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«The Killer» auf Netflix
Der Auftragsmörder schiesst daneben – und dann wird dieser Thriller so richtig gut

The Killer. Michael Fassbender as an assassin in The Killer. Cr. Netflix ©2023
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Der Profikiller macht Yoga. Muss er ja auch, so bleibt er beweglich für seinen Job, der wie viele andere Aufgaben heutzutage Genauigkeit erfordert und ausgesprochen monoton sein kann. Der Unterschied zu den meisten Angestelltenverhältnissen besteht darin, dass der namenlose Mann (Michael Fassbender), der in den leeren Büroräumen in Paris ausharrt, den Auftrag bekommen hat, jemanden zu erschiessen.

Wenn sich das Zielobjekt mal zeigen würde, denn im mondänen Haussmann-Apartment gegenüber ist der Vorhang noch immer zugezogen. Der Killer wartet, friert, überwacht seinen Ruhepuls, hört The Smiths. Und er lässt uns teilhaben an seinem inneren Monolog. Er sei nicht besonders, hören wir ihn sagen, man werde geboren und sterbe, und in der Zwischenzeit schaffe man sein eigenes Gesetz. Als es endlich so weit ist, schiesst er daneben.

Der Neflix-Thriller «The Killer» von David Fincher, geschrieben von «Seven»-Autor Andrew Kevin Walker nach der französischen Comic-Reihe «Le tueur», kommt als Porträt eines Methodikers des Tötens daher und wurde schon böse verrissen. Wer will einem kaltblütigen Mörder zuschauen, der zwei Stunden lang belangloses Zeug schwafelt?

Das ist aber ein Missverständnis. Klar, die innere Stimme des Killers verrät uns viel über die gnadenlose Banalität seines Weltbilds – lass dich nie vom Auftrag ablenken, zeige kein Mitgefühl und so weiter. Auch der Plot ist nicht revolutionär. Nach dem missglückten Schuss in Paris will der Auftraggeber verhindern, dass die Spur zu ihm zurückverfolgt werden kann. Der Killer in «The Killer» wird also wie in all diesen Filmen vom Jäger zum Gejagten.

The Killer. Michael Fassbender as an assassin in The Killer.. Cr. Netflix ©2023

Als Formalist interessiert sich «Fight Club»-Regisseur David Fincher für das, was geschieht, wenn sich der Killer zu rächen beginnt. Wenn also der Glaube an die Akribie des Arbeitens mit den menschlichen Realitäten kollidiert. Dann tut der Profikiller irgendwann nicht mehr das, was seine Stimme sagt.

Die Diskrepanz erscheint zuerst wie eine interessante Irritation zwischen Bild und Ton. Doch irgendwann, wenn der Verhaltenscode des Profikillers nur noch wie der müdeste Sales-Pitch klingt und wir schon längst nicht mehr ernst nehmen, was er uns erzählt, wird der Mörder-Monolog zum Genre-Kommentar. Und ironisiert, was wir vom Profikiller-Film erwarten.

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Da wird «The Killer» zum selbstreflexiven Vergnügen. Der Auftragsmörder, den Michael Fassbender vor allem durch Körpersprache und Bewegungsabläufe charakterisiert, lebt im Hier und Jetzt, nicht in der glamourösen Parallelwelt von James Bond. Heutzutage werde man sowieso ständig überwacht, also müsse man zumindest so unscheinbar daherkommen wie möglich, erklärt der Namenlose: Seine Verkleidung ist einem deutschen Touristen nachempfunden, den er mal beobachtet hat.

Der Killer nutzt Amazon und Google Maps, wäscht sich auf dem Tankstellen-WC und baut im Hotel aus Zimmerservice-Geschirr einen simplen Alarm gegen Eindringlinge. Nicht wenige Szenen in «The Killer» zeigen die Hauptfigur an irgendwelchen Schaltern, wie sie ein Flugticket oder ein Mietauto bucht. Wüsste man nicht, dass der Pass gefälscht ist, würde einem nichts Besonderes auffallen.

The Killer. Tilda Swinton as The Expert in The Killer. Cr. Netflix ©2023

Der Anti-Glamour ist auch eine Anti-Coolness, selbst wenn David Fincher seinem Kameramann Erik Messerschmidt vorab zwecks Inspiration «Le samouraï» mit Alain Delon geschickt hat. Dieser Killer mag ähnlich kalt vorgehen. Aber wenn er Gewalt anwendet, ist sie alles andere als stylish, sondern schockiert mit ihrer unvermittelten Brutalität.

Es gibt auch eine weitere Ebene in «The Killer», nämlich den Verweis auf das Filmemachen selbst, das ja auch die Eintönigkeit der Methode kennt, die endlose Warterei, die Detailverliebtheit und den «shot», auf den es am Ende ankommt. Fincher lässt das mitschwingen, ohne es zu verdeutlichen, nur durch die Präzision der Inszenierung.

Die Konkurrenz erledigen

Am Ende ist der Auftragmord ein Business wie jedes andere, heisst es in einem Genreklassiker, dem Film noir «Murder by Contract» von 1958. Man muss das einfach buchstäblich verstehen: die Konkurrenz erledigen. In «The Killer» bestellen sich die Vermögenden in ihren Penthouses einen Auftragsmord auf ungefähr dieselbe Art, wie sie Vintage-Weine kaufen. Als ein Investment für die Zukunft, das sich auszahlen soll.

Der Killer aber ist gewöhnlich. Die Büroetage in Paris, wo er zu Beginn auf der Lauer liegt, ist reserviert für einen Co-Working-Space von Wework. Der wird erst noch fertiggestellt, aber eigentlich kann der Freelancer da schon arbeiten. Halt nicht mit dem Laptop wie die digitalen Nomaden von heute, aber mit ebenso klaren Zielvorgaben.

«The Killer», auf Netflix und weiterhin im Kino.