TV-Kritik «Tatort»Das ist der bislang beste Zürcher «Tatort»
Geht doch! Weder melodramatisch rumpelnd noch aufdringlich klassenkämpferisch: «Von Affen und Menschen» hat richtigen Krimigroove.
Nachts im Zoo. Unter dem vollen Mond kollern, keckern und jaulen verschiedenste Tiere: So beginnt «Von Affen und Menschen», und wenig später hören wir es auch bei Fallanalystin Tessa Ott (Carol Schuler) knarren und quietschen.
Weil sie nicht schlafen kann, lässt sie über ihren Bildschirm die legendäre Kettenreaktion «Der Lauf der Dinge» der Schweizer Künstler Peter Fischli und David Weiss in Endlosschleife ziehen – ein ironischer Kommentar auf die verschlungene Krimihandlung, die sich nun entfalten wird. Und auch ein Verweis auf die Perpetuum-mobile-Rastlosigkeit der zwei Ermittlerinnen: Der neue Zürcher «Tatort» könnte durchaus «Schlaflos in Zürich» heissen. Ott und Isabelle Grandjean (Anna Pieri Zuercher) kriegen derzeit nachts kein Auge zu und sind daher tagsüber mit Sonnenbrillen unterwegs.
Wir wiederum kneifen uns mal kräftig zum Aufwachen – doch nein, es ist kein Traum! Der neue «Tatort» aus der Feder derer, die 2020 das Zürcher Figurenarsenal erfanden, ist, erstaunlicherweise, tatsächlich richtig gut. Die Drehbuchautoren Lorenz Langenegger und Stefan Brunner haben rund ums Thema Gier einen Fall mit Zug und Mehrwert, mit Stringenz, Überraschungen und sogar Witz gebaut; ganz ohne melodramatisch-moralisches Zeigefingern und aufgeplustertes Traumata-Aufdröseln.
Zudem peppt die Zürcher Komponistin Mirjam Skal den Krimi mit einer Filmmusik auf, die als satirischer Kontrapunkt durchgehen könnte mit ihren kichernden Rasseln und spöttelnden Quäkinstrumenten. Zum Soundtrack gehört ausserdem der unmusikalische Rap zweier Typen, den jeder der beiden für sich allein vor sich hinsummt: «Money makes the world go round, they say», triumphieren sie jeweils, bevor sie brutal exekutiert werden (wofür wir dann beinah Verständnis haben).
Der innere Schweinehund in uns allen
Doch erst mal liegt da im Affenhaus ein herziger Schimpanse in seinem Blut. Die Staatsanwältin jedoch bezeichnet Schimpansenmord als Sachbeschädigung: Nicht ihr Ressort, auch nicht das von Grandjean und Ott, erklärt sie der einflussreichen Zürcher Patrizierin aus dem Zoo-Vorstand, die sich seit langem um den Aufbau einer Schimpansengruppe bemüht (in Tat und Wahrheit hält der Zoo Zürich seit 2006 keine Schimpansen mehr). Die rebellische Ott dagegen fordert Menschenrechte für Menschenaffen und sucht auf eigene Faust nach dem Affenmörder.
Wie bei «Der Lauf der Dinge» stösst das eine das andere an, und bald liefern Otts ausserdienstliche Untersuchungen Hinweise für die echte Ermittlung: Zwei Männer und eine Frau werden innerhalb kurzer Zeit tot aufgefunden. Unter alledem pocht und pusht die Gier. Die kapitalistische Logik samt Konsumsehnsucht und Karrieregeilheit scheint alle anzutreiben, selbst Grandjean und die klassenkämpferische Ott. Man geht über Leichen, lässt beste Freunde über die Klinge springen: Den inneren Schweinehund in uns allen haben die Zürcher noch nie so klar konturiert und zugleich so sec gezeichnet wie hier.
Als Scherz am Rande flicht Regisseur Michael Schaerer in seinen angenehm gezügelten Film kleine Schauspieltrainingsszenen ein: Die umwerfende Sarah Viktoria Frick übt als unlautere Investmentbrokerin (und deren Zwillingsschwester) ihren Auftritt ebenso wie ihr geprelltes Opfer oder die Staatsanwältin. Jeder spielt eine Rolle, nur die Affen nicht. Dass «Von Affen und Menschen» am Fernsehkrimi-Festival in Wiesbaden im März den «Sonderpreis Drehbuch» gewann – und damit dort zum ersten Mal überhaupt eine schweizerische Produktion eine Auszeichnung holte: Das ist verdient.
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