Tempo 60 auf der Seestrasse darf hinterfragt werden
Pascal Jäggi zur Diskussion um die Forderung nach Tempo 30 auf der Seestrasse in Stäfa – und zu möglichen Alternativen.
Tempo 30 auf der Seestrasse. Absurd, oder? Das Thema bewegt jedenfalls die Gemüter. Nachdem das Baurekursgericht dem Kanton Zürich auferlegt hat, im Stäfner Kehlhof Tempo 30 und Tempo 50 zu prüfen, blieben die Reaktionen nicht aus. Auf der Facebook-Seite der «Zürichsee-Zeitung» sind sich die Kommentierenden einig: Das ist eine Schnapsidee.
Kein Wunder, für die Meisten ist die Seestrasse die wichtigste Verbindungsachse im Bezirk. So sieht es auch der Kanton Zürich. Schwer vorstellbar ist es schon, dass die Seestrasse tempomässig zur Quartierstrasse würde. Doch das Urteil ist nicht so weltfremd, wie es auf den ersten Blick scheinen mag. Im Gegenteil, jeder, der an einer lauten Strasse wohnt, sollte es positiv auffassen. Denn die tieferen Tempi sollen geprüft werden, um herauszufinden, ob der Lärm dadurch reduziert wird. Dass es im Kehlhof zu laut ist, ist amtlich bestätigt. Darum wollte der Kanton den Anwohnern ja Lärmschutzfenster bezahlen.
Gemäss dem Baurekursgericht müssen aber zuerst weitere Varianten geprüft werden. Wenn die Gerichte, allen voran das Bundesgericht, den Lärmschutz höher gewichten, als das Interesse der Allgemeinheit an schnellerem Vorankommen, ist das ein wichtiges Zeichen für alle Bewohner. Das Bundesgericht hat zweimal entschieden, dass weitere Massnahmen geprüft werden müssen, bevor Schallschutzfenster eingebaut werden. Das hat Signalwirkung.
So sieht das wahrscheinlichste Szenario aus: Die Messungen werden zeigen, dass sich der Lärm bei tieferen Geschwindigkeiten leicht reduziert. Der Kanton schliesst Tempo 30 kategorisch aus. Die Kantonsstrasse ist eine wichtige Hauptstrasse, Tempo 30 macht hier keinen Sinn. Das dürften auch die Gerichte so sehen.
Der Kanton wird sich sicher gegen das tiefe Tempo wehren. Das zeigt etwa das Beispiel der Zugerstrasse in Wädenswil. Mitten im Zentrum hätte die Stadt 2009 gerne Tempo 30 eingeführt. Der Kanton war strikt dagegen, obwohl die Hauptstrasse hier von vielen Zebrastreifen gekreuzt wird und die Autofahrer kaum je mit 50 km/h unterwegs sein können. In ihrer Argumentation beim Baurekursgericht sieht die Baudirektion die Seestrasse als «einzige leistungsfähige Hauptverkehrsstrasse entlang dem rechten Ufer des Zürichsees». Tempo 30 würde den Verkehrsfluss «in nicht hinnehmbarer Art und Weise beeinträchtigen». Das ist nachvollziehbar. Bleibt eine Reduktion auf Tempo 50. Was den Lärm betrifft, dürfte das nicht viel ausmachen.
Doch ein anderer Aspekt ist in dieser Geschichte genau so wichtig: Die Sicherheit an der Seestrasse. Diese war nicht Thema des Verfahrens, da es einzig um den Lärmschutz ging. Den Anwohnern im Kehlhof geht es aber nicht nur um den Lärmschutz, sondern auch um die Sicherheit. Was diese betrifft, ist es durchaus sinnvoll, Tempo 50 einzuführen. Fahren Autos langsamer, verkürzt sich der Bremsweg.
Die Gemeinden am See haben sich verändert, seit die Tempolimiten eingeführt wurden. Gerade im Sommer tummeln sich die Badegäste zu Dutzenden an der Seestrasse. Sei es bei der Villa Sunneschy in Stäfa oder bei den Bürger-Badis in Thalwil. Dennoch gilt hier Tempo 60. Ist das noch zu rechtfertigen? In den Zentren von Meilen, Horgen oder Wädenswil gilt bereits die 50er-Limite. Erst Anfang Jahr hat die Stadt Zürich in Wollishofen die 50er-Schilder angebracht. Wieso nicht auch in Kilchberg und Küsnacht? Auch ein Blick über die Kantonsgrenze zeigt, wie es gehen könnte. Auf der Zürcherstrasse in Rapperswil-Jona gilt, nach einer anfänglichen 60er-Phase, Tempo 50. Die Umgebung ist vergleichbar mit dem Kehlhof: Kein Zentrum, aber Wohn- und Geschäftshäuser auf beiden Seiten der Strasse.
Was spricht für Tempo 60? Gemäss Baudirektion sagt die Kantonspolizei, dass das Tempolimit bei Tempo 50 nicht eingehalten werde, beziehungsweise, dass sich die durchschnittliche Geschwindigkeit um 0 bis 4 km/h reduzieren würde, sollte Tempo 50 eingeführt werden. Zumindest, wenn es keine Anpassungen am Erscheinungsbild der Seestrasse gibt. Diese Argumentation ist fadenscheinig. Es würden ja neue 50er-Schilder angebracht. Und zu Beginn sollte die Kapo regelmässige Radarkontrollen durchführen. Das gehört zu ihren Aufgaben. Die Automobilisten würden sich schnell an das neue Temporegime gewöhnen. Oder fahren in Wollishofen immer noch alle mit 60?
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