ETH-Studie liefert neue DatenTeufelskreis im Regenwald
Dürren in tropischen Regenwäldern verringern deren Fähigkeit, CO₂ zu speichern. ETH-Forschende vermuten, dass die Absenkpfade für die globalen Emissionen zu konservativ sein könnten.
Wälder und Ozeane – das sind wichtige Verbündete im Kampf gegen die Erderwärmung. Allein die Ökosysteme auf den Kontinenten entziehen der Atmosphäre etwa 30 Prozent des CO₂, das der Mensch durch die Verbrennung von Kohle, Erdöl und Erdgas produziert. Ohne deren Hilfe wäre der Klimawandel weit stärker fortgeschritten als jetzt schon.
Eine grosse Rolle spielen dabei die tropischen Regenwälder. Sie bauen Jahr für Jahr eine gigantische Biomasse auf. Dafür brauchen sie CO₂ aus der Atmosphäre, um mithilfe der Sonnenstrahlung (Fotosynthese) unter anderem Holz aufzubauen. Eine neue internationale Studie unter der Federführung der ETH Zürich zeigt nun in der neuen Ausgabe des Fachmagazins «Nature», dass diese «Biomasse-Fabrik» nicht immer rundläuft.
Wald nimmt weniger CO₂ auf
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gingen bisher davon aus, dass Wälder mit dem Anstieg der Temperatur weniger CO₂ aufnehmen. Die Fachleute sprechen von einer verminderten Senkenwirkung. Anhaltspunkte gaben die Schwankungen der beobachteten CO₂-Rate in der Atmosphäre.
Neue Satellitendaten der Grace-Mission, die das Erdgravitationsfeld und seine zeitliche Veränderung messen, liefern nun für die Erde Informationen über den regionalen Wasservorrat im Boden. Sie zeigen: Der Einfluss der Temperatur hat sich im Verlaufe der letzten rund 60 Jahre verändert. Für die schwankende Senkenleistung des tropischen Regenwaldes ist seit gut 30 Jahren immer mehr entscheidend, wie viel Wasser für die Vegetation zur Verfügung steht. Mit anderen Worten: Wo Dürren auftreten, sinkt die CO₂-Aufnahme des tropischen Regenwaldes.
«Wir können zwar noch keinen Trend für eine abnehmende Senkenleistung aufzeigen, aber wir können zeigen, dass die CO₂-Aufnahme eines tropischen Waldes anfälliger für Trockenheit geworden ist», sagt ETH-Klimaforscherin Sonia Seneviratne, deren Forschungsteam die Federführung bei der Studie hatte.
«Dürreperioden drohen Teile des Amazonas-Regenwaldes auszutrocknen.»
Dürreperioden treten zum Beispiel im Amazonasbecken immer häufiger auf. Klimaforschende gehen davon aus, dass ohne intensiven Klimaschutz in den nächsten Jahrzehnten aussergewöhnlich trockene Jahre wie 2005 und 2010 im Amazonasgebiet ab 2050 zur Normalität werden. «Intensivere Dürreperioden drohen Teile des Amazonas-Regenwaldes auszutrocknen», sagt Nico Wunderling, Forscher am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Er ist Autor einer Studie, die im letzten Sommer in den «Proceedings of the National Academy of Sciences» veröffentlicht wurde.
Sie zeigt: Wenn die Walddecke durch Trockenheit dünner wird, fällt insgesamt weniger Regen in der betroffenen Region. Denn: Nach starkem Regen geben Boden und Pflanzen einen grossen Teil des gespeicherten Wassers durch Verdunstung und Atmung wieder an die Atmosphäre ab, das dann wiederum ausgeregnet wird. Der Wald rezykliert im Prinzip Wasser aus der Atmosphäre und beeinflusst so das Wetter.
Dürren unterbrechen diesen Zyklus, vor allem in südlichen Regionen des Amazonas, wo schon viel Wald für Weideland und Soja-Anbauflächen weichen musste. Die Krux ist, so die Studie: Die Folgen einer Trockenperiode gehen jeweils über das betroffene Gebiet hinaus. Das heisst: Mit jeder Trockenheit wird stets mehr Wald geschwächt.
Korrektur der Klimamodelle?
Dass die Wasserverfügbarkeit Einfluss auf die Senkenleistung eines Waldes haben kann, darüber hat schon der Weltklimarat IPCC berichtet. Er konnte jedoch keine zuverlässigen Aussagen machen, ob dies auch bei einer Erderwärmung bis 2 Grad Celsius der Fall sein wird. Die Forschenden gingen davon aus, dass die Senkenwirkung erst bei einer hohen Erderwärmung zwischen 2 und 4 Grad nachlässt. «Dass der Faktor Wasserverfügbarkeit sich möglicherweise mit der Zeit verstärkt, war aus der Literatur für den letzten IPCC-Bericht nicht bekannt», sagt Sonia Seneviratne.
Die neuen Klimadaten sind jedenfalls plausibel. Ist es heiss und trocken, stellen die Pflanzen ihre CO₂-Aufnahme ein, um den Verlust von Wasser zu verringern. Ausserdem können starke Dürren auch zur erhöhten Baummortalität führen, was zusätzlich zu mehr CO₂-Ausstoss führt, insbesondere wenn der Wald brennt.
Sollten sich Dürren in Zukunft in tropischen Regionen in Südamerika und auch Afrika häufen und verstärken, wird die Senkenleistung schneller reduziert als erwartet. Das heisst: Es verbleibt mehr CO₂ in der Atmosphäre, als die Klimaforscher bisher annahmen. «Da die Klimamodelle den Zusammenhang unterschätzen, könnte das heissen, dass die Klimaprojektionen bisher zu optimistisch sind und die CO₂-Senkenleistung der Pflanzen auf dem Land überschätzen», sagt Sonia Seneviratne.
«Wir brauchen dringend mehr Schutz der tropischen Wälder.»
Die ETH-Forscherin schliesst daraus: «Es ist möglich, dass die berechneten Absenkpfade für die globalen CO₂-Emissionen deshalb zu konservativ sind.» Noch ist das allerdings nur eine Vermutung. Es brauche dazu weitere Untersuchungen, so die ETH-Forscherin.
Die Studie ist aber ein weiterer Beleg, wie die durch den Menschen verursachte Erderwärmung ökologische Prozesse anstösst, welche die Erwärmung auch ohne zusätzlich ausgestossene Emissionen verstärken können. Die Fachleute nennen das Rückkopplung – in der Umgangssprache heisst das «Teufelskreis».
Eine weitere Studie im letzten Jahr in der Fachzeitschrift «Nature Climate Change» zeigt überdies: Der Regenwald im Amazonasgebiet hat seit Anfang der 2000er-Jahre kontinuierlich an Widerstandsfähigkeit eingebüsst. Bei mehr als drei Vierteln des Waldes hat die Fähigkeit nachgelassen, sich von Störungen wie Dürren oder Bränden zu erholen. «Wir brauchen dringend mehr Schutz der tropischen Wälder», sagt Sonia Seneviratne.
Fehler gefunden?Jetzt melden.