer wird das Juniorenteam unterstützt. Er sei während des Playoff auch auf der Strasse immer wieder angesprochen worden, erzählt Rochette.

In Lausanne spielt er seit dieser Saison mit 21 erstmals im Männerhockey. «Es war für mich anfangs ungewohnt, als in der Garderobe plötzlich Kinder meiner Teamkollegen herumrannten», sagt er schmunzelnd. Auf dem Eis fügte er sich nahtlos ein, punktete regelmässig. Mit 25 Punkten aus 39 Spielen ist er bei Lausanne der zweitbeste Schweizer Skorer hinter Damien Riat. Das grosse Eisfeld und die taktischen Freiheiten, die man in der National League geniesst, kommen ihm als kreativem Spielmacher entgegen.

L'attaquant luganais Mark Arcobello, gauche, lutte pour le puck avec l'attaquant lausannois Theo Rochette, droite, lors du match du championnat suisse de hockey sur glace de National League entre le Lausanne HC, LHC, et le HC Lugano, HCL ce samedi, 23 septembre 2023 a la patinoire de la Vaudoise arena a Lausanne. (KEYSTONE/Cyril Zingaro)

An den Beijer Hockey Games in Schweden gibt er nun sein Debüt im Schweizer A-Nationalteam. Es blieb für ihn damals bei jenen fünf Spielen für die Kanadier. Weil das kanadische Spielerreservoir riesig ist und Rochette nie eine Junioren-WM für Kanada bestritt, blieb er verfügbar für die Schweiz. Das erste Aufgebot von Patrick Fischer bedeutet: Er wird auch künftig mit dem weissen Kreuz auf der Brust auflaufen, nicht mit dem Ahornblatt.

Rochette wirkt mit seiner schmalen Statur und seinem feinen Gesicht immer noch wie ein Knabe unter Männern. Das will er ändern. Er verbringe viel Zeit im Kraftraum, sagt er. «Als ich kürzlich drei Spiele gesperrt war, war ich jeden Tag dort. Ich will Masse zulegen und explosiver werden. Ich habe noch viel Arbeit vor mir, aber ich bin mir meiner Stärken wie meiner Spielintelligenz bewusst. So etwas lässt sich nur schwer antrainieren.» Er ist übrigens auch ein passionierter Golfer mit Handicap elf.

Pius Suter als Beispiel

Kürzlich verlängerte Rochette seinen Vertrag bei Lausanne bis 2026. Sein grosses Ziel bleibt aber die National Hockey League – er könnte jeden Sommer in die beste Hockeyliga abwandern. Pius Suter sei auch nie gedraftet worden und spiele nun bei Vancouver eine schöne Rolle in der NHL, sagt er. Als Suter den Schritt nach Übersee wagte, war er 24 und Topskorer der National League. Rochette hat also noch Zeit.

Doch vielleicht ergibt sich ja auch schon bald etwas. Die New York Islanders engagierten vor drei Wochen Patrick Roy als ihren neuen Coach. Der frühere Stargoalie war Rochettes General Manager und Coach bei Québec und sehr angetan von ihm. Wie gross Roys Einfluss auf Personalentscheidungen ist, wisse er nicht, sagt Rochette. Er sei jedenfalls offen für alles. Einen Traumclub in der NHL habe er nicht – oder nicht mehr. Früher waren es die Montréal Canadiens.

Wahrscheinlich braucht Rochette noch ein, zwei Jahre in Lausanne, um zu reifen für die NHL. Aufmerksam beobachtet wird er dabei von seinem Vater Stéphane, der die Spiele für Mysports in der Romandie kommentiert. Wie geht er damit um? Für ihn sei das weniger ein Problem als für seinen Vater, sagt er schmunzelnd. «Ich stehe ja auf dem Eis und höre nicht, was er sagt.»