TV-Kritik «Tatort»Der schönste Rapper Österreichs hilft dem Wiener «Tatort»
Im ersten Krimi nach der Sommerpause sind drei echte Rapper mit von der Partie. Und die Ösi-Ermittler schauen sich bei ihnen ein paar Moves ab.
Man nennt ihn den «schönsten Rapper Österreichs»: Aleksandar Simonovski alias Yugo, früher Jugo Ürgens. Yugo hat die Crew des ersten «Tatorts» nach der Sommerpause beraten und dem Drehbuchduo Franziska Pflaum und Samuel Deisenberger eine Szene mit Rap-Battle ausgeredet: In der Welt, in der sich der fiktive Mainstream-Hip-Hopper Ted Candy – das Todesopfer in «Deine Mutter», verkörpert von Yugo – bewege, kämen solche Schlachten gar nicht vor, sagt Yugo. Beleidigungen, Drohungen und krasser Sexismus dagegen schon, und die Drehbuchautoren hatten hörbar Lust auf solche wilden Lyrics (ergänzt um eher anbiedernde Erklär-TV-Passagen für die Zuschauer).
Auch die Regisseurin, Ex-Musikjournalistin Mirjam Unger, widmete ihr «Tatort»-Debüt gern diesem Musikgenre, wie sie erzählt. Sie hat dafür die Stars Yugo und KeKe (Kiara Hollatko) gewonnen sowie den deutschen Rapper Frayo 47 (Francis Ayozieuwa): Die drei treten nicht bloss auf, sondern haben Liedtexte beigesteuert. Die Schauplätze sind gleichfalls authentisch, wichtigster Drehort war ein angesagter Club in Wien, im 1. Bezirk.
Erfunden ist bloss die blutige Story: Candy, «der fescheste Rapper Wiens mit 250’000 Followern», liegt nach einem Konzert erschlagen in einem Parkhaus; zugedröhnt mit Koks und Co. war er auch. Hauptverdächtiger ist sein Mentor Akman (Murat Seven), ein Pionier des harten Gangster-Raps, der nicht mehr so gefragt ist. Der kassenstarke Candy hatte einen Vertrag mit Akmans Plattenlabel, wollte aber zu einem grösseren Player im Musikbusiness wechseln. Oder doch nicht?
Vielleicht war der Beef zwischen den Rappern auch nur fake – inszeniert, um die Klickzahlen anzuheizen. Das behauptet zumindest Akman. An anderen Verdächtigen mangelts jedenfalls nicht: Candys alkoholkranke Mutter zählt ebenso dazu wie ein heimlicher Lover Candys, über den in der homophoben Szene nichts bekannt werden darf.
Dann gibt es da noch ein ehrgeiziges Jungtalent, einen 18-jährigen Geflüchteten aus Nigeria (Frayo 47), der seit acht Jahren auf seine Einbürgerung wartet und gesellschaftskritischen Rap heraushaut. «Auch wenn Sies nicht glauben wollen, nicht alle Beamten sind Arschlöcher», wehrt sich Majorin Fellner (Adele Neuhauser) gegen klischiertes Bullen-Bashing.
«Tatort» im Hip-Hop-Kosmos
Die Frage, aus welchem Schmerz die Härte der Hip-Hopper geboren wurde und wie viel Fragilität, aber auch Feigheit dahintersteckt, treibt diesen «Tatort» an und die Ermittler um. Der Traum vom gesellschaftlichen Aufstieg und der seelische Absturz, der Social-Media-Druck und die Flucht in die Drogen, Geld und Gewalt: All diese, nun ja, erwartbaren Elemente des Hip-Hop-Kosmos haben die Autoren in eine dichte Story gepackt. Trotzdem stellt sich das Gefühl ein, dass diese eigentlich Nebensache ist.
Denn die Musik spielt buchstäblich drumherum, samt augenzwinkernder Rap-Einlage von Fellner und Kollege Eisner (Harald Krassnitzer). Zwischendurch gibts ein paar magere Scherze über Fellners neuen Vegetarismus, inklusive klassischem Oberbösewicht, der fleischfressende Pflanzen züchtet. Eine typische Melange halt, aber nicht Wiens Feinstes.
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