Terroralarm in ÖsterreichGeplanter Anschlag auf Taylor-Swift-Konzert in Wien: Verdächtiger arbeitete im Stadion
Mutmassliche IS-Anhänger haben Anschläge auf die Konzerte in Wien mit jeweils 65’000 Menschen geplant. Die neusten Erkenntnisse aus der Medienkonferenz.
Ein 19 Jahre alter Islamist wollte in Österreich bei einem Konzert von Taylor Swift nach eigenen Worten ein Blutbad anrichten. Der IS-Anhänger habe ein volles Geständnis abgelegt, sagte der Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit im Innenministerium, Franz Ruf. Auch ein 17-Jähriger war festgenommen worden.
Es werde aktuell nicht nach weiteren Terrorverdächtigen gesucht, auch wenn die Ermittlungen im Umfeld des Duos mit Hochdruck weiterliefen, so Ruf. Der Plan der beiden jungen Männer war laut Behörden, entweder am Donnerstag oder am Freitag mit Sprengstoff und Stichwaffen «sich selbst und eine grosse Menschenmenge zu töten», sagte Omar Haijawi-Pirchner, der Leiter der Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst im Ministerium.
Ein Ticket für eines der drei Konzerte im Ernst-Happel-Stadion im Wiener Prater habe der Hauptverdächtige nicht gehabt, hiess es. Nach der Festnahme des Duos waren vom Veranstalter kurzfristig vorsorglich alle drei Swift-Konzerte in Wien abgesagt worden.
Fans bitter enttäuscht
Zehntausende Fans des 34-jährigen Mega-Stars, die teils aus den USA und Kanada angereist waren, reagierten zunächst tief enttäuscht. Bei vielen flossen Tränen. Manche Fans hatten sich Monate auf die Show gefreut. Aber angesichts der Gefahr äusserten sie auch Verständnis für die Entscheidung des Veranstalters. «Wir sind auf komische Art erleichtert», sagen die aus der Schweiz angereisten Schwestern Mona und Mia. Lesen Sie dazu auch: Swifties versammeln sich nach dem Terrorschock zum Trösten und Trauern
Dem Veranstalter zufolge sei die Absage die richtige Entscheidung gewesen. Am Donnerstagnachmittag teilte Ewald Tatar, der Chef von Barracuda Music, mit, dass es eine «Entscheidung im Sinne der Sicherheit für Besucherinnen und Besucher» gewesen sei, wie der «Standard» berichtet. Er bezog sich auf die Sicherheit der Fans im restlos ausverkauften Stadion und auch ausserhalb. Den folgenschweren Entschluss habe man «in Koordination mit dem Management der Künstlerin» getroffen.
Schätzungen erwarteten rund 170’000 Fans auf der Eras-Tour in Österreich. Wo Taylor Swift sich aufhielt, war zunächst unklar. Sie hat weitere Konzerte in London geplant. Ein Hinweis auf die Pläne sei von einem ausländischen Geheimdienst gekommen. «Gerade in der Terrorismusbekämpfung ist die Informationsteilung essenziell», sagte Haijawi-Pirchner. Der Hinweis habe sich zunächst nur auf einen möglichen Einzeltäter bezogen.
Durch weitere eigene Erkenntnisse sei man aber auf ein der Polizei bereits bekanntes islamistisches Netzwerk gestossen. Der 19-Jährige habe sich online über den Bau von Bomben informiert.
Pläne wurden in letzter Minute bekannt
Die Polizei hatte am Mittwoch, kurz vor dem ersten Live-Konzert der US-Sängerin in Wien, ein Komplott für einen Anschlag auf die Veranstaltung aufgedeckt. Sie nahm neben dem 19-Jährigen auch den 17-Jährigen fest und verhörte zudem einen 15-Jährigen. Beide hätten Kontakt mit dem 19-Jährigen gehabt.
Der 19 Jahre alte Österreicher mit familiären Wurzeln auf dem Balkan habe am 25. Juli seinen Job gekündigt und dabei gesagt, dass er noch Grosses vorhabe, so die Polizei. Er habe sich dann intensiv auf einen geplanten Anschlag vorbereitet. «Er hat sein Erscheinungsbild auffällig verändert» und an die IS-Standards angepasst, sagte Ruf.
Der Verdächtige habe jüngst auch einen Treueschwur gegenüber dem aktuellen Führer der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) geleistet. Nach Angaben der Behörden hatte sich der 17-Jährige in Vorbereitung des Anschlags von seiner Freundin getrennt. Bei beiden Verdächtigen sei eine klare soziale Veränderung eingetreten.
Zweiter Verdächtiger arbeitete im Stadion
Der 17-Jährige ist bei einem Unternehmen angestellt, das die Zuschauer im Happel-Stadion versorgt. Die Festnahme erfolgte am Mittwoch, als sich der Jugendliche auf dem Weg ins Stadion befand. Hier wurde er von Sondereinsatzkräften der Polizei kurz vor dem Stadion gefasst. Er schweigt bisher zu den Vorwürfen. In Polizeigewahrsam befindet sich auch ein 15-Jähriger mit türkischem Hintergrund, der intensiv befragt wird.
Er soll zumindest von den Terror-Plänen des 19-Jährigen gewusst haben. Inwieweit er eingebunden war, ist Gegenstand der laufenden Ermittlungen.
In seine Pläne dürften laut Polizei-Ermittlungen auch ein 17-jähriger Wiener mit türkisch-kroatischem Hintergrund sowie ein 15-jähriger Austro-Türke involviert gewesen sein. Der 17-Jährige Komplize soll erst vor wenigen Tagen bei einem Facility-Unternehmen zu arbeiten begonnen haben, dass auch beim Taylor-Swift-Konzert tätig war. Er wurde am Mittwoch beim Wiener Stadion festgenommen.
Veranstalter: Absage richtige Entscheidung
Die Information, dass der 17-Jährige ein Mitarbeiter im Stadion war, sei für die Absagen der Konzerte durch den Veranstalter entscheidend gewesen, berichtet der «Standard». «Das ist eine klare Tatsache, dass man sich dann als Veranstalter was überlegen muss», sagte demnach Ewald Tatar, der Chef von Barracuda Music. «Dann ist es nicht mehr um irgendjemanden in Niederösterreich gegangen, sondern effektiv um einen Mitarbeiter, der an diesem Tag im Stadion ab der Früh tätig war.»
Österreichs Kanzler Karl Nehammer hat die Absage der drei Konzerte ausdrücklich gelobt. Die Entscheidung des Veranstalters sei «sehr verantwortungsvoll und nachvollziehbar», sagte Nehammer auf einer Pressekonferenz. Die Verdächtigen hätten mit ihren Mitteln ein grosses Blutbad anrichten können. Ohne das rechtzeitige Eingreifen der Fahnder hätte ein «unermesslicher Schaden» gedroht. Zehntausende Fans des US-Stars seien durch die Islamisten um eine grosse Freude gebracht worden. «Ich verstehe sehr gut, dass die Traurigkeit sehr gross ist.»
Chemikalien für Bombe heimlich beim Arbeitgeber beschafft
Bei einer Durchsuchung der Wohnräume des 19-Jährigen in Ternitz südlich von Wien waren chemische Substanzen und technische Vorrichtungen sichergestellt worden, die auf «konkrete Vorbereitungshandlungen» hindeuteten, sagte Ruf weiter. Ausserdem wurden ein Polizei-Blaulicht und ein akustisches Polizeihorn gefunden. Sie sollten möglicherweise den Verdächtigen helfen, zum Tatort zu kommen oder von diesem zu flüchten.
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Laut verschiedenen Medienberichten plante der Mann einen Bombenanschlag. Die notwendigen Chemikalien soll er sich heimlich an seinem Arbeitsort beschafft haben. Zudem habe er mit einem Auto in eine Menschenmenge rasen wollen. Ausserdem habe er sich in Chatforen über Messerangriffe und Macheten ausgetauscht.
Der junge Mann habe sich im Internet radikalisiert und vor Kurzem einen Treueschwur auf die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) abgelegt. Der 19-Jährige hat sich gemäss Informationen der Plattform OE24 zur Terror-Gruppe IS «Provinz Khorasan» bekannt. Dieser IS-Ableger verübte im März einen Anschlag auf eine Konzert-Halle in Moskau und tötete mehr als 130 Menschen.
Kanzler Nehammer: «Tragödie konnte verhindert werden»
Durch die Festnahmen sei die konkrete Bedrohungslage zwar minimiert worden. Eine abstrakte Bedrohung mit erhöhter Terrorgefahr bestehe aber weiter. Österreich hatte die Terrorwarnstufe nach dem Überfall der islamistischen Terrororganisation Hamas auf Israel am 7. Oktober auf die zweithöchste Stufe angehoben.
Österreichs Bundeskanzler Karl Nehammer zufolge ist die Bedrohungslage «sehr ernst» gewesen. «Dank der intensiven Zusammenarbeit unserer Polizei und dem neu aufgebauten DSN (Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst) mit ausländischen Diensten konnte die Bedrohung frühzeitig erkannt, bekämpft und eine Tragödie verhindert werden», schrieb Nehammer in der Nacht zu Donnerstag auf X.
Für die Fans sei die Absage der Konzerte zwar «eine herbe Enttäuschung», so Nehammer. Aber: «Die Situation rund um den offenbar geplanten Terroranschlag in Wien war sehr ernst.»
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Innenpolitische Diskussion über Bedrohungslage
Nach dem verhinderten Anschlag sehen die Parteien in Österreich Aufklärungsbedarf. Die sozialdemokratische SPÖ verlangte die Einberufung des Nationalen Sicherheitsrates. Die Öffentlichkeit werde im Unklaren gelassen, ob weiterhin eine tatsächliche Bedrohungslage bestehe.
Die liberalen Neos forderten indes eine Lagebesprechung im Kanzleramt. Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger sorgt sich ausserdem um den Ruf der Alpenrepublik. «Ich fürchte der Imageschaden für Österreich und Wien ist enorm. In Paris, Berlin, London, München,… überall können Veranstalter und Sicherheitsbehörden Konzerte durchführen. Nur bei uns nicht? Sind wir dermassen herabgewirtschaftet?», schrieb sie auf X.
Zuschauer vor Stadion als Ziel
Bei der Durchsuchung des Hauses in Ternitz waren Ermittler in Schutzanzügen zu sehen. Aus Sorge vor möglichen Sprengstoff-Fallen hatte die Polizei das Gebäude weiträumig abgeriegelt. Dazu mussten zahlreiche Menschen ihre Wohnung verlassen. Auch ein Teil eines Seniorenheims wurde geräumt.
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Im Haus seien Zünder und andere Vorrichtungen sichergestellt worden. Daneben IS-Propaganda, 21’000 Euro Falschgeld und «Anabolika-ähnliche Substanzen». Ausserdem habe der Verdächtige ein Bekenner-Video löschen wollen, das die Ermittler jedoch wiederherstellen konnten.
Der österreichische Vizekanzler Werner Kogler bedankte sich bei den Ermittlern. «Terroristen wollen uns Angst machen und uns auseinandertreiben», schrieb er auf dem Kurznachrichtendienst X. «Wir werden uns unsere Art zu leben nicht zerstören lassen».
London hält an Swifts Konzerten fest
Kommende Woche soll Taylor Swift auf ihrer Tour wieder in London spielen. Der Bürgermeister der Stadt, Sadiq Khan, hält an den geplanten Konzerten des Superstars fest.
Der Fernsehsender Sky News fragte Khan, ob die Ereignisse die Pläne änderten. «Wir sind eine Hauptstadt, wir sind eine internationale Stadt, wir sind regelmässig Gastgeber für Grossveranstaltungen», sagte Khan dem Sender. Er verwies auf Konzerte wie etwa von Bruce Springsteen im Wembley Stadium oder Fussballspiele in London. «Wir freuen uns darauf, Taylor Swift wieder zu begrüssen.»
«Wir haben viel Erfahrung bei der Polizeibegleitung solcher Veranstaltungen», sagte Khan. Man habe viel gelernt nach dem furchtbaren Anschlag in Manchester. 2017 hatte dort ein islamistischer Selbstmordattentäter nach einem Konzert der Sängerin Ariana Grande einen Sprengsatz gezündet und 22 Menschen mit in den Tod gerissen.
Khan betonte, man werde eng mit der Polizei zusammenarbeiten, um sicherzustellen, dass die Konzerte der US-Popstars in London sicher stattfinden könnten. Die 34-Jährige soll vom 15. bis 20. August im Wembley Stadium spielen. Sie war dort schon im Juni aufgetreten.
DPA/oli/step
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