Rigider Kurs gegen FrauenTaliban lassen Mädchen ab 12 nicht mehr in die Schule
Zum landesweiten Schulstart wurden für die Sekundarschulen nur männliche Lehrer und Schüler zum Unterricht eingeladen. Das Frauenministerium wird in ein Tugendministerium umgewandelt.
Die Taliban wollen junge Frauen offenbar von der höheren Schulbildung ausschliessen. Das neue Regime der radikalislamischen «Koranschüler» rief zum landesweiten Schulstart am Samstag nur die männlichen Lehrer und Schüler Afghanistans zum Unterricht in die Sekundarschulen. Betroffen sind davon Jugendliche ab etwa zwölf Jahren. Von Schülerinnen war laut dem britischen Sender BBC keine Rede. Ein Taliban-Sprecher sagt, man werde diese Frage später entscheiden.
Damit scheinen die Taliban eines ihrer wichtigsten Versprechen zu brechen: Frauenrechte im Rahmen der Vorschriften des Islam zu achten. So hatten sie nach der Machtübernahme am 15. August versichert, dass Frauen höhere Schulen und Universitäten offen stünden. Voraussetzung sei, dass Unterricht und Lehre bei voller Geschlechtertrennung stattfänden. Dass die Islamisten das bisherige Frauenministerium nun auch noch geschlossen haben und es in ein Tugend- und Predigt-Ministerium umwandelten, ist Hinweis darauf, dass die Taliban zu ihrer früheren, frauenfeindlichen Politik zurückkehren.
Ein Amt, das auf die Einhaltung der «islamischen Sitten» achtet
Taliban-Sprecher Zabihullah Mudshahed sagt einer lokalen Nachrichtenagentur, man arbeite daran, die Sekundarschulen auch für junge Frauen wieder zu öffnen. Er nannte aber weder Details noch einen Termin. Möglicherweise ist die Taliban-Führung in dieser Frage nicht einig; sie ist auch in anderen Punkten gespalten in einen eher pragmatischen Flügel und eine radikal-traditionalistische Fraktion. Wie in zahlreichen anderen politischen Fragen könnten die Taliban das Problem aber auch einfach hinauszögern und Fakten schaffen. Ideologisch lehnen sie nahezu jede Beteiligung von Frauen am öffentlichen Leben ab.
Im neuen Taliban-Kabinett sitzt keine einzige Frau. Am Freitag hatten die Taliban das Frauenministerium geschlossen. Stattdessen gibt es nun wieder ein Amt, das auf die Einhaltung der «islamischen Sitten» achtet und sich dem Kampf gegen vermeintliche Laster widmet. Sehr viele Frauen wurden direkt nach der Machtübernahme nach Hause geschickt, als sie wie gewohnt an ihren Arbeitsplätzen erschienen. Damit scheinen die Taliban, die Afghanistan schon von 1996 bis 2001 beherrscht hatten, allen Appellen der internationalen Gemeinschaft zu trotzen.
Jüngst hatten die Islamisten zwar angekündigt, dass Frauen weiterhin Universitäten besuchen dürften, solange die Geschlechtertrennung im Hörsaal garantiert sei. Zudem müsse sichergestellt sein, dass die Lehrstoffe «islamischen Werten» entsprächen. Auch die Auswahl der Dozenten müsste nach Geschlecht getrennt getroffen werden. Falls dies nicht gehe, sollten die Dozenten hinter einem Sichtschutz oder via Audio unterrichten. Zudem werde man an den Unis eine strenge Kleiderordnung vorgeben. Die Taliban fordern meist eine Ganzkörperverschleierung mit Burka oder ähnlichen Schleiern, die allenfalls Gesicht und Hände von Frauen freilassen. Nach dem Islam-Verständnis der Taliban dürften damit weite Teile der modernen akademischen Lehre unter den Tisch fallen.
Die Frauenbildung war in der islamisch-konservativen afghanischen Gesellschaft immer umstritten. Nach dem Sturz des Taliban-Regimes hatte die ab 2002 herrschende und vom Westen gestützte Regierung den Kurs drastisch geändert. Ihre grösste Errungenschaft lag in den Bereichen Frauenrechte und Frauenbildung. Die Zahl der afghanischen Mädchen, die zur Grundschule gingen, stieg fast aus dem Nichts auf rund 2,5 Millionen, die Analphabetenrate unter Frauen sank deutlich, es gab Ministerinnen und Fernsehjournalistinnen.
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